Von: apa
“Elegant ist nicht, wer auffällt, sondern wer mit seinem Stil in Erinnerung bleibt”: Nach diesem Credo hat Giorgio Armani Modegeschichte geschrieben und sitzt noch heute fest im Olymp der weltweit erfolgreichsten Designer. Exzesse sind dem Kaiser der italienischen Mode ein Gräuel: Wann immer es auf den Laufstegen zu laut und schrill zugeht, erhebt er mahnend die Stimme. “Meine Grenze ist der gute Geschmack”, pflegt er zu sagen. Am 11. Juli wird Armani 90 Jahre alt.
“80 Prozent von dem, was ich tue, ist Disziplin. Der Rest ist Kreativität. Um etwas Außergewöhnliches zu schaffen, muss man sich unermüdlich auf das kleinste Detail konzentrieren”, lautet Armanis Devise. Damit hat er sich im Laufe einer 70-jährigen Karriere einen festen Platz im Modefirmament an Seite von epochalen Größen wie Coco Chanel, Christian Dior oder Yves Saint Laurent gesichert. Trotz seines Alters will der dynamische Industriekapitän nichts von einem Ruhestand in seiner Villa auf der Insel Pantelleria wissen. Unermüdlich arbeitet er an neuen Projekten, die längst nicht nur Mode betreffen. Denn Armani designt auch Accessoires, Parfums, Möbel, Hotels und Restaurants. Sogar ein Basketball-Team besitzt er inzwischen. Sein Wirtschaftsimperium generiert einen Jahresumsatz von sechs Milliarden Euro und beschäftigt 8.500 Personen.
Dabei stammt Armani aus bescheidenen Verhältnissen. Er wurde am 11. Juli 1934 in Piacenza bei Mailand als das mittlere von drei Kindern eines Buchhalters und einer Hausfrau geboren. Obwohl nicht reich, kleidete sich seine Mutter Maria stets elegant. Immer wieder betonte Armani später, wie wichtig sie für die Ausprägung seines Stilempfindens war. Nur knapp entkam er in den Kriegsjahren einem Flugzeugangriff. Später, die Familie lebte inzwischen in Mailand, begann Armani ein Medizinstudium. Doch während seines Militärdienstes in einem Armeehospital erkannte er, dass der Beruf des Arztes nicht seinen Erwartungen entsprach.
In dieser Sinnkrise öffnete sich für ihn eher per Zufall der Weg in die Mode. Eine Freundin vermittelte ihm einen Job in der Werbeabteilung des renommierten Mailänder Kaufhauses “La Rinascente”. Von dort wechselte er 1964 in das Team des Designers Nino Cerruti und entwarf erstmals Mode – ohne diesen Beruf jemals erlernt zu haben. 1975 schließlich gründete er mit seinem Partner Sergio Galeotti das eigene Label.
Armani übernahm den Anzugstil in die Damenmode. In die Herrenmode brachte er dagegen weibliche Elemente wie weich fließende Stoffe und lässigen Schnitt ein. Für den Film “American Gigolo” kleidete er auf diese Weise Richard Gere, in dem Streifen “Die Unbestechlichen” trug unter anderem Sean Connery seine Anzüge. Seine Roben sind von den roten Teppichen der Welt nicht mehr wegzudenken. Inzwischen kleidet er auch Staatsfrauen wie Italiens Premierministerin Giorgia Meloni.
Neben Anzügen ist Armani ebenso für seine T-Shirts bekannt. Diese dürfen von Männern auch zum Blazer getragen werden. Die Farbpalette reduzierte er auf unauffälliges Grau, Beige und Dunkelblau. Damit setzte er sich in Kontrast zu anderen italienischen Modeschöpfern wie Gianni Versace, der das Neobarocke liebte und mit seiner auffallenden Mode in den 1980er- und 1990er-Jahren Armanis Gegenpol bildete.
Trotz seines runden Geburtstags blickt Armani weiter in die Zukunft. “Ich habe noch große Energie. Ich konzentriere mich auf die neuen Kollektionen und auf die globale Strategie. Ich gebe nicht auf und arbeite an meinem Team, damit dem Unternehmen Kontinuität garantiert werden kann”, sagte er kürzlich. Einen Nachfolger für die Führung seines Wirtschaftsimperiums hat er noch nicht gefunden und wird ihn sehr wahrscheinlich auch nicht ernennen.
Der Modezar hält viel von finanzieller Unabhängigkeit und will von einem Börsengang seines Unternehmens nichts wissen. “Ich habe mich immer bemüht, mir genug Liquidität in den Kassen zu sichern. Somit kann ich ruhig schlafen. Eine gute Kassenliquidität bedeutet Unabhängigkeit und Solidität. So kann man auf unerwartete Situationen reagieren und wichtige Gelegenheiten beim Schopf packen. Man sollte vor allem von niemandem abhängig sein”, betont Armani.
Seine Karriere hat ihm viel gegeben, aber auch viel genommen. “Dieser Job hat mich von Anfang an dazu gebracht, mich selbst als Mensch zu vergessen. Es war mir nie erlaubt, Fehler zu machen. Und jedes Mal gab es den Zweifel: Wirst du Erfolg haben? Wird die Kreation gefallen?”, sagte er kürzlich im Interview mit dem Magazin “Vanity Fair”.
Die jüngsten Entwicklungen der Modebranche beobachtet Armani mit Interesse, aber auch mit Sorge. “Fast Fashion” mit billigen und schnell wechselnden Kollektionen, die in der Modewelt zuletzt die Oberhand gewonnen hat, beobachtet er mit Skepsis. “Ich stelle fest, dass junge Designer in Richtungen gedrängt werden, die keinen Bestand haben. Aber ein Designer muss Mode kreieren, die einzigartig ist und sich nicht jede Woche ändert”, sagt Armani.