Von: ka
Belluno/Genua – Ein Gerichtsurteil zeigt, wie schwierig es ist, die Impfverweigerung von Sanitätsangestellten mit dem Arbeitsrecht in Einklang zu bringen.
Das Gericht, das von zehn Altersheimangestellten, die die Impfung mit dem Vakzin von Pfizer-BioNTech verweigert hatten, angerufen worden war, urteilte, dass die Impfverweigerer zwar weder von der Arbeit suspendiert noch entlassen, aber auf unbestimmte Zeit in den Urlaub – also in „Zwangsferien“ – geschickt werden können. Die Richterin unterstrich in ihrem Urteil, dass die Impfung gegen das Virus eine Grundvoraussetzung für die Ausübung des Berufs ist.
Da die Verfügbarkeit von Ferientagen nicht unendlich ist, öffnet sich mit dem Urteil ein „rechtlicher Kurzschluss“. Seit dem Richterspruch des Gerichts von Belluno rätseln nicht nur Arbeitsrechtler, wie sich die Rechte der Angestellten mit dem Recht auf Sicherheit der Insassen von Altersheimen und Krankenhäusern verbinden lassen.
Nachdem zehn Angestellte – unter ihnen zwei Krankenpfleger – zweier Altersheime die Impfung mit dem Vakzin von Pfizer-BioNTech verweigert hatten, wurden sie von ihrem Arbeitgeber in den Urlaub geschickt. Zudem verfügte die Direktion für die zehn Impfverweigerer eine arbeitsmedizinische Visite. In der Folge erklärte der Arbeitsmediziner die zehn Angestellten für „dienstuntauglich“. Mit dieser ärztlichen Bescheinigung hoffte der Arbeitgeber, die zehn Impfverweigerer ohne Gehalt von der Arbeit suspendieren zu können.
Mit dem Argument, dass die italienische Verfassung die Wahlfreiheit bei der Impfung gewährleiste, reichten die Impfgegner Rekurs ein. In ihrem am 19. März ergangenen Urteil wies die Richterin von Belluno, Anna Travia, die von den Rekursstellern vorgebrachten Gründe zwar zurück, fügte aber auch hinzu, dass ihre Angst vor einer Suspendierung von der Arbeit oder gar einer Entlassung „unbegründet und gegenstandslos“ sei.
Vor allem unterstrich die Richterin aber, dass die Pflicht des Arbeitgebers, das Recht auf körperliche und moralische Unversehrtheit der Arbeitnehmer zu wahren, das Recht des Arbeitnehmers, seinen Urlaub frei zu wählen, überwiegt. In der Praxis eröffnet das von der Richterin Anna Travia festgesetzte Prinzip dem Arbeitgeber die Möglichkeit, Impfverweigerer in den „Zwangsurlaub“ zu schicken. Die Impfung gegen das Virus ist laut dem Richterspruch zwar eine Grundvoraussetzung für die Ausübung des Berufs, aber der „Lösung“, Impfgegner von der Arbeit zu suspendieren, wird durch das Urteil ein Riegel vorgeschoben.
Da die Verfügbarkeit von Ferientagen nicht unendlich ist, öffnet sich mit dem Urteil ein „rechtlicher Kurzschluss“.
Besonders in Genua sorgte das Urteil des Gerichts von Belluno für Aufsehen. In der Pneumologie des Krankenhauses „San Martino“ von Genua hatte – so der Verdacht – eine Krankenpflegerin, die die Impfung verweigert hatte und die später positiv getestet worden war, einen Coronahotspot mit 17 Neuinfizierten verursacht. Die Angehörigen von drei Todesopfern erstatteten bei der Staatsanwaltschaft von Genua Anzeige. In der Folge leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein. „Es geht nun darum, zu überprüfen, ob zwischen dem Corona-Herd und den Todesfällen auf der zeitlichen Ebene ein kausaler Zusammenhang besteht“, so der Major der Carabinieri der Sondereinheit Nas, Massimo Pierini.
Laut der Staatsanwaltschaft von Genua könnten Arbeitgeber, die Impfverweigerer nicht an einen anderen Arbeitsplatz versetzen, bei dem sie nicht in Kontakt mit der Öffentlichkeit stehen, wegen Verletzung der Arbeitsschutzvorschriften bestraft werden.
„Derzeit besteht keine Impfpflicht. Das Recht der Arbeitnehmer, die Verabreichung der Impfdosis zu verweigern, wird durch den Artikel 32 der italienischen Verfassung garantiert. Auf der anderen Seite gibt es aber auch die im Artikel 2087 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verankerte Pflicht des Arbeitgebers, die gesundheitliche Integrität der Arbeitnehmer und Dritter, die mit ihnen in Kontakt kommen, zu schützen. Es bräuchte eine Verordnung, die festlegt, dass der Impfstoff ein Mittel ist, diese Sicherheit zu gewährleisten. Das ist in der Tat auch der Fall. In jedem Fall – insbesondere gilt dies für die Gesundheitsberufe – könnte das Hindernis durch eine Auslegung des Arbeitsvertrags überwunden werden. Mit der Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag verpflichtet sich der Gesundheitsangestellte, Patienten – unter denen sich auch sehr gebrechliche Personen befinden – zu behandeln. Um sicherzustellen, dass die Patienten keinen möglichen Schäden ausgesetzt werden, übernimmt der Angestellte mit diesem Vertrag auch die Pflicht, alle dafür nötigen Maßnahmen ergreifen“, so Staatsanwalt Francesco Cozzi. Dieses Prinzip könnte laut Francesco Cozzi auch auf andere Berufe und Arbeitsbereiche ausgedehnt werden.
Seit dem Richterspruch des Gerichts von Belluno rätseln nicht nur Staatsanwaltschaften und Arbeitsrechtler, wie sich die Rechte der Angestellten mit dem Recht auf gesundheitliche Sicherheit der Insassen von Altersheimen und Krankenhäusern unter einen Hut bringen lassen. In jedem Fall dürften der „Zwangsurlaub“ bis hin zu Konsequenzen, die nicht nur das Arbeitsrecht betreffen, sondern auch die Anklage wegen einer möglichen Mitverantwortung am Tod von betreuten Patienten miteinschließen könnten, bei Impfverweigerern unter den Gesundheitsangestellten für schlaflose Nächte sorgen.