Von: ka
Mailand/Rom – Auch wenn Italien mit seinen Corona-Impfzahlen europaweit immer besser dasteht, wird die italienische Impfkampagne doch von verschiedenen Fehlern und Mängeln begleitet. Opfer des bisher vielleicht schwersten Fehlers wurde die Lombardei. Die Krankenhäuser der norditalienischen Region wurden mit rund 46.000 für die Corona-Impfung vollkommen ungeeigneten Spritzen beliefert. Um nicht die Impfkampagne zu unterbrechen, sahen sich die Impfzentren dazu gezwungen, auf die eigenen Reserven zurückzugreifen.
Die Mediziner und Techniker der lombardischen Impfzentren staunten nicht schlecht, als sie die Pakete der letzten, eben erst aus Rom eingetroffenen Lieferung von Impfspritzen öffneten. Die Pakete, die nach dem publikumswirksam in Szene gesetzten Impfstart nach Weihnachten die erste „richtige“ Lieferung darstellten, enthielten Spritzen, die für die ihnen zugedachten Zwecke vollkommen ungeeignet sind.
Mit einem Fassungsvermögen von fünf Millilitern war einerseits ein Teil der Spritzen für die zu erfüllende Aufgabe, den Inhalt der Ampullen mit 1,8 Milliliter physiologischer Kochsalzlösung zu verdünnen, viel zu „groß“. Zudem waren die Spritzen mit einer zu großen Nadel bestückt.
Auch die Spritzen, die für die Verabreichung der eigentlichen Impfung gedacht waren, waren mit einem Fassungsvermögen von drei Millilitern entschieden zu groß. Da die zu verabreichende Dosis nur 0,3 Milliliter beträgt – aus jeder Ampulle werden sechs einzelne Impfdosen gewonnen – würde der Gebrauch der zu „großen“ Injektionsspritzen, die für kleine Mengen entweder keine oder zu ungenaue Dosierungsmarken besitzen, die verabreichenden Ärzte und Krankenpfleger dazu zwingen, nicht mit der gebotenen Genauigkeit zu arbeiten. Idealerweise sollten für die Corona-Impfung Injektionsspritzen mit einem Fassungsvermögen von nur einem Milliliter verwendet werden.
Die Ärzte und die Pfleger versicherten aber, dass die für die Herstellung der Verdünnung und für die Impfung selbst ungeeigneten Spritzen nicht vergeudet, sondern anderen Zwecken zugeführt werden.
Zu allem Überdruss ist die Menge der gelieferten, „falschen“ Spritzen gewaltig. Insgesamt wurden aus Rom zwischen den beiden Arten von Spritzen mehr als 46.000 in die Lombardei entsandt. Nur dank des Rückgriffs auf die eigenen Reserven, von denen die meisten vom „V-Day“ genannten ersten Impftag stammen, gelang es den lombardischen Impfzentren, die Kampagne aufrechtzuerhalten und mit den Impfungen fortzufahren. Nichtsdestotrotz teilt sich die Lombardei mit der süditalienischen Region Kalabrien den wenig erfreulichen Titel, Schlusslicht der italienischen Impfkampagne zu sein.
Wenig überraschend löste die falsche Injektionsspritzenlieferung heftige politische Reaktionen aus. Oppositionsführer Matteo Salvini warf der Regierung Unfähigkeit vor und verlangte von den zuständigen Behörden, die benötigten Spritzen sofort nachzuliefern.
„Innerhalb von zehn Tagen gehen der Lombardei die aus Rom geschickten Impfdosen aus. Wenn nicht bald die versprochenen Ärzte und die richtigen Spritzen eintreffen, riskiert in Italien eine Region, bis zum Eintreffen der nötigen Mittel die Impfkampagne einstellen zu müssen“, so die scharfe Kritik von Matteo Salvini.
Allerdings hakt es nicht nur bei den Spritzen. Viele bereits pensionierte Ärzte und Krankenpfleger, die begeistert dem Aufruf der Regierung gefolgt waren, freiwillig bei der „größten Impfkampagne, die Italien je gesehen hat“, mitzuwirken, beklagten sich über zu viele Hürden und Widerstände. „Wir haben den Eindruck, dass sie uns nicht wollen“, so ein enttäuschter Mediziner gegenüber den Medien.
Trotz der vielen Steine, die im organisatorischen Räderwerk der italienischen Impfkampagne stecken, liegt Italien, sowohl was die absolute Anzahl der Impfungen betrifft als auch was ihre Relation zur Größe der Bevölkerung anbelangt, in Europa recht gut im Rennen. Allerdings ist die Durchimpfungsrate noch ziemlich klein und die Lieferung sowie die Verteilung der die Ampullen enthaltenden Pakete verlaufen immer noch nur schleppend.
Daher ruht die Hoffnung aller auf die Ausweitung der Produktion und die Zulassung neuer Impfstoffe. In dieser Hinsicht traf am Dreikönigstag eine gute Nachricht ein. Mit dem Mittel des US-Herstellers Moderna schaffte ein zweiter Corona-Impfstoff die Zulassung in der Europäischen Union.