Mutige Pakistanerin wehrt sich: Eltern und Bruder vor Gericht

„Ich lasse mich nicht zur Heirat zwingen!“

Freitag, 10. Mai 2024 | 08:24 Uhr

Von: ka

Seregno – Der Versuch einer pakistanischen Familie, eine junge Frau zur Ehe mit ihrem Cousin zu zwingen, endet vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft hatte zwar beantragt, den Fall zu den Akten zu legen, aber eine Richterin entschied, dass gegen die Eltern und den älteren Bruder der 18-Jährigen das Hauptverfahren eröffnet werden muss. Damit endet für die junge Frau, die zwar in Pakistan geboren wurde, aber seit ihrer Kindheit in Italien lebt und in der Gemeinschaft der Kleinstadt Seregno bei Monza nördlich von Mailand bestens integriert ist, ein jahrelanger Leidensweg.

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„Ich hätte mich dem Zwang nie entziehen können, ich hatte alle gegen mich, sogar meine Tante, die in London lebt. Es tut mir leid für meine Familie, die mich immer wie eine Prinzessin behandelt hat, und dafür, dass ich mich der Kultur meines Herkunftslandes entzogen habe, aber ich lasse mich nicht zur Heirat zwingen!“, so die unmissverständlichen Worte einer jungen Pakistanerin.

Mit lebhaften Worten beschreibt die 18-Jährige, was sie zu Hause bei ihren Eltern in Seregno erleben musste, als sie versuchte, sich der Heirat mit einem Cousin zu widersetzen, die ihre Eltern ihr in Komplizenschaft mit ihrem älteren Bruder aufzwingen wollten. Obwohl sie die Heirat mit ihrem Cousin seit jeher aus tiefster Seele ablehnte, hatten ihre Eltern bereits seit ihrem 13. Lebensjahr damit begonnen, auf diese Verbindung hinzuarbeiten und die kommende Hochzeit vorzubereiten.

„Du kannst studieren und tun und lassen, was du willst, aber nur, wenn du ihn heiratest“, so die Worte der Eltern. Das Martyrium der pakistanischen Jugendlichen, die immer größerem Druck ausgesetzt war, sich dem Willen ihrer Familie zu unterwerfen, blieb lange unbemerkt. Erst als ihren Lehrern auffiel, dass mit der Jugendlichen etwas nicht stimmte, flog die geplante Zwangsheirat auf. Nachdem sie an ihrem Körper Anzeichen von Selbstverletzungen erkannt hatten, alarmierten sie die Sozialdienste.

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Es schien zunächst, als hätten die Eltern ihre Pläne, ihre Tochter zur Heirat zu zwingen, auf Eis gelegt, aber als der Vater Ende des Jahres 2022 von Hochzeitsvorbereitungen sprach und für das Brautkleid an ihr Maß genommen wurde, wusste die Jugendliche, dass ihre Familie nach wie vor den Plan verfolgte, sie mit ihrem Cousin zu verehelichen.

Ein von ihr abgehörtes Telefongespräch zwischen ihrem Vater und ihrem Onkel brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Im Gespräch beschwerte sich ihr Onkel gegenüber ihrem Vater darüber, dass gleich wie sie auch dessen Tochter sich weigere, einer Zwangsheirat zuzustimmen, aber ihr Vater wiegelte ab und entgegnete ihm, dass er wisse, wie der Wille einer Jugendlichen zu brechen sei. „Wenn sie Widerstand leistet, ruf mich an. Mit zwei Schlägen sorge ich dafür, dass es funktioniert. Es macht nichts, wenn ich ins Gefängnis komme“, so die schauerlichen Worte, die die Jugendliche mitanhören musste.

Frau gewalt

Daraufhin zog die junge Pakistanerin die Reißleine. Um einer möglichen Entführung, der Zwangsheirat oder gar einem Gewaltverbrechen zuvorzukommen, brach sie jeden Kontakt zu ihrer Herkunftsfamilie ab und bat, in eine geschützte Gemeinschaft aufgenommen zu werden. „Ich bin froh darüber, dass das Gericht für solche Schicksale so viel Verständnis zeigt“, meint die Anwältin Lucilla Tassi, die die Stadtgemeinde Seregno vertritt, in deren Obhut sich die junge Frau befindet. „Nachdem sie von den Sozialdiensten reichlich Unterstützung erhalten hat, befindet sie sich nun in einer geschützten Gemeinschaft. Sie kann endlich über ihr Leben selbst entscheiden und arbeitet an einer Zukunft, die sie sich selbst wünscht“, fügt Lucilla Tassi hinzu.

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„Die Entscheidung der Familie, die Heirat zu organisieren, war nie durch Zwangsmaßnahmen gekennzeichnet, sondern darauf ausgelegt, sie wie eine Prinzessin zu behandeln und ihr eine bessere Zukunft zu ermöglichen, auch wenn das junge Mädchen die Entscheidung der Familie, die sich aus ihrer kulturellen Zugehörigkeit ergibt, immer als nachteilig für ihre Freiheit empfunden hat“, so die Staatsanwaltschaft von Monza in ihrem Antrag, den Fall zu den Akten zu legen.

Die zuständige Richterin Angela Colella lehnte jedoch den Antrag auf Einstellung des Verfahrens ab und ordnete an, gegen die Eltern und den älteren Bruder des Opfers auf dem Zwangswege das Hauptverfahren einzuleiten. Alle drei Angeklagten werden sich wegen versuchter Anstiftung zur Heirat vor Gericht verantworten müssen.

ANSA/Saman Abbas

Offenbar hat das traurige Schicksal der jungen Pakistanerin Saman Abbas, die in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai des Jahres 2021 von ihrer Familie getötet und verscharrt worden war, weil sie sich einer Zwangsheirat widersetzt hatte, in Italien zu einem Umdenken geführt.

ANSA/ CARABINIERI