Von: luk
Rom/Bozen – Die EU-Kommission möchte die Zulassung für das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat für weitere zehn Jahre verlängern. Umweltschutz- und Verbraucherorganisationen aus ganz Europa versuchen dies mittels Bürgerinitiative zu verhindern. Derweil weist eine italienische Untersuchung die Substanz im Urin von schwangeren Frauen nach.
Seit Februar 2017 haben über eine Million Menschen die Europäische Bürgerinitiative „Stop Glyphosat“ unterzeichnet. Sie fordern damit ein Verbot des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat, eine Reform des Zulassungsverfahrens für Pestizide und verbindliche Reduktionsziele für die Verwendung von Pestiziden in der EU. Anfang Juli werden die Organisatoren die Initiative der EU-Kommission vorlegen und den EU-Gremien im Detail vorstellen. Die EU-Kommission muss innerhalb von drei Monaten eine schriftliche Stellungnahme abgeben, ist jedoch zu keinem Rechtsakt verpflichtet.
Innerhalb Jahresende müssen die EU-Staaten und die Kommission über die zukünftige Genehmigung von Glyphosat entscheiden. Eine Verlängerung der Zulassung für weitere zehn Jahre steht im Raum, nicht zuletzt weil die Europäische Chemikalienagentur ECHA das Unkrautvernichtungsmittel als nicht krebserregend einstuft. Die europäische ECHA vertritt damit eine gänzlich andere Position als die unabhängige Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO. Diese stuft Glyphosat als „wahrscheinlich beim Menschen krebserregend“ ein. “Darüber hinaus steht es im Verdacht, gentoxisch zu sein, Fehlbildungen bei Embryonen zu verursachen und das menschliche Hormonsystem negativ zu beeinflussen. In Kalifornien wird Glyphosat übrigens am 7. Juli von der Behörde für Gesundheit und Umwelt in die Liste der Chemikalien, die krebserregend sein können, aufgenommen”, schreibt die Verbraucherzentrale Südtirol.
Glyphosat ist das meistverkaufte und meistverwendete Pestizid der Welt. “Dementsprechend ist es längst auch dort zu finden, wo es nicht hingehört: in Lebensmitteln, in Hygieneartikeln, ja, auch im menschlichen Körper. Mehr oder weniger hohe Rückstände von Glyphosat in Lebensmitteln sind durch zahlreiche Analysen belegt, ob es sich nun um Hartweizen, Hülsenfrüchte, Teigwaren, Bier, Frühstückscerealien, Honig oder Babynahrung handelt”, so die VZS weiter.
“Eine Untersuchung des italienischen Konsumentenschutzmagazins „Il Salvagente“ vom Mai 2017 weist Glyphosat nun auch im Urin und somit im Körper von schwangeren Frauen nach. Ausnahmslos alle untersuchten Frauen waren betroffen. In ihren Harnproben kam Glyphosat in Konzentrationen von 0,43 bis 3,48 Nanogramm pro Milliliter vor (Mittelwert: 1,13 ng/ml). Die Frauen leben bereits seit mehreren Jahren in der Großstadt Rom – einem landwirtschaftlich nicht intensiv genutzten Gebiet. Daher wird vermutet, dass sie das Glyphosat über die Nahrung aufgenommen haben. Wie die Onkologin Patrizia Gentilini unterstreicht, geht die Substanz vom mütterlichen Körper auf den Fetus über und kann die Gesundheit nicht nur im Kindes-, sondern auch im Erwachsenenalter beeinflussen. Bereits 2016 hat eine Analyse der Harnproben von 48 EU-Abgeordneten aus verschiedenen Ländern ähnliche Ergebnisse geliefert, mit Konzentrationen von 0,17 bis 3,57 ng/ml im Harn. Diese Untersuchungen zeigen: alle Verbraucher und Verbraucherinnen kommen mit Glyphosat in Kontakt, die meisten vermutlich über die Nahrungskette. Eine Diskussion über Grenzwerte ist fehl am Platz, denn bei erbgutschädigenden Substanzen können selbst winzige Mengen große Schäden anrichten”, berichtet die VZS.
Die Verbraucherzentrale Südtirol erneuert ihren Appell, bei der Entscheidung über die Zulassung von Glyphosat das europäische Vorsorgeprinzip (laut EU-Basisverordnung 178/2002) konsequent anzuwenden. Walther Andreaus, der Geschäftsführer der VZS, meint dazu: „Es ist inakzeptabel, dass Konsumenten und Konsumentinnen weiterhin einer Substanz ausgesetzt werden, die von der Weltgesundheitsorganisation als “wahrscheinlich krebserregend” eingestuft wird. Solange die gesundheitlichen Auswirkungen von Glyphosat wissenschaftlich umstritten sind, muss im Zweifel zum Schutze der Verbraucher und Verbraucherinnen gehandelt werden. Glyphosat darf nicht neuerlich zugelassen werden.“