Von: ka
Florenz – Italiens Tourismus wird von der Corona-Pandemie besonders hart getroffen. Dies wird an kaum einem anderen Ort so deutlich wie in der weltberühmten Kulturstadt Florenz. Die Stadt der Medici, deren historisches Zentrum bis vor drei Monaten von Touristen regelrecht überschwemmt wurde, sieht sich heute gezwungen, aus Spargründen die nächtliche Beleuchtung auszuschalten. Allerdings ist dies nur ein sichtbares Zeichen dafür, dass viele Florentiner, die bis Anfang März in den Bars, Restaurants, Hotels und in den Werkstätten beschäftigt waren, heute vor dem Nichts stehen.
Florenz zieht jedes Jahr Millionen von Touristen an – die fehlen dieses Jahr bisher – und die Stadt steht vor dem finanziellen Aus. @firenzeturismo #kulturnachrichten https://t.co/P9gf6j14zK
— WDR 3 (@wdr3) May 13, 2020
Kaum eine andere italienische Stadt lebt so sehr vom Tourismus wie Florenz. Im Jahr 2018 zählte die Stadt der Medici rund 23 Millionen Besucher, die einen Umsatz von fast vier Milliarden Euro erzeugten. Die Gäste, die im Schnitt täglich 136 Euro ausgaben, hielten mit ihrem Geld ganze Wirtschaftszweige am Laufen. Praktisch das ganze Jahr über waren die Museen, die Sehenswürdigkeiten und die Gassen und Plätze der Altstadt voller Touristenmassen. Zur Mittagszeit und am Abend sorgten die Besucher dafür, dass alle Restaurants, Hotels und Bars voller Menschen waren, sodass überall die Kassen klingelten.
Fase 2: manifestazione ambulanti a mercato S.Lorenzo Firenze. Per sensibilizzare su crisi commercio, 'siamo a soglia povertà' #ANSA https://t.co/f6P4vRDEtw
— Ansa Toscana (@AnsaToscana) May 13, 2020
Mit der Schließung der Grenzen, der Einstellung der Flüge und dem Lockdown sanken die Ankünfte auf einen Wert nahe null. Heute sind die Straßen und Plätze, die Kirchen und Museen sowie alle Gaststätten, die früher von Gästen überquollen, vollkommen verwaist. Zu den manchmal einzigen Menschen, die unterwegs sind, gehören die Mitarbeiter eines Desinfektionsunternehmens.
Il fallimento di un modello di città fondato sul turismo di massa e sul mettere sempre cittadini e studenti all'ultimo posto ––– Firenze sul lastrico, musei restano chiusi. L’appello del sindaco Nardella e dell’assessore Sacchi https://t.co/e3lpUYkp8l di @Artribune
— vanni santoni (@vannisantoni) May 13, 2020
Allein durch die verlorenen Einnahmen aus der Kurtaxe verliert die Stadtgemeinde täglich fast zehn Millionen Euro, mit der Folge, dass nach zwei Monaten Lockdown die früher gut gefüllten Gemeindekassen leer sind. Laut Angaben des Bürgermeisters von Florenz, Dario Nardella, beträgt heute der Fehlbetrag 200 Millionen Euro. Aufgrund der besorgniserregenden finanziellen Lage denkt Dario Nardella darüber nach, die Straßen und Plätze der weltberühmten Stadt nachts nicht mehr zu beleuchten.
Pubblicato da Dario Nardella su Lunedì 13 aprile 2020
„In Florenz gehen die Lichter aus“, so der Kommentar eines Florentiners, der dabei aber nicht nur die nächtliche Stadtbeleuchtung meint. „Wer vom Tourismus lebt, riskiert, durch den Tourismus zu sterben“, so das verzweifelte Motto vieler Florentiner, die bis vor kaum mehr als zwei Monaten im Tourismussektor ein gutes Auskommen fanden.
Im historischen Zentrum stellten laut Angaben des Handwerkerverbandes „Confartigianato Firenze“ mehr als 80 Prozent der Handwerksbetriebe und über 90 Prozent der Gastlokale ihre Angestellten in die Lohnausgleichskasse. Insgesamt sollen über 7.000 Beschäftigte von diesen Maßnahmen betroffen sein. Der gleichen Quelle zufolge wurden rund 30 Prozent der Angestelltenverträge nicht mehr erneuert. Viele Kleinbetriebe und Werkstätten, die bisher von Besuchern gerne erstandenes, teures Kunsthandwerk produziert hatten, kündigten gleich wie eine Vielzahl von Bars, Restaurants und Boutiquen an, dass sie auch nach der Aufhebung des Lockdowns nicht mehr öffnen werden. In Florenz ist die Befürchtung groß, dass gerade besonders traditionsreiche Betriebe wie Gold- und Silberschmiede oder Mosaikleger für immer ihre Tore schließen könnten.
Pubblicato da Dario Nardella su Domenica 12 aprile 2020
Hinter diesen Zahlen und Statistiken verbergen sich viele traurige Einzelschicksale und verlorene Lebensträume. „Ich kann nur dank der Rente meiner alten Mutter überleben. Ich verdiene 1.300 Euro und mir stünden eigentlich 700 Euro aus der Lohnausgleichskasse zu. Ich habe aber noch keinen Euro gesehen. Da ich die Miete in Florenz nicht mehr bezahlen kann, bin ich zu meiner Mutter nach Livorno gezogen“, so ein Florentiner Hotelangestellter.
„Ich müsste 600 Euro als Lohnausgleich erhalten, habe aber noch keinen Euro bekommen. Ich habe mit meiner Verlobten zur Miete gewohnt. Da sie wir uns nicht mehr leisten können, bin ich zu meinen Eltern zurückgekehrt. Ohne ihnen wüsste ich nicht, wie es weitergehen sollte“, erklärt ein Kellner. „Meine Tochter studiert in England. Weil ich nicht mehr die Universität bezahlen kann, ist sie zu mir zurückgekehrt. Der Lohnausgleich ist bei mir nie angekommen. Das einzige, was ich erhalten habe, ist die Wohnungskündigung“, schildert eine Kellnerin ihre hoffnungslose Lage.
Andere Leute, wie der Inhaber eines traditionsreichen Uhrengeschäfts, kann aus Angst, aus Geldmangel seinen Laden schließen zu müssen, nachts nicht mehr schlafen. Kommt Florenz in der Phase zwei nicht bald in den Tritt, droht ein großes Laden- und Betriebssterben, wobei Tausende von Menschen ihre Arbeit verlieren werden.
Den politischen Verantwortlichen graut es vor einer Krise, die sich schnell zu einer sozialen Bombe entwickeln könnte. In Florenz drohen wahrlich viele Lichter auszugehen. Vergangene harte Zeiten lehren aber auch, dass die Florentiner zusammenhalten und hart im Nehmen sind.
Il cammino è lungo, ma insieme ce la faremo. Viva Fiorenza! #RinasceFirenze
Pubblicato da Dario Nardella su Lunedì 4 maggio 2020