Von: Ivd
In wenigen Wochen soll das erste exterritoriale Flüchtlingslager der EU eröffnet werden: ein von Italien geführtes Lager auf albanischem Boden. Die Vereinbarung zwischen Italien und Albanien sieht vor, dass Flüchtende, die von der italienischen Küstenwache in internationalen Gewässern aufgegriffen werden und geringe Chancen auf Asyl haben, nach Albanien gebracht werden. Dort soll ein Aufnahmelager mit Platz für etwa 3.000 Menschen entstehen. Sollte der Asylantrag abgelehnt werden, lassen sich die Flüchtenden von dort leichter abschieben.
Gegner des Vorhabens kritisieren die mangelnde Transparenz in den Anstalten. Die sogenannten CPRs („Centri di Permanenza per il Rimpatrio“, deutsch: Aufenthaltszentren für die Rückführung) sind privat geführte Unternehmen, die im Auftrag der italienischen Regierung agieren und keinen menschenrechtlichen oder medizinischen Standard unterliegen, da es sich formal nicht um Gefängnisse handelt. Berichte aus den CPRs in Italien zeigen bereits heute teils katastrophale Zustände. Kritiker befürchten, dass sich die Zustände mit dem Standort Albanien noch verschlechtern würden.
Menschen können in den Einrichtungen bis zu 18 Monate festgehalten werden. Die Zustände könnten Ausbrüche oder Suizidversuche provozieren, befürchten Kritiker. Kontakt von außen durch die Familie oder einen Rechtsbeistand ist maximal per Telefon möglich und zeitlich stark beschränkt. Außerdem ist unklar, wie die Aufnahme-Chancen der Flüchtenden auf hoher See zuverlässig eingeschätzt werden sollen. Im Abkommen der beiden Regierungschefs der Länder sind laut ARD menschenrechtliche Standards nicht näher thematisiert.
Ungeklärt ist auch, wie viel der Bau letzten Endes kosten wird: Anhänger von Meloni sprechen von 650 Millionen Euro, während die Opposition von bis zu einer Milliarde Euro ausgeht. Dazu kommen alle laufenden Kosten und eine Art Kaution von 37 Millionen Euro für den Fall, dass Italien seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Aktuell wird die Unterkunft unter strenger Geheimhaltung auf einem alten Militärgelände nahe der Stadt Shengjin errichtet. Geplante Fertigstellung ist der 20. Mai. Nach aktuellem Baustand gilt das als unwahrscheinlich.
Das Projekt verdeutlicht erneut, welche Mittel die Regierung Italiens bereit ist zu ergreifen, um ideologische Ziele zu erreichen. Ein Flüchtlingslager außerhalb der EU-Grenzen zu errichten, setzt den Umschiffungskurs von EU-Richtlinien der Regierung fort und gleicht einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen EU und Meloni. Gleichzeitig müssen sich die EU und deren Mitgliedsstaaten den Vorwurf gefallen lassen, Italien im Umgang mit den gestrandeten Flüchtlinge allein zu lassen.