Trauer und stockendes Gerichtsverfahren

Hotel Rigopiano – ein Jahr nach dem Lawinenunglück

Donnerstag, 18. Januar 2018 | 11:09 Uhr

Von: mk

Farindola – Heute genau vor einem Jahr hat sich am Gran Sasso in den Abruzzen eine Lawine gelöst und das Hotel Rigopiano verschüttet. 29 Menschen kamen ums Leben, elf überlebten das tragische Unglück. Bei den Bergungsaktionen waren auch Südtiroler Hilfskräfte im Einsatz.

Twitter/rigopiano

Während die Überlebenden und die Familien der Opfer heute im Rahmen eines Fackelumzugs zum Unglücksort ziehen, ermittelt die Staatsanwaltschaft nach wie vor gegen insgesamt 23 Personen wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung. Notrufe sollen laut Vorwurf nicht ernstgenommen worden sein, was den Rettungseinsatz verzögert habe.

Weil es bisher jedoch noch zu keinem Verfahren gekommen, droht allerdings die Verjährungsfrist zu greifen. Das Hotel liegt noch immer in Trümmern. Dementsprechend groß ist neben der Trauer auch die Frustration der Betroffenen.

Die Lawine war von vier Erdstößen ausgelöst worden, die den meterhohen Schnee in Bewegung versetzten. Ein Mann wurde erst 60 Stunden nach dem Lawinenabgang noch gerettet.

Insgesamt verfolgt die Staatsanwaltschaft vier Ermittlungsstränge. Wegen der zu spät eingeleiteten Versorgungskette müssen sich der ehemalige Präfekt von Pescara, Francesco Provolo, Zivilschutzleiterin Ida de Cesaris und Kabinettschef Leonardo Bianco verantworten. Laut Vorwurf sei erst zehn Stunden später ein Notfallzentrum eingerichtet worden. Die Verteidigung von Provolo bestreitet dies und behauptet, das Zentrum sei bereits am 16. Jänner 2017 aktiviert worden.

Der zweite Ermittlungsstrang betrifft das Management der Rettungsaktionen. Ermittelt wird gegen den Landeshauptmann von Pescara Paolo D’Incecco, gegen den Zivilschutzreferenten und ehemaligen Direktor im Bereich des Straßennetzes, Mauro Di Blasio, gegen den Polizeikommandanten von Pescara, Giulio Honorati, sowie gegen den Techniker Tino Chiappino. Ihnen wird vorgeworfen, die Zivilschutzleitzentrale nicht aktiviert, die Straße zum Hotel nicht gesperrt und die Schneepflüge nicht inspiziert zu haben.

Der dritte Ermittlungsstrang betrifft den Bau des Hotels selbst. Neben den ehemaligen Bürgermeistern von Farindola, Massimiliano Giancaterino und Antonio De Vico, wird auch gegen deren Amtsnachfolger Ilario Lacchetta ermittelt. Ins Visier der Staatsanwaltschaft sind auch Techniker und Unternehmer geraten. Bemängelt wird, dass beim Bau des Hotels Risiken in Zusammenhang mit Gefahrenzonen und Lawinen nicht berücksichtigt worden seien.

Der vierte Ermittlungsstrang betrifft den Gefahrenplan für Lawinen, der nicht ausgearbeitet worden sei. Ermittelt wird in diesem Fall gegen die leitenden Beamten der Region, Pierluigi Caputi, Carlo Giovani, Vittorio Di Biase, Emidio Primavera und Sabatino Belmaggio.

Zusätzlich verfügt die Staatsanwaltschaft über ein Gutachten, das besagt, dass das Hotel bereits zwei Tage vor dem Lawinenunglück hätte evakuiert werden müssen.