Von: ka
Sirolo/Falconara Marittima – In Sirolo, einem bekannten Seebad an der Adria in den Marken, mündete am Sonntagnachmittag ein banaler Verkehrsstreit in eine schreckliche Tragödie. Der 23-jährige, ursprünglich aus Albanien stammende Klajdi Bitri, der während einer Auseinandersetzung seinem Freund zu Hilfe geeilt war, wurde von einem Mann, dem 27-jährigen Algerier Molloul Fatah, aus nächster Nähe mit einer Harpune getötet. Molloul Fatah, der nach der Bluttat geflüchtet war, wurde wenige Stunden später von den Carabinieri verhaftet.
Nachdem sie in Marina di Montemarciano zusammen zu Mittag gegessen hatten, beschloss eine Gruppe von Freunden, den Sonntag mit einem gemeinsamen Aperitif in Sirolo ausklingen zu lassen. Verteilt auf zwei Autos steuerten die Freunde das bekannte Seebad an der Adria in den Marken an. Während im ersten Wagen, der von seiner Frau gelenkt wurde, Danilo, der italienische Freund des Opfers, und seine Familie saßen, war Klajdi Bitri zusammen mit seinem Bruder Xhuliano und einem Freund mit einem Mercedes mit belgischen Kennzeichen unterwegs.
Als die Frau im ersten Wagen, die die Straße nicht sehr gut kannte, vor einem Kreisverkehr sehr langsam unterwegs war, verlor der Insasse eines Opel Astra, Algerier Molloul Fatah (27), der zwischen den beiden Autos fuhr, offensichtlich völlig die Nerven. Er begann zu hupen und die Frau wüst zu beschimpfen. Als ihr Ehemann Danilo eingriff und ihn zurechtwies, stiegen beide aus ihren Autos, woraufhin es zu einem wilden Streit kam, der recht schnell in Handgreiflichkeiten ausartete. Den Aussagen seiner Frau und des Bruders des Opfers zufolge habe Molloul Fatah wie von Sinnen auf Danilo eingeprügelt und ihm mehrere Fußtritte versetzt.
Als Klajdi und Xhuliano Bitri sowie der dritte Insasse die wilde Auseinandersetzung sahen, hielten sie den Mercedes an und liefen auf die beiden zu. Als der 27-jährige Algerier die auf ihn zukommenden drei Männer erkannt hat, soll er den Kofferraum seines Astra geöffnet und daraus ein Harpunengewehr entnommen haben. Seine Freunde warnten ihn vergeblich, dass der 27-Jährige bewaffnet sei, aber da war es bereits zu spät. Einer ersten Rekonstruktion des Tathergangs durch die ermittelnden Carabinieri von Osimo zufolge soll Molloul Fatah aus rund drei Metern Entfernung auf Klajdi Bitri eine Harpune abgefeuert haben. Vom Geschoss in der Brust tödlich getroffen, brach der 23-Jährige auf der Straße zusammen. Für ihn kam jede Hilfe zu spät. Trotz des schnellen Eingreifens des verständigten Notarztes und seines Teams erlag Klajdi Bitri noch am Tatort der schweren Brustverletzung.
Molloul Fatah hingegen ergriff die Flucht. Nachdem er noch das Geschoss aus dem Körper des Opfers gezogen hatte, brauste er mit einem Pkw, der von seiner italienischen Freundin gelenkt wurde, davon. Die Carabinieri, die zusammen mit dem Notarzteinsatzfahrzeug am Tatort eingetroffen waren, leiteten nach dem flüchtigen Algerier sofort eine Großfahndung ein. Rund vier Stunden nach der Tat, am Sonntagabend gegen 21.00 Uhr, gelang es einer Carabinieristreife, Molloul Fatah rund 20 Kilometer vom Ort der Bluttat entfernt in Falconara Marittima ausfindig zu machen und zu verhaften. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme befand sich der 27-Jährige immer noch in Besitz des Harpunengewehrs. Letzten Erkenntnissen zufolge soll er nach der Bluttat mit seiner Freundin zum Fischen ans Meer gefahren sein.
In einem Video ist zu erkennen, wie Molloul Fatah vor den Augen entsetzter Passanten festgenommen wurde. „Du hast einen jungen Mann getötet“, so einer der Carabinieri zum 27-Jährigen. „Nein, das ist nicht wahr!“, schreit der Festgenommene verzweifelt. Molloul Fatah wollte oder konnte es offenbar nicht wahrhaben, dass der 23-Jährige tot war.
È stato arrestato l'uomo che ieri ha ucciso con una fiocina un giovane di 23 anni a Sirolo, in provincia di Ancona, durante un lite stradale per una precedenza non data pic.twitter.com/rLpVv7SuPZ
— Tg3 (@Tg3web) August 28, 2023
„Ich habe das Gewehr genommen, um mich zu verteidigen“, erklärte Fatah später. Der Bruder und die Freunde des Opfers wiesen diese Darstellung entschieden zurück. „Das ist nicht wahr, er hat Klajdi einfach erschossen“, so der 18-jährige Bruder des Opfers Xhuliano. Da alle Indizien in diese Richtung weisen, scheinen die Ermittler der Version des Bruders und der Freunde des 23-Jährigen größeren Glauben zu schenken. Die zuständige Staatsanwältin von Ancona, Monica Garulli, ordnete eine Autopsie der Leiche des Opfers an und leitete gegen Molloul Fatah ein Verfahren wegen vorsätzlicher Tötung aus niederen Beweggründen ein.
Tatsache ist aber, dass ein junger Mann Opfer eines eigentlich banalen Verkehrsstreits wurde. Insbesondere in der albanischen Gemeinschaft der Marken ist die Trauer um Klajdi Bitri groß. „Klajdi ist ein guter Mann gewesen. Er war vor fünf Jahren nach Italien gekommen und hatte dabei seinen Bruder und seine Freundin mitgebracht. Er hat als Arbeiter in den Werften von Ancona gearbeitet und in seiner Freizeit in unserer Mannschaft gespielt“, erinnert sich der Vertreter der albanischen Gemeinschaft der Region Marken und Bezugspunkt der multiethnischen Fußballmannschaft Nuova Aquila, Pali Gjecko. „Er spielte im Mittelfeld, war schnell und besaß eine gute Technik. Klajdi Bitri spielte aus reinem Spaß. Er war Fußballer, weil er bei uns sein wollte und an unser Integrationsprojekt glaubte. Es ist eine große Tragödie“, sagt tieftraurig sein Trainer Taieb Ferjani.