Tragödie von Caselle wirft viele Fragen auf – VIDEO

“Ich habe ein Problem mit dem Triebwerk, Vogelschlag!”

Montag, 18. September 2023 | 08:05 Uhr

Von: ka

Caselle Torinese – Nach dem Absturz eines Flugzeugs der italienischen Militär-Kunstflugstaffel „Frecce Tricolori“, der einem kleinen Mädchen, der fünfjährigen Laura Origliasso, das Leben gekostet hatte, begannen Experten, die Ursache dieser Tragödie zu ergründen. Mehrere Flugzeugexperten glauben, dass das Flugzeug, das sich noch in der Startphase befand, mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Vogelschwarm zusammengestoßen sei, sie fügen aber auch hinzu, dass ein technischer Defekt nicht ausgeschlossen werden könne.

In den Kreisen der italienischen Luftstreitkräfte wird vermutet, dass der Absturz der Aermacchi MB-339 der Frecce Tricolori, der kurz nach dem Start der Maschine auf dem Turiner Flughafen Caselle geschah, mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Zusammenstoß mit einem Vogelschwarm zurückzuführen sei, wobei die Experten aber hinzufügen, dass ein technischer Defekt zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht ausgeschlossen werden könne.

Da der Pilot sechs Sekunden nach dem Start den Teamleiter alarmierte und ihn über Probleme mit dem Triebwerk sowie über sogenannten Vogelschlag unterrichtete, gilt das Zusammentreffen der Maschine mit Vögeln aber als plausibelste Erklärung. „Ich habe ein Problem mit dem Triebwerk, Vogelschlag!“, soll der Pilot gemeldet haben.

ANSA

Das schwere Unglück geschah während einer Übung. Am Samstagnachmittag kurz vor 17.00 Uhr hoben die Flugzeuge der Nationalen Kunstflugstaffel kurz hintereinander vom Turiner Flughafen Caselle ab. Unmittelbar danach fiel das Triebwerk des Unglücksflugzeugs aus. Einige Kommandanten und erste Offiziere, die auf dem Flugfeld anwesend waren – einige warteten auf den Start, andere waren bereits gelandet – berichteten ihren Kollegen, dass in diesem Moment zu viele Vögel in der Luft seien, sodass sie das Risiko eines „Vogelschlags“ als hoch einschätzten.

Das Risiko einer Kollision mit Vögeln ist nicht zu verharmlosen. Da sie dazu neigen in die Triebwerke einzudringen und sie außer Betrieb zu setzen, ist die Gefahr groß, dass es zu einem Absturz kommt. „Wenn beim Start ein unvorhergesehenes Problem auftritt, egal ob es sich um einen Vogelschwarm oder ein Triebwerksproblem handelt, macht dies leider kaum einen Unterschied. Aufgrund der noch zu geringen Geschwindigkeit und der zu niedrigen Höhe bleibt bei einem Leistungsverlust des Triebwerks während der Startphase dem Piloten nur mehr wenig Zeit, korrigierend einzugreifen. Bei einem Flugzeug mit nur einem Triebwerk bleibt eigentlich nur mehr die Bedienung des Schleudersitzes“, erklärt der 50-jährige Simone Pagliani gegenüber dem Mailänder Tagblatt Corriere della Sera. Simone Pagliani, der von 2002 bis 2009 der Staffel der Frecce Tricolori angehörte, ist heute in der zivilen Luftfahrt tätig. Bei der Aermacchi MB-339 können selbst kleine Vögel das einzige Triebwerk zum Ausschalten bringen.

Die Folge war, dass der Absturz nicht mehr zu vermeiden war. Während die Unglücksmaschine sehr schnell an Höhe verlor, bleib, wie von den Sicherheitsprotokollen zur Minimierung von Absturzrisiken vorgeschrieben, der Pilot möglichst lange an Bord, bevor er den Schleudersitz betätigte.

Das Flugzeug stürzte auf das Flughafengelände, fing Feuer und hinterließ auf der Grasfläche links von der Landebahn einen großen Brandfleck. Die größeren Wrackteile, die immer noch brannten, durchbrachen den Maschendrahtzaun, der das Flugfeld begrenzt. Während einige Teile in einen Wasserkanal flogen und keinen Schaden anrichteten, traf unglücklicherweise ein Teil das Auto einer Familie.

APA/APA/AFP/MARCO BERTORELLO

Die Familie, die nur 200 Meter entfernt vom Flughafen wohnt, befand sich auf dem Weg nach Hause. Im Fahrzeug befanden sich die fünfjährige Laura, ihr zwölfjähriger Bruder Andrea, ihre Mutter Veronica und ihr Vater Paolo Origliasso. Die Wucht des Teils und des Feuerballs fegten das Auto von der Straße und kippten es um. Lauras Vater, ihre Mutter und ihr Bruder konnten sich schnell aus dem brennenden Wrack befreien, aber das kleine Mädchen blieb eingeklemmt.

Verzweifelt versuchte der Vater, seine kleine Tochter aus dem brennenden Autowrack zu ziehen, wobei er an seinen Armen und Händen schwere Brandverletzungen erlitt, aber für das Mädchen kam jede Hilfe zu spät. Ihre Leiche konnte erst nach dem Löschen des Brandes von der Feuerwehr geborgen werden. Auch Andrea trug vom Unglück schwere Brandverletzungen davon. Er liegt im Krankenhaus Regina Margherita von Turin auf der Intensivstation, soll aber nicht mehr in Lebensgefahr schweben. Seine Mutter und sein Vater werden im selben Krankenhaus behandelt.

Facebook/Veronica Vernetto

Auch der Unglückspilot, der 35-jährige Oscar Del Dò, ist tief erschüttert. „Ich habe das Auto nicht gesehen. Seit ich weiß, dass ein Mädchen ums Leben gekommen ist, finde ich keinen Frieden mehr“, so Oscar Del Dò.

Abgesehen von jenen der Justizbehörden werden die Ermittlungen von der Untersuchungskommission der italienischen Luftstreitkräfte durchgeführt. Das Flugzeug verfügt zwar nicht über eine „Black Box“, ist aber mit Systemen zur Aufzeichnung von Flugparametern ausgestattet, die geborgen und untersucht werden sollen.

Es geht aber nicht nur um das Unglück selbst. Die Tragödie von Caselle befeuert in Italien nicht nur die Debatte um die Sicherheit der Auftritte der Kunstflugstaffel, sondern auch jene um die Sinnhaftigkeit von Kunstflugshows.