Von: ka
Acquaviva delle Fonti – Eine „politische Weihnachtskrippe“ sorgt weit über die apulische Kleinstadt Acquaviva delle Fonti hinaus für wilde Polemiken. In der mitten auf dem Hauptplatz vor der Kirche aufgestellten „Krippe“ wird die Heilige Familie als ein Flüchtlingspaar mit Kind, die in einem Meer aus Plastikflaschen unterzugehen droht, dargestellt. Während die Gemeindeverwaltung von Acquaviva delle Fonti und Flüchtlingsorganisationen die Aktion begrüßen sprechen Kritiker und Gegner von politischem Missbrauch der Religion oder gar von Blasphemie.
Gleich ob Befürworter oder Gegner, die „Heilige Familie“ auf dem Hauptplatz von Acquaviva delle Fonti lässt keinen kalt. Maria, Josef sowie das Jesuskind werden als von roten Netzen umgebene und in einem Meer aus Plastikflaschen versinkende Schaufensterpuppen dargestellt. Während Maria und Josef fast bis zum Hals im Plastikmeer stecken, schwimmt das dunkelhäutige Jesuskind auf einem Rettungsring liegend mitten zwischen den Plastikflaschen.
Die dazugehörige Tafel lässt keinen Zweifel über Sinn und Zweck der Weihnachtskrippe aufkommen. „Das Kind kommt im Meer zur Welt, wo es zusammen mit Maria und Josef – beide von niemandem aufgenommene Flüchtlinge – jene Erfahrung erlebt, die viele Migranten in unserem Mittelmeer bewältigen müssen. Das Meer aus Plastik im Hintergrund der Christi Geburt ist ein Hilfeschrei gegen die Verschmutzung der Meere“, so der diese Darstellung der Heiligen Familie beschreibende Schriftzug.
Eine dermaßen polarisierende Darstellung der Geburt Christi rief sofort die Kritiker auf den Plan. Mit der „Migrantenkrippe“ ganz besonders hart ins Gericht ging der Philolologe und Kunstexperte Francesco Colafemmina. Gegenüber der Online-Ausgabe der Mailänder Zeitung Il Giornale nannte Francesco Colafemmina die Darstellung der Christi Geburt in Acquaviva delle Fonti eine im Namen des Umweltschutzes und der Befürwortung der Einwanderung gemachte weltliche und gotteslästerliche Neuinterpretation der Krippe. Viele Kritiker und Gegner schlossen sich dieser Ansicht an und sprachen von einer Provokation und von politischem Missbrauch der religiösen Gefühle der Christen. Wieder andere nannten die „Flüchtlingsfamilie in Plastikflaschen“ eine „lächerliche Darstellung“.
Der Bürgermeister von Acquaviva delle Fonti, Davide Carlucci, wies die Kritik scharf zurück. „Es hätte euch gefallen, die Kunstinstallation zu verbieten und euren faschistoiden Juckreizen freien Lauf zu lassen. Nein. In Acquaviva herrschen noch Freiheit und Demokratie. Wenn Kunst und auch die religiöse Botschaft zum Skandal werden, heißt das, dass das Ziel erreicht worden ist“, so der erste Bürger von Acquaviva delle Fonti.
Ziel der Krippe in der zentralen Piazza dei Martiri sei es, „unsere ‚befriedete‘ Weltsicht wachzurütteln, Zweifel zu säen und uns zu einer Gegenreaktion zu bewegen“, so Davide Carlucci weiter.
"Àlzati, prendi con te il bambino e sua madre, fuggi in Egitto e resta là finché non ti avvertirò: Erode infatti vuole cercare il bambino per ucciderlo" (Mt. 2, 13). #Acquaviva #Presepe https://t.co/0I6jvwfRrX pic.twitter.com/gRzLBnMlMI
— Antonio Di Muro (@AntonioDiMuro6) December 9, 2018
In der italienischen Öffentlichkeit und in den sozialen Netzwerken folgte ein heftiger Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern der „Krippe von Acquaviva delle Fonti“. Dabei traten erneut jene Bruchlinien, die in der Flüchtlingsfrage heute nicht nur die italienische, sondern auch fast alle europäischen Gesellschaften teilen, offen ans Tageslicht.
Und was meinen unsere Leserinnen und Leser? Soll und kann eine Weihnachtskrippe auch eine politische Botschaft vermitteln?