Vanessas Anzeige als „nicht dringend“ klassifiziert – VIDEO

Grausamer Femizid an Schwangerer erschüttert Italien

Donnerstag, 21. Dezember 2023 | 08:23 Uhr

Von: ka

Riese Pio X – Nach der schrecklichen Bluttat, der Giulia Cecchettin zum Opfer gefallen ist, ist die norditalienische Region Venetien erneut Schauplatz eines erschütternden Femizids. Die 26-jährige Vanessa Ballan, die mit ihrem zweiten Kind im vierten Monat schwanger war, wurde am Dienstag kurz vor Mittag im Eingang ihres Hauses in Riese Pio X mit mindestens sieben Messerstichen ermordet.

Gegen Mitternacht wurde der mutmaßliche Täter, der 41-jährige, ursprünglich aus dem Kosovo stammende Bujar Fandaj, von den Carabinieri festgenommen. Am Mittwoch wurde bekannt, dass zwischen dem Opfer und dem Täter eine kurzzeitige Affäre bestanden hatte, die von Vanessa Ballan aber beendet worden war. Da die junge Frau vom 41-Jährigen weiterhin verfolgt worden war, hatte Vanessa Ballan Bujar Fandaj angezeigt. Ihr Fall war allerdings als „nicht dringend“ klassifiziert worden. Hätte dieser Mord verhindert werden können?

Facebook/Vanessa Ballan

Vanessa Ballan und ihr späterer Lebensgefährte Nicola Scapinello lernten sich kennen und lieben, als beide gerade erst 15 Jahre alt waren. Die junge Frau, die nach der Oberschule eine Arbeitsstelle im Eurospin-Supermarkt ihres Heimatortes annahm, und der junge Mann, der nach der Ausbildung in der Bodenlegerfirma seines Vaters arbeitete, zogen zusammen und gründeten eine Familie. Als im Jahr 2019 ihr gemeinsamer Sohn das Licht der Welt erblickte, schien dem jungen Glück nichts mehr im Wege zu stehen.

Wenige Jahre später trat aber ein weiterer Mann, der 41-jährige, ursprünglich aus dem Kosovo stammende Bujar Fandaj, in ihr Leben. Der 41-Jährige, der den Supermarkt belieferte, in dem Vanessa arbeitet, sah die junge Frau und begann ihr den Hof zu machen. Sie gab seinem Werben nach und ging mit ihm eine außereheliche Beziehung ein. Diese dauerte einige Monate lang bis zum Sommer dieses Jahres an. Dann beschloss Vanessa Ballan, mit Bujar Fandaj Schluss zu machen.

Kurz darauf begann für Vanessa der Leidensweg aller Frauen, die mit Männern zu tun hatten, die ihre Entscheidung, die Beziehung zu beenden, nicht akzeptieren konnten. Bujar Fandaj begann sie zu verfolgen, zu erpressen und ihr mit dem Tod zu drohen. „Wenn du nicht zu mir zurückkommst, bringe ich dich um. Wenn du nicht zurückkommst, zeige ich deinem Mann die Videos, die wir zusammen gemacht haben“, so die unmissverständlichen Drohungen des Mannes. Wie ihre Kollegen im Supermarkt später berichten, suchte Bujar Fandaj bis zu viermal am Tag den Supermarkt auf, um Vanessa zu kontrollieren und sich ihr zu nähern.

Instagram/Bujar Fandaj

Neben den unmissverständlichen Morddrohungen waren für die junge Mutter und Ehefrau besonders die Racheporno-Drohungen ein Albtraum. Denn ihr Mann Nicola Scapinello war vollkommen ahnungslos und wusste nichts von der Affäre seiner Frau. Ihre größte Angst war, dass diese flüchtige Liebschaft ihre lange Beziehung mit dem Mann, den sie bereits als Teenager kennengelernt hatte, für immer ruinieren könnte.

„Um die außereheliche Affäre zu vertuschen, ließ sich das Opfer über einen langen Zeitraum hinweg belästigen und erpressen. Dann beschloss sie, Anzeige zu erstatten, wobei ihr Partner, der inzwischen von den Vorfällen erfahren hatte, sie unterstützte, indem er sie zur Carabinierikaserne begleitete und ebenfalls Aussagen tätigte“, so der mit dem Mordfall betraute Staatsanwalt Marco Martani während der Pressekonferenz.

Facebook/Vanessa Ballan

Am 26. Oktober zeigte Vanessa Ballan Bujar Fandaj wegen Stalkings bei den Carabinieri an. Am nächsten Tag suchten die Carabinieri die Wohnung des Kosovaren in Altivole auf und führten eine Hausdurchsuchung durch. Im Speicher des Smartphones, das die Carabinieri dem 41-Jährigen abnahmen, stellten sie auch jene Videos sicher, mit denen Bujar Fandaj Vanessa Ballan erpressen wollte.

Vanessa, uccisa dallo stalker che aveva denunciato: "La minaccia è stata sottovalutata"

Vanessa, uccisa dallo stalker che aveva denunciato: "La minaccia è stata sottovalutata"Dopo aver ucciso Vanessa Ballan, Bujar Fandaj ha tentato di depistare le indagini pubblicando sui social foto che facevano pensare a una sua fuga all'estero. Il procuratore: "È un omicidio premeditato, la denuncia della vittima è stata sottovalutata".L'inviato Jari Pilati per il Tg3 delle 19 del 20 dicembre 2023

Posted by Tg3 on Wednesday, December 20, 2023

Die Anzeige der 26-Jährigen landete auf den Tisch der Staatsanwaltschaft von Treviso. Das Problem war, dass Vanessa aus Angst, dass ihr Mann ihre Affäre entdecken könnte, alle Nachrichten, die der 41-Jährige ihr geschickt hatte, gelöscht hatte. Da dem mit dem Stalkingfall betrauten Staatsanwalt vorerst kein Ergebnis der Auswertung ihres Smartphones und keine Ausdrucke und Abschriften aller geschickten Nachrichten vorlagen, wurden gegen Bujar Fandaj abgesehen von der Hausdurchsuchung vorläufig keine weiteren Maßnahmen ergriffen.

Gegen den 41-jährigen, ursprünglich aus dem Kosovo stammenden Mann wurden aus diesem Grund keine Maßnahmen wie etwa der Hausarrest oder das Tragen einer Fußfessel verhängt. Zudem schien sich Bujar Fandaj nach dem Besuch der Carabinieri beruhigt zu haben. In den nächsten Wochen ließ er sich keine weiteren Vorfälle zuschulden kommen. Bis zum Eintreffen der Smartphone-Auswertung wurde dieser „Codice Rosso“-Fall vom Richter als „nicht dringend“ klassifiziert.

Instagram/Bujar Fandaj

In der Zwischenzeit verließ Vanessa Ballan ihren Arbeitsplatz im Supermarkt und ging in Mutterschaft. Zugleich erreichte die junge Mutter eines vierjährigen Buben auch, dass sie Bujar Fandaj nicht mehr sehen musste. Aber entgegen ihrer Hoffnung, dass sie nach der Anzeige von ihm endlich in Ruhe gelassen würde, ließ der 41-Jährige nicht von Vanessa Ballan ab.

Die Nachricht, dass die junge Mutter ihren Arbeitsplatz – den einzigen Ort, an dem er sich Vanessa nähern konnte, ohne Gefahr zu laufen, von Nicola entdeckt zu werden – aufgrund ihrer Schwangerschaft verlassen hatte, brachte ihn vermutlich in Rage. Wie verstörende TikTok-Videos zeigen, sah sich Bujar Fandaj in seinem „Stolz“ verletzt.

Wenige Wochen nach seiner Anzeige machte er seine Drohung wahr, die junge Frau zu ermorden. Einer ersten Rekonstruktion durch die Carabinieri zufolge erschien er am Dienstag, dem 19. Dezember, gegen 12.00 Uhr mit einer großen Tasche, die neben Einbruchswerkzeug zwei Messer enthielt, vor dem Haus von Vanessa in Riese Pio X und stach viele Male auf die hilflose Frau ein. Für die junge Mutter kam jede Hilfe zu spät. Nicola Scapinello steht seit dem Mord unter Schock.

Nach Bujar Fandaj wurde eine Großfahndung eingeleitet. Aufgrund eines Postings in den sozialen Netzwerken wurde zunächst vermutet, dass er Italien in Richtung Slowenien verlassen hatte, aber die Ermittler fielen auf diese Finte nicht herein. Gegen Mitternacht wurde der mutmaßliche Täter von den Carabinieri in seiner Wohnung festgenommen. Die Tatsache, dass sich Bujar Fandaj am Tag vor der Tat eine neue SIM-Karte besorgt hatte und mit Messern und Einbruchswerkzeug zum Haus des Opfers geschlichen war, lässt die Ermittler vermuten, dass der Täter den Mord geplant hatte.

Facebook/Nicola Skepper Scapinello

Für Diskussionen sorgt jedoch, dass Vanessas „Codice Rosso“-Fall als „nicht dringend“ klassifiziert worden war. Viele Italiener fragen sich, ob Maßnahmen wie ein von einer elektronischen Fußfessel überwachtes Annäherungsverbot oder die Verhängung eines Hausarrests den schrecklichen Femizid hätten verhindern können.