Von: ka
Rom – Vielen Kritikern zum Trotz scheint das System des Grünen Passes relativ „dicht“ zu sein. Einige Impfgegner, die glaubten, über Telegram gefälschte Impfbescheinigungen erwerben zu können, mussten bereits leidvoll erfahren, dass der Grüne Pass praktisch fälschungssicher ist. Andere „Schlaumeier“ hingegen, die die Kontrolleure mit der Benutzung eines fremden Passes in die Irre führen wollten, mussten für diesen Versuch tief in die Tasche greifen und Bußgelder von 400 bis 1.000 Euro bezahlen.
Einige Schlupflöcher, die Impfgegner nutzen könnten, gibt es aber doch. Immer mehr Allgemeinärzte berichten darüber, dass sich die Anfragen für eine Impfstoffbefreiung häufen. Das Rundschreiben des Ministeriums, das die Bedingungen für eine Impfbefreiung regeln soll, sieht viele Ausnahmen vor. Die geltenden Bestimmungen werden von den überforderten Hausärzten als zu ungenau und daher als wenig hilfreich angesehen. Dies und einige praktische Probleme könnten es Impfgegnern erlauben, sich einen Grünen Pass zu erschleichen. „Das System hat zu viele Löcher, wir sind in Schwierigkeiten“, meint der Sekretär der Vereinigung der italienischen Allgemeinmediziner, Silvestro Scotti.
„Anträge auf Befreiung von der Coronaschutzimpfung werden immer häufiger gestellt. Aber das Rundschreiben des Ministers, das viele Bedingungen und Ausnahmen enthält, bietet keine Lösung. Es fehlen genaue Angaben. Ärzte und Patienten fühlen sich im Stich gelassen. Inzwischen besteht die Gefahr, dass Impfgegner, die sich ohne Impfung einen Grünen Pass erschleichen wollen, Löcher im System ausnutzen“, so der Sekretär der Vereinigung der italienischen Allgemeinmediziner, Silvestro Scotti, gegenüber HuffPost.
„Die Bescheinigung zur Befreiung von der Impfung wird ausgestellt, wenn die eigentliche Impfung unterbleibt oder verschoben wird, weil bestimmte klinisch dokumentierte Bedingungen vorliegen, die eine Impfung dauerhaft oder vorübergehend kontraindizieren“, heißt es in dem in der vergangenen Woche veröffentlichten Rundschreiben des römischen Gesundheitsministeriums. Aus der Sicht von Silvestro Scotti seien die im Rundschreiben genannten Regeln aber zu vage gehalten, was zu Problemen bei der Verwaltung und bei der Bewertung führe.
„Das Problem war bereits aufgetreten, als im Rahmen der Impfpflicht für das Sanitätspersonal die Möglichkeit eingeräumt worden war, sich von der Impfung befreien zu lassen. Damals hatte unsere Vereinigung das Gesundheitsministerium und das Oberste Gesundheitsinstitut ISS (Istituto Superiore di Sanità) um eine detaillierte Liste von Krankheiten samt Codes gebeten, die es uns ermöglichen würde, diejenigen herauszufischen, die tatsächlich Anspruch auf eine Befreiung haben. Monate später warten wir noch immer auf eine Antwort. Gleich wie im Frühjahr ist auch heute alles der Entscheidung des Einzelnen überlassen“, kritisiert Silvestro Scotti.
Der Sekretär der Vereinigung der italienischen Allgemeinmediziner bemerkt, dass aufgrund der unklaren Regelungen der ausstellende Hausarzt sogar riskiere, wegen unwahrer Bescheinigung angeklagt zu werden. Zudem bestehe laut Silvestro Scotti das Problem, dass der Patient für die Befreiung zu einem Facharzt geschickt werden müsse, was weitere Kosten verursache.
Das Hauptproblem aber ist, dass diese Problematiken es Impfgegnern erlauben, sich einen Grünen Pass zu erschleichen. „Wenn eine Patientin angibt, in den ersten Monaten schwanger zu sein – eine Bedingung, die eine Befreiung ermöglicht – muss ich dann einen Gynäkologen um Rat fragen, bevor ich die Bescheinigung ausstelle? Wenn die Mutter eines Kleinkindes behauptet, es zu stillen, kann ich dann überprüfen, ob das stimmt oder ob sie künstliche Milch kauft?“, fragt sich der Sekretär der Vereinigung der italienischen Allgemeinmediziner, der zwei einfache Beispiele nennt. „Besonders groß ist aber die Gefahr, die von gefälschten medizinischen Attesten ausgeht, die eine bestimmte Pathologie oder einen bestimmten Zustand vortäuschen“, so Silvestro Scotti.
Zudem herrschen noch Unklarheiten darüber, ob die Befreiung von der Impfung „automatisch“ zur Erlangung des Grünen Passes führt.
„Ein weiterer absolut unklarer Punkt, dem niemand Aufmerksamkeit schenkt, ist die Tatsache, dass der Patient nach der Befreiung auch den Grünen Pass erhalten muss. Welchen Sinn hat es, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, wenn der Patient – der nicht geimpft werden kann und von der Gemeinschaft aus objektiven Gründen als geschützte Person betrachtet werden soll – theoretisch alle 48 Stunden einen negativen Test vorlegen muss? Der impfbefreite Patient sollte auf der nationalen Plattform als nicht für die Impfung infrage kommende Person registriert werden. Danach würden seine Daten hochgeladen und er könnte seinen Grünen Pass herunterladen“, erklärt Scotti.
Silvestro Scotti fügt hinzu, dass Allgemeinmediziner, die keine Coronaschutzimpfungen verabreichen, keinen Zugriff auf diese Plattform hätten und daher nicht berechtigt seien, Impfbefreite als solche einzutragen. Der Sekretär der Vereinigung der italienischen Allgemeinmediziner beklagt sich auch darüber, dass viele Bürger die Hausärzte als „Info-Stelle“ für alle technischen Fragen und Probleme, die um den Grünen Pass kreisen, nutzen würden. Dies halte die Allgemeinmediziner von ihren eigentlichen ärztlichen Aufgaben, die in der Betreuung ihrer Patienten besteht, ab.
In der Summe würden alle Unklarheiten, Auslegungsprobleme und nicht zuletzt die Bürokratie die „Schlaumeier“ unter den Impfgegnern, die sich über die Befreiung von der Impfung einen Grünen Pass erschleichen wollen, begünstigen.