Von: idr
Treviso – In Italien formiert sich eine Gruppe von Leidtragenden der Maßnahmen gegen Drogenkonsum der Meloni-Regierung, insbesondere Cannabis- und Nutzhanf-Befürworter. Fälle von Konsumenten, die Tage zuvor einen Joint geraucht haben und allein deshalb die Schuld für einen Verkehrsunfall zugesprochen bekommen und CBD-Händler, die nach dem jüngsten Regierungsentscheid ohne Zukunftsperspektive dastehen, häufen sich und unterstreichen die Schattenseiten dieser Politik.
Keine Unschuld für Kiffer
Ein 35-Jähriger war auf einer Vorfahrtsstraße in Treviso unterwegs, als ein Auto vor ihm einscherte und ihm die Vorfahrt nahm. Die Folge: Es krachte zwischen beiden Fahrzeugen. Auch wenn bei dem Unfall niemand verletzt wurde, sollte er nicht ohne Folgen bleiben. Als beide Beteiligten auf Alkohol und andere Drogen kontrolliert wurden, stellten die Beamten bei dem schuldlosen 35-Jährigen eine geringe Menge Cannabis-Abbauprodukte fest. Er gab an, vor einer Woche einen Joint geraucht zu haben, unwissentlich, dass er damit sein Urteil besiegelte: Der Führerschein war weg und die Schuld bekam er zugesprochen.
Nach der überarbeiteten Straßenverkehrsordnung von Verkehrsminister Matteo Salvini sind selbst Stoffe, die beim Abbau von Cannabis-Wirkstoffen wie Tetrahydrocannabinol (THC) entstehen, Grund genug, dem Fahrer seinen Führerschein zu entziehen – und zwar bis zu drei Jahre. Auch wenn der Konsum selbst legal ist, in diesem Fall eine angemessene Zeitspanne zwischen Konsum und Fahren liegt und die Abbauprodukte keine psychoaktive Wirkung hervorrufen, macht Salvini keinen Unterschied: Ein Kiffer bleibt ein Kiffer und hat immer Schuld.
Anwalt beklagt Verfassungswidrigkeit
Bei Fabio Amadio, dem Anwalt des 35-Jährigen, rief dieser Vorfall Empörung hervor. „Ich werde eine Verfassungsbeschwerde einreichen“, kritisiert Amadio und bemängelt, dass die Vorschrift unlogisch sei: „Eine Person kann Tage zuvor Drogen konsumiert haben und beim Fahren völlig nüchtern sein. Es fehlt der direkte Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. Und im Gegensatz zu Alkohol gibt es keinen festgelegten Grenzwert, der eine Toleranzschwelle definieren würde.“
CBD-Shop-Betreibern droht das Aus
Auch Betreiber sogenannter CBD-Stores mussten kürzlich eine Schlappe hinnehmen: Die Regierung hat per Dekret festgelegt, dass Besitz, Verkauf und Verarbeiten von CBD-Produkten in Zukunft illegal sind. Cannabidiol (CBD) wirkt anders als THC nicht psychoaktiv und hat lediglich beruhigende und schmerzlindernde Effekte. Häufig wird es Schmerzpatienten oder Patienten mit psychischen Leiden als Alternative zu chemisch hergestellten Medikamenten in Blüten- oder Tropfenform empfohlen. Der Anbau und Verkauf von CBD ist in der EU bislang gut kontrolliert und reguliert.
Viele Store-Betreiber, die bis jetzt noch ein legales Geschäft betreiben, sehen sich nun vor dem Abgrund. Auch wenn sich der Kurs unter der Meloni-Koalition dahingehend abzeichnete, ist ein derartig drastischer Schritt trotzdem überraschend. Meloni unterstrich in dem Dekret die „Notwendigkeit und Dringlichkeit“ bei der Bekämpfung von Cannabiskonsum. Bis jetzt ist das Gesetz jedoch nicht endgültig in Kraft getreten. Fraglich ist auch, ob der Beschluss dem EU-Binnenwirtschaftsrecht standhält.
Melonis Solo-Kurs
Die italienische Regierung stemmt sich mit aller Härte gegen Cannabis, doch der Preis dafür ist hoch: Rechtsstaat, Wirtschaft und persönliche Schicksale geraten zunehmend unter Druck. Ob das politisch tragfähig ist, bleibt abzuwarten. Ihr Kurs ist jedem Fall konträr zu vielen befreundeten Partnern: In mehr als der Hälfte der US-Bundesstaaten ist Cannabis zum Freizeitgebrauch legalisiert, ebenso wie in Kanada. Auch in Spanien, Tschechien, Portugal und in den Niederlanden gibt es zumindest Teillegalisierung oder Duldung von Cannabis.
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