Von: ka
Venedig/Mestre – Der Protest dreier Maturantinnen, die nach einer laut ihrer Ansicht „demütigenden und unfairen“ schriftlichen Griechischprüfung die mündliche Prüfung boykottiert haben, entzweit Italiens Schulwelt.
Die drei Schülerinnen glauben, dass sie nach einem angeblichen Streit zwischen der Griechischprofessorin und ihrem Lateinlehrer von der Professorin schlecht bewertet worden seien, aber dem Ergebnis einer Inspektion durch das römische Unterrichtsministerium zufolge sei es während der Prüfungen zu keinen Unregelmäßigkeiten gekommen.
Wie die Maturanten ganz Italiens gingen auch die Schüler einer fünften Oberschulklasse des klassischen Gymnasiums Foscarini in Mestre bei Venedig mit hohen Erwartungen in die Maturaprüfung. Die schriftliche Griechischprüfung wurde jedoch für fast die gesamte Klasse zum Desaster. Nicht weniger als zehn der 14 Maturanten fielen bei der Prüfung, die einen Text des griechischen Philosophen Platon zum Inhalt hatte, durch. Auch Schüler und Schülerinnen, die alle fünf Schuljahre hindurch in Griechisch durchwegs gute bis sehr gute Noten bekommen hatten, erhielten Bewertungen, die weit unter einem einfachen ungenügend liegen.
Nach diesem niederschmetternden Prüfungsergebnis, das sie als „demütigend und unfair“ empfinden, beschlossen drei Maturantinnen – Linda Conchetto, Virginia Gonzales y Herrera und Lucrezia Novello – die mündliche Prüfung zu boykottieren. Anstatt die Fragen der Kommission zu beantworten, verlasen sie einen Protestbrief, in dem sie mit der Prüfungskommission hart ins Gericht gingen. Eine der Prüfungskandidatinnen ließ sich ihre schriftliche Griechischarbeit aushändigen und focht einige Korrekturen der Lehrerin an.
„Ich habe die Note sechs bis sieben bekommen, aber bei der Korrektur zu Hause mit meiner Mutter, die einen Universitätsabschluss in Altgriechisch besitzt, konnte ich nur einen Fehler feststellen. Ich habe darum gebeten, die Arbeit noch einmal sehen zu dürfen. Zuerst wollten sie sie mir nicht aushändigen, aber da dies mein Recht ist, mussten sie sie mir zeigen. Ich habe die Fehler, die mir angekreidet wurden, beanstandet“, so eine der drei Maturantinnen. „Als ich sah, dass nicht nur ich, sondern auch meine Klassenkameraden unfair behandelt wurden, beschloss ich, dagegen zu protestieren und die mündliche Prüfung nicht abzulegen“, begründet die junge Frau diese einschneidende Entscheidung.
Um die Korrektur der Professorin überprüfen zu lassen, möchte die Maturantin in Absprache mit ihrer Familie Akteneinsicht beantragen.
Diese Entscheidung kommt nicht von ungefähr. Die Maturanten der betroffenen Klasse hegen einen schweren Verdacht. Ihrer Ansicht nach war sich die Griechischprofessorin, die für die schlechten Noten verantwortlich ist, mit dem Lateinlehrer, der die Klasse bis zur Matura begleitet hat, vor einigen Jahren in die Haare geraten, wofür sie sich mit den schlechten Bewertungen für „seine“ Schüler „gerächt“ haben soll. „Während sie uns sehr niedrige Noten gegeben hat, haben die Maturanten der Nachbarklasse viel bessere Bewertungen bekommen“, betont eine der drei Schülerinnen.
Der aufsehenerregende Protest, der italienweit für Aufsehen sorgte, rief die Inspektoren des römischen Unterrichtsministeriums auf den Plan. Wie der Corriere del Veneto berichtet, kamen bei den Kontrollen durch die Inspektoren jedoch keine Unregelmäßigkeiten zutage. Die Inspektoren betonen, dass die Notenbewertungen nicht durch ein einziges Mitglied der Prüfungskommission erfolgten, sondern von allen Professoren, die die Kommission bilden, gebilligt würden und somit Ausdruck einer gemeinschaftlich erfolgten Gesamtbewertung seien. Den Beamten des Ministeriums zufolge müsse sich die Beanstandung der Maturantinnen wennschon gegen die gesamte Prüfungskommission richten.
Vom Ergebnis der Inspektion werden viele Schülerinnen und Schüler enttäuscht sein. Durchgefallen dürfte zwar niemand sein, aber die niedrige Maturanote stellt für den kommenden Lebensweg eine nicht zu unterschätzende Hypothek dar. Die Schülerinnen meinen zwar, dass der Protest, auf die mündliche Prüfung zu verzichten, es wert gewesen sei, aber die Tatsache, dass der Zugang zu bestimmten Universitäten oder zu Stipendien ihnen verwehrt bleiben wird, wiegt schwer. Nach dem Bericht der Inspektoren des römischen Unterrichtsministeriums bleibt den jungen Maturanten nur mehr der ungewisse Gang zum Verwaltungsgericht.
Ihr Protest hingegen sorgt italienweit für Diskussionen. Darüber, ob sie zu Recht gegen eine angebliche ungerechte Behandlung protestiert haben, darüber scheiden sich weit über die Schulwelt hinaus die Geister.