Von: ka
Rom/London/Washington – Giorgia Meloni, die zwischen den USA, den geschockten und enttäuschten Europäern und der Ukraine zu vermitteln versucht, befindet sich in einer schwierigen Lage. Dass Lega-Chef Matteo Salvini „aus der Reihe tanzt“ und sich über die rüde Behandlung und den „Rauswurf“ Selenskyjs aus dem Weißen Haus freut, macht ihr das Leben nicht leichter. Aber die italienische Premierministerin, die mit Donald Trump telefoniert hat und genau weiß, dass die Ukraine ohne die USA verloren ist, hat einen Plan.
Auf dem Terminplan von Giorgia Meloni reihen sich Treffen und Telefonate aneinander. Nachdem sie am Samstag mit Donald Trump telefoniert hatte, traf sie am Sonntag den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Kurz vor dem Ukraine-Gipfel, an dem Vertreter von 18 Staaten, der EU und der NATO teilnahmen, fand sie Zeit für das lange angekündigte bilaterale Gespräch mit Premierminister Keir Starmer. Nach den hektischen letzten Tagen und insbesondere nach dem Eklat zwischen US-Präsident Donald Trump, seinem Vize JD Vance und Selenskyj am Freitag im Weißen Haus ist allen Gipfelteilnehmern der Ernst der Lage bewusst.
Giorgia Meloni befindet sich in der schwierigen Lage, zwischen Donald Trump, den schockierten Europäern und der Ukraine vermitteln zu müssen. Um Kiew die notwendigen Sicherheitsgarantien zu geben, auf die Selenskyj verweist, arbeitet die italienische Premierministerin daran, die USA und die Europäer an einen Tisch zu bringen, wobei eine Schirmherrschaft der NATO „der beste Rahmen“ wäre, so italienische Quellen.
Denn allen Beteuerungen der „europäischen Falken“ zum Trotz wären die Europäer nach einem möglichen Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Ukraine-Konflikt allein nicht in der Lage, die logistische und militärische Unterstützung der USA zu ersetzen, die allein drei Viertel des NATO-Budgets ausmachen. Das bedeute im Umkehrschluss, dass Donald Trump unbedingt eingebunden werden müsse. „Jede Spaltung des Westens macht uns alle schwächer“, kommentierte Giorgia Meloni den Eklat im Weißen Haus.
Um das Ziel der Einheit zu erreichen, brauche es aber eine „Balance“. Ein Gleichgewicht zwischen der Loyalität gegenüber der Linie der europäischen Einheit und dem Wunsch, eine „besondere Beziehung“ zwischen Italien und den Vereinigten Staaten zu pflegen. Indem sie „Trump die Stirn bietet“, aber auch Selenskyj davon überzeugt, die Wogen zu glätten und weitere Zugeständnisse zu machen, hofft Giorgia Meloni nicht nur, dass alle wieder an einem Strang ziehen, sondern auch, dass Italien an Einfluss gewinnt.
Um diese Herausforderung zu wagen, müsste jedoch innenpolitische Einigkeit herrschen, aber Matteo Salvinis radikaler Pro-Trump-Kurs, der sich im Chor mit Ungarns Premier Orbán über die rüde Behandlung Selenskyjs und dessen “Rauswurf” aus dem Weißen Haus freut, macht Giorgia Meloni Sorgen. Die Premierministerin forderte den Chef der Lega Nord am Samstag erneut auf, seinen Ton und die Häufigkeit seiner Äußerungen zu mäßigen.
„Um offen darüber zu sprechen, wie wir die großen Herausforderungen unserer Zeit angehen wollen, angefangen bei der Ukraine, sind wir für ein sofortiges Gipfeltreffen zwischen den USA, den europäischen Staaten und den Verbündeten“, so die Linie, die Giorgia Meloni ihrer Regierung vorgibt.
Die Premierministerin hat diesen Vorschlag am Sonntag auf dem Gipfel unterbreitet. Die harten Gegensätze, die in den letzten Tagen zutage getreten sind, machen Melonis Aufgabe nicht leichter, aber – so die Argumentation von Giorgia Meloni – angesichts der Tatsache, dass die USA militärisch unverzichtbar seien, ergebe es keinen Sinn, den Ton weiter zu verschärfen.
Um diesem Ziel näherzukommen, wird die italienische Premierministerin viel Überzeugungsarbeit leisten und noch viele Gespräche und Telefonate führen müssen. Über die genauen Inhalte des Gipfels ist wenig bekannt, aber Giorgia Meloni dürfte ihre große Skepsis gegenüber dem von Emmanuel Macron eingebrachten und von Großbritannien unterstützten Vorschlag einer europäischen Friedenstruppe bekräftigt haben. Für die italienische Regierung wäre dies ein sehr riskantes Szenario. Giorgia Meloni möchte stattdessen, dass die Entsendung von Friedenstruppen im Rahmen der Atlantischen Allianz erfolgt.
Die Franzosen und Briten, so Meloni, lehnen sich weit aus dem Fenster, denn beide haben außer Worten und Beteuerungen nicht die militärischen Mittel, um die Ukraine allein zu unterstützen. Ohne und schon gar nicht gegen die USA könne es daher keine „akzeptable Friedenslösung“ geben.
„Es wird viel diplomatisches Geschick erfordern, einen historischen Verbündeten nicht zu verlieren. Realismus und Demut sind gefragt. Wir müssen grundsätzlich auf der Seite der Ukraine stehen, aber in der Kontroverse zwischen Trump und Selenskyj neutral bleiben“, fasst der stellvertretende Außenminister Edmondo Cirielli die Gedanken Melonis und den Weg zusammen, den Europa einschlagen sollte.
Vor Giorgia Meloni, aber auch vor den anderen Europäern liegt ein schwieriger Drahtseilakt.
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