Von: ka
Enego/Vicenza – Die Stadt Vicenza in Venetien ist Schauplatz eines Prozesses, der auch in Südtirol mit großem Interesse verfolgt werden dürfte. Nach dem Unfalltod des Mountainbikers Maurizio Pezzato, der durch einen quer über den Radweg gespannten Stacheldraht gestürzt und ums Leben gekommen ist, wird dem Pächter der Alm Malga Valmaron auf dem Hochplateau der Sieben Gemeinden der Prozess gemacht. Der Angeklagte wehrt sich und reicht die Verantwortung an die Gemeinde weiter. „Die Gemeinde hat mir nicht mitgeteilt, dass diese Strecke öffentlich genutzt wird“, beteuert der 51-jährige Walter Dalla Palma, der der fahrlässigen Tötung beschuldigt wird.
„Er fuhr ein paar Meter vor mir, als ich plötzlich sah, wie er stürzte. „Ich kann nicht mehr atmen“, waren seine letzten Worte, die er leise zu mir sprach“, so der Freund des Opfers, Bruno Demo, während seiner Zeugeneinvernehmung im Gerichtssaal von Vicenza. Bruno Demo kann sich an jenen fatalen 2. Juli 2022 erinnern, als sei es gestern gewesen.
„An diesem Morgen kamen wir gegen 9.00 Uhr mit dem Auto an der Schutzhütte in Valmaron an. Wir tranken zuerst einen Kaffee und schwangen uns dann auf unsere Mountainbikes. Wir hatten vor, eine der üblichen Rundstrecken zu befahren, aber auf dem Rückweg entschieden wir uns, statt der normalen Route diesen Weg zu nehmen“, so Bruno Demo. Nach der Aussage des Zeugen vor Gericht war dieser Weg deutlich und unverkennbar als Teil der sogenannten C7-Route, das heißt als Tour durch das Weidegebiet der Malga Valmaron, gekennzeichnet.
„Der Weg war leicht abschüssig, aber nicht besonders steil. Wir unterhielten uns, kurz darauf überholte er mich. Er fuhr ein paar Meter vor mir, als ich plötzlich sah, wie er stürzte. Sein Sturz glich einem regelrechten Salto. Ich hielt sofort an, stieg vom Fahrrad ab, löste ihn von den Pedalen, an denen er noch hing, und brachte ihn dazu, sich zu setzen. Er sagte mir, er könne nicht mehr atmen. Ich schnallte seinen Helm ab und öffnete sein Trikot, aber kurz darauf verlor er das Bewusstsein“, beschreibt Bruno Demo die letzten Lebensmomente seines Freundes Maurizio Pezzato.
Bruno Demo rief um Hilfe, indem er versuchte, sich bei einer kleinen Gruppe von Menschen im Tal Gehör zu verschaffen, aber er war zu weit weg. Maurizio Pezzatos Freund wählte daraufhin die Notrufnummer 112. „Der Mann in der Notrufzentrale blieb am Telefon, bis etwa 20 Minuten später der Hubschrauber mit dem Notarzt eintraf. Den Anweisungen folgend führte ich fortwährend Herzmassagen durch. Zwei Motorradfahrer, die in der Nähe vorbeikamen und den Unfall bemerkten, halfen mir dabei“, so Bruno Demo.
Für Maurizio Pezzato kam jedoch jede Hilfe zu spät. Die Verletzungen, die der 63-Jährige beim schweren Sturz erlitten hatte, waren tödlich. Dem zusammen mit dem Notarzt eingetroffenen Bergrettungsdienst von Asiago blieb nur mehr die traurige Aufgabe, Pezzatos Leiche zu Tal zu bringen.
Die zuständigen Carabinieri von Enego nahmen umgehend Erhebungen zum Unfallhergang auf. Bald konnte zweifelsfrei festgestellt werden, dass Maurizio Pezzato durch einen quer über den Radweg gespannten Stacheldrahtzaun gestürzt und ums Leben gekommen war. Aus den folgenden Ermittlungen ging hervor, dass der neue Pächter des dritten Loses der Alm Malga Valmaron, Walter Dalla Palma, das entsprechende Gebiet erst kurz zuvor eingezäunt hatte.
Wie sein Rechtsanwalt Roberto Rigoni Stern betont, hätte ihm die Gemeinde die öffentliche Nutzung dieses Weges nicht mitgeteilt. „Mein Mandant hat am 22. Juni 2022, also nur zehn Tage vor der Tragödie, den Pachtvertrag für das dritte Los der Malga Valmaron unterschrieben. Zu diesem Zeitpunkt hat ihn niemand darüber informiert, dass der Weg, der ursprünglich nur zu Waldbewirtschaftungszwecken gedient hatte und für den nur die mit der Abholzung nach dem Sturm Vaia beschäftigten Fahrzeuge ein Durchfahrtsrecht besessen hatten, in einen für Radfahrer und Fußgänger benützbaren Weg umgewandelt worden war“, so Rigoni Stern.
Walter Dalla Palmas Rechtsbeistand erinnert im selben Atemzug daran, dass geltende Verordnungen der Behörden den 51-jährigen Pächter zur Errichtung des Zauns veranlasst hätten. „Um das Betreten der benachbarten Almweiden durch sein Vieh zu verhindern, wurde ihm vonseiten der Gemeinde diese Verpflichtung auferlegt. Ich möchte daran erinnern, dass ihm der verwendete Stacheldraht von derselben Gemeindeverwaltung zur Verfügung gestellt wurde“, betont der Rechtsanwalt des Almpächters.
Sollte Rechtsanwalt Roberto Rigoni Stern, dessen Mandant Walter Dalla Palma wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht steht, das schwere Versäumnis beweisen können, dass die Gemeinde den neuen Almpächter nicht über die Freigabe des Weges als öffentlich benützbaren Wander- und Mountainbikeweg in Kenntnis gesetzt hat, dürfte auf die Gemeinde und den direkt dafür verantwortlichen Personen eine hohe Schadenersatzforderung zukommen.
Der Ausgang des Prozesses in Vicenza wird nicht nur in Venetien mit Spannung erwartet.
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