85-Jähriger schießt auf Räuber: Notwehr oder gefährliche Körperverletzung? – VIDEO

„In diesem Moment dachte ich an meinen Enkel“

Dienstag, 30. April 2024 | 07:53 Uhr

Von: ka

Bergamo – In Wohnung in Bergamo in der Lombardei ist am Samstagabend Schauplatz eines Raubversuchs geworden, der viele Fragen aufwirft.

Nachdem er von zwei Räubern bedroht worden war, zog ein 85-Jähriger seinen Revolver und gab mindestens einen Schuss ab, der einen der Räuber am Hals verletzte. Während der Verletzte noch am Abend unweit vom Tatort entfernt von der Polizei gefasst und ins Krankenhaus gebracht wurde, klickten für seinen Kollegen am Sonntagvormittag die Handschellen. Beide werden sich wegen erschwerten Raubes verantworten müssen. Um den Tathergang besser rekonstruieren zu können, wurde der 85-Jährige ins Kommissariat geladen. Derzeit wird geprüft, ob sein Handeln noch als Notwehr gelten kann.

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Am Samstagabend gegen 21.30 Uhr drangen zwei Unbekannte in ein Haus in Bergamo ein. Einer ersten Rekonstruktion des Tathergangs zufolge überraschten sie den 85-jährigen Domenico Scarcella in seinem Schlafzimmer. Die beiden Männer, die vermutlich mit einem Stock bewaffnet waren, weckten den 85-Jährigen auf und schrien ihn an, wo das Geld zu finden sei.

„Ich schlief bereits fest, als zwei schwarz gekleidete, maskierte Männer mit Sturmhauben mich aufweckten. Alles war dunkel. Ich sah, dass sie bereits die Schubladen durchwühlt hatten. Mein Portemonnaie hatten sie bereits gefunden. Ich sagte ihnen, dass das ganze Geld – insgesamt 500 Euro – darin aufbewahrt sei. Aber sie gaben nicht nach und schrien mich weiter an“, so Domenico Scarcella, der es in diesem Moment mit der Angst zu tun bekam.

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Die beiden Räuber ahnten aber nicht, dass es sich bei ihrem Opfer um einen pensionierten Maresciallo der Finanzwache handelt. In einem unbeobachteten Moment gelang es ihm, seine in der Nähe abgelegte Schusswaffe – einen Revolver des Kalibers 38, für den Domenico Scarcella einen regulären Waffenpass besitzt – an sich zu nehmen und zu schießen.

„Sie waren etwa 80 Zentimeter von mir entfernt. Ich feuerte nach oben. Sobald ich geschossen hatte, rannten sie weg“, erklärt der pensionierte Maresciallo der Finanzwache. In der Tat sollten die Carabinieri später in der Nähe der Decke des Schlafzimmers ein Einschussloch sicherstellen. Einer der beiden Räuber erlitt durch einen Streifschuss eine leichte Verletzung am Hals.

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Die beiden Räuber ergriffen samt der Geldbörse, die auch die Ausweisdokumente des pensionierten Maresciallos enthielt, die Flucht. Vor dem Haus trennten sich ihre Wege. Während der verletzte Räuber in der Nähe des Tatorts auf die von ihm verständigten Rettungskräfte wartete, suchte sein Komplize das Weite. Zusammen mit den Rettungskräften traf auch eine Streife der Polizei, die nach der Flucht der Kriminellen vom 85-Jährigen verständigt worden war, vor dem Haus ein. Nach der Erstversorgung wurde der Räuber – ein 27-jähriger Albaner ohne festen Wohnsitz – verhaftet und ins Krankenhaus gebracht, wo seine leichte Halsverletzung behandelt wurde.

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Die Flucht seines „Kollegen“ dauerte nur wenige Stunden. Bereits am Sonntagmorgen konnte er in einer Wohnung aufgespürt werden. Bei ihm handelt es sich um einen 26-jährigen, mehrfach vorbestraften obdachlosen Albaner, der schon vor drei Jahren des Landes verwiesen worden war. Er wurde wegen schweren Raubes und wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen und ins Gefängnis überstellt.

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„Es war nichts Heldenhaftes dabei. In diesem Moment dachte ich an mein Enkelkind, der uns normalerweise samstags besuchen kommt. Ich dachte auch an meine Frau, die zum Glück im anderen Stockwerk war. Vielleicht hätten sie sie verprügelt. Was hätte ich getan, wenn mein Enkel hier gewesen wäre? Welchen Schock hätte er erlitten? Es war schockierend, ja“, lässt der pensionierte Maresciallo der Finanzwache gegenüber dem Corriere della Sera und dem Nachrichtensender Tgcom24 diesen Samstagabend Revue passieren.

APA/APA (dpa)/Daniel Maurer

Um den Tathergang besser rekonstruieren zu können, wurde Domenico Scarcella zur Vernehmung ins Kommissariat bestellt. Derzeit wird geprüft, ob sein Handeln noch als Notwehr gelten kann. Wie bei vergangenen ähnlich gelagerten Fällen dürfte auch dieser während eines Raubversuchs in einem Haus gefallene Schuss, der einen Räuber am Hals verletzte, für viel Gesprächsstoff sorgen.

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