Gewaltsamer Tod von Willy Monteiro schockt Italien

„Grausamer und absurder Mord“

Donnerstag, 10. September 2020 | 08:06 Uhr

Von: ka

Colleferro – Fünf Tage nach dem grausamen Mord – Beobachter sprechen von einer der absurdesten und schrecklichsten Bluttaten der vergangenen Jahre – steht Italien noch immer unter Schock.

YouTube/Agenzia DIRE

Während in der Öffentlichkeit immer mehr Details über die Persönlichkeit der mutmaßlichen Täter bekannt werden und die Ermittler den genauen Tathergang rekonstruieren, fragen sich viele Italiener, wie es überhaupt zu einem solchen grund- und gesichtslosen Ausbruch von brutalster Gewalt kommen konnte.

ANSA/Facebook/Willy Monteiro Duarte

Auch fünf Tage nach dem grausamen Mord an den angehenden Koch Willy Monteiro Duarte steht in Colleferro und in Paliano – dem Heimatort des 21-jährigen Opfers – das öffentliche Leben noch immer still. Während die vier mutmaßlichen Täter – der 22-jährige Mario Pincarelli, der 23-jährige Francesco Belleggia und die jeweils 24 und 26 Jahre alten Brüder Marco und Gabriele Bianchi – in Untersuchungshaft sitzen, sind die Staatsanwaltschaft und die Carabinieri intensiv damit beschäftigt, Zeugenaussagen zu vergleichen und Videomaterial auszuwerten. Am Mittwoch bestätigte der Untersuchungsrichter für drei der vier Männer die Haft. Lediglich Francesco Belleggia wurde der Hausarrest zugestanden.

ANSA/FACEBOOK/GABRIELE BIANCHI

Im Kerker zerfiel der Zusammenhalt der berüchtigten „Bande von Artena“ schnell. Vor dem Richter beschuldigten sich die Gewalttäter gegenseitig, die tödlichen Schläge und Fußtritte ausgeführt zu haben. Mehrere Zeugenaussagen belasten aber Belleggia, die Brüder Bianchi und Mario Pincarelli schwer. Zwei Augenzeugen gaben an, dass Mario Pincarelli den 21-Jährigen zuerst mit der Faust auf den Kopf geschlagen und Francesco Belleggia ihm anschließend mit einer Karate-ähnlichen Bewegung mit dem Fuß in das Gesicht getreten hätte. Da Belleggia Karate betreibt, kommt letzterer Aussage eine ganz besondere Bedeutung zu.

Andere Zeugen erzählten den Ermittlern, dass die Brüder Bianchi auf den bereits am Boden liegenden Willy Monteiro Duarte eingetreten und eingeprügelt hätten. Ein Foto, das die Anwesenheit aller vier Männer am Tatort bestätigt, und ein Video, das alle mutmaßlichen Täter schwer belasten soll, runden das schreckliche Bild eines absurden und grausamen Mordes ab.

ANSA/FACEBOOK GABRIELE BIANCHI

Am Wochenanfang wurden auch weitere Details aus dem „vergangenen Leben“ der „Bande von Artena“ bekannt. Laut mehreren Zeugen hätte die Gang seit Jahren die Gegend um Colleferro terrorisiert und an fast jedem Wochenende an irgendeinem Ort der Umgebung der Kleinstadt eine tätliche Auseinandersetzung mit anderen jungen Männern gesucht. Die Gang, die gerne ihren Wohlstand zur Schau gestellt hatte und am liebsten mit einem großen SUV – einem schwarzen Audi Q7 – unterwegs gewesen war, hatte einen regelrechten „Körper- und Gewaltkult“ gepflegt. Respekt vor der Allgemeinheit und auch vor den Ordnungskräften hatten die vier jeweils wegen Drogenhandels und Körperverletzung vorbestraften und im rechtsextremen Milieu verkehrenden Männer nicht gekannt.

Mario Pincarelli beispielsweise hatte am vergangenen 21. August einen Beamten der Lokalpolizei von Artena, der ihn aufgefordert hatte, die Corona-Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten und die Gesichtsmaske zu tragen, zuerst auf das Übelste beschimpft und ihn anschließend zu Boden gestoßen. Dabei hatte sich der 22-Jährige eine Anzeige eingehandelt, woraufhin gegen ihn ein Verfahren eröffnet worden war.

ANSA/FACEBOOK/GABRIELE BIANCHI

Von der Autopsie, die am Mittwochnachmittag stattfand, erhoffen sich die Ermittler weitere Erkenntnisse. Von ihrem Ergebnis könnte abhängen, wem der vier Männer die Hauptschuld am gewaltsamen Tod des 21-jährigen, ursprünglich von den Kapverden stammenden Opfers angelastet werden wird. Alle vier werden des vorsätzlichen Mordes beschuldigt.

Im Raum steht auch der erschwerende Tatbestand des Rassismus. Laut einigen Ermittlungserkenntnissen hätten zumindest einige der Tatverdächtigen in der Vergangenheit in den sozialen Netzwerken mehrmals klar rassistische Einträge gepostet. Die dunkle Hautfarbe des Opfers – so der Verdacht – könnte die rechtsextremen Täter zu besonderer Grausamkeit verleitet haben. Ein Angehöriger eines der Täter soll sich Zeugen zufolge noch in der Tatnacht mit folgenden Worten – „Was haben sie auch schon getan? Nichts. Sie haben nur einen Ausländer umgebracht“ – zum Mord geäußert haben.

Facebook/Domenico Alfieri Sindaco

Der grausame Mord – Beobachter sprechen von einer der absurdesten und schrecklichsten Bluttaten der vergangenen Jahre – wurde von vielen Politikern und Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben Italiens auf das Schärfste verurteilt.

ANSA/MASSIMO PERCOSSI

Deutliche Worte fand das vielleicht bekannteste Paar Italiens – der Musiker Fedez und die Influencerin Chiara Ferragni – auf Instagram. Sie meinen, dass die „faschistische Kultur, mit der das Land nie ganz gebrochen habe“, schuld am Tod von Willy Monteiro sei. Andere italienische Musiker wie Emma Marrone und Levante sowie Sportler wie der ehemalige Fußballspieler Claudio Marchisio äußerten sich in ähnlichem Sinne.

Diesen Worten stimmen viele auch Italiener, die zur Gewalt „Basta“ sagen wollen, zu.

Hier geht es zum Video.