Von: ka
Gallipoli – Der bekannte apulische Urlaubsort Gallipoli platzt aus allen Nähten. Die Kleinstadt am Ionischen Meer, die im Winter kaum 22.000 Einwohner zählt, wird trotz geschlossener Diskotheken von Jugendlichen und jungen Leuten geradezu gestürmt. Schätzungen zufolge urlauben in Gallipoli und seiner Umgebung derzeit bis zu 120.000 junge Gäste.
Während sich die Wohnungsvermieter, deren Appartements oft überbelegt sind, die Lokalinhaber und die Kaufleute die Hände reiben, klagen Anwohner über schlaflose Nächte. Um das nächtliche Treiben in geordnete Bahnen zu lenken, erließ der Bürgermeister von Gallipoli strenge Verordnungen. Allerdings hält sich niemand an sie.
Keiner von den Einheimischen kann sich daran erinnern, dass Gallipoli im Juli jemals so voll war. Aber das, was auffällt, ist, dass Gallipoli heuer ganz besonders bei den jungen Leuten hoch im Kurs zu stehen scheint. Der Strand, die Straßen der Alt- und Neustadt des apulischen Urlaubsortes und die Lokale sind voller Jugendlicher und junger Leute. Viele von ihnen sind nicht einmal 20 Jahre alt. Am Tag ruhen sie sich in ihren Unterkünften, in der freien Natur oder auf den Stränden aus. Andere hingegen gehen erst nach dem Sonnenuntergang auf den Strand. „Sie sind vielleicht gerade erst volljährig, manchmal sieht man ihnen ihr Alter gar nicht an. Aber ich mag ihre Fröhlichkeit, denn nach monatelangen Schließungen ist es schön, die Stadt wieder so lebendig zu sehen“, so ein Einheimischer.
Posted by Gallipoli on Thursday, July 29, 2021
Viele von ihnen sind junge Rucksacktouristen, die ohne viel Habe und Geld in der Umgebung von Gallipoli von Ort zu Ort ziehen. Die meisten von ihnen stammen aus norditalienischen Regionen wie der Lombardei, Venetien oder der Emilia-Romagna, aber seit den von den spanischen Behörden verhängten Schließungen fehlen auch die Ausländer nicht. Schätzungen zufolge urlauben in Gallipoli und seiner Umgebung derzeit bis zu 120.000 junge Gäste.
Abends zieht es die jungen Leute in Gallipolis Altstadt. Die bekanntesten Straßen im Zentrum der von den alten Griechen gegründeten Kleinstadt sind am Abend und in der Nacht bis zum Bersten voll. Die Lokale in der Innenstadt und an der Strandpromenade werden von den jungen Leuten regelrecht gestürmt. Um dem Andrang junger Kunden Herr zu werden, richteten die Inhaber einiger Lokale vor ihren Bars Tische auf, auf denen sie ihre Cocktails und andere, meist alkoholische Getränke anbieten.
Die Menschenansammlungen zwingen die Ordnungskräfte zum Einschreiten. Bei einer Streifenfahrt fiel den Polizeibeamten in der zentralen Via Roma erst unlängst eine Menschenansammlung von Hunderten junger Leute auf, die ohne Mund-Nasen-Schutzmasken zu tragen und ohne die gebotene soziale Distanzierung einzuhalten, sich in der Nähe eines Lokals aufhielten, das Speisen und Getränke servierte. Nachdem die Polizisten den Vorfall gefilmt hatten, wurde der Inhaber wegen Verstoßes gegen die Corona-Hygiene- und -Schutzmaßnahmen zu einer Geldstrafe von 400 Euro verurteilt. Sein Lokal hingegen wurde umgehend für fünf Tage geschlossen.
Einzelne geahndete Verstöße können aber nicht verhindern, dass in Gallipoli die ganze Nacht durchgefeiert wird. Lärmgeplagte und um ihren Schlaf gebrachte Anwohner beklagen sich über lautstarke Gesänge. Um das nächtliche Partytreiben in etwas geordnetere Bahnen zu lenken, erließ der Bürgermeister von Gallipoli, Stefano Minerva, strenge Verordnungen. Wer schreit und den Schlaf seiner Nachbarn stört, muss seine Sachen packen und vorzeitig die Heimreise antreten.
Es ist aber leichter, Verordnungen zu erlassen, als sie durchzusetzen. „Sie singen die ganze Nacht hindurch, manchmal sogar bis zum Morgengrauen. Mit diesen Leuten zu reden, ist praktisch unmöglich“, so ein verärgerter Anwohner. „Es scheint, als hätte es die Coronapandemie nie gegeben. Eng zusammengerückt und zusammengedrängt bevölkern die jungen Leute die Strandpromenaden und Plätze“, so ein Anwohner.
Die Wohnungsvermieter hingegen machen das Geschäft ihres Lebens. In vielen Appartements schlafen bis zu zwölf Personen. Es genügen einige Matratzen, um eine durchschnittliche Familienwohnung in ein Urlaubsdomizil für eine ganze Gruppe junger Leute zu verwandeln. Dank der Überbelegung verdienen die Vermieter in nur einer Woche so viel, wie sie in einem ganzen Monat mit der Vermietung an Urlauberfamilien verdienen würden. Zum Leidwesen einiger Vermieter verständigten aber Nachbarn, die die ständigen Partys leid waren, die Ordnungskräfte.
Schlimm ist auch, dass die Jugendlichen mit ihren Fahrrädern am Abend und in der Nacht oft ohne Licht und ohne die elementarsten Verkehrsregeln einzuhalten, durch die Gegend fahren. Dies führte bereits zu einer Tragödie. Ein 21-Jähriger aus Modena wurde von einem Auto, dessen Lenker angetrunken war, angefahren und getötet.
Ein großes Problem ist auch, dass es im Umfeld von Gallipolis „Movida“ – dabei handelt es sich um einen ursprünglich spanischen Begriff, der das ausschweifende und laute Nachtleben junger Leute in den Ausgehvierteln beschreibt – immer öfter zu Straf- und Gewalttaten kommt. Immer häufiger werden Fälle von Drogenhandel, Körperverletzung und sexuellen Straftaten gemeldet und zur Anzeige gebracht.
Der Bürgermeister und die Ordnungskräfte sind fest entschlossen, mit neuen Verordnungen und einer verstärkten Kontrolltätigkeit dem Treiben Einhalt zu gebieten. Da im August Gallipoli eher von Familien aufgesucht wird, dürfte es in den nächsten Wochen aber ganz von alleine etwas ruhiger und leiser werden. Den Sommer 2021 werden die Einheimischen – gleich, ob sie touristisch auf der Gewinner- oder als lärmgeplagte Anwohner auf der Verliererseite stehen – aber so schnell nicht mehr vergessen.