Präsident Liguriens schlägt Lockdown für über 70-Jährige vor

Kontrovers: “Ältere für das Wirtschaftsleben nicht relevant”

Montag, 02. November 2020 | 08:05 Uhr

Von: ka

Genua – Ein Tweet, in dem der Präsident der Region Ligurien, Giovanni Toti, ältere Mitbürger als „nicht relevant für das Wirtschaftsleben“ bezeichnete und für sie „Einschränkungen der Bewegungsfreiheit“ vorschlug, löste in der italienischen Öffentlichkeit einen Sturm der Entrüstung aus.

Twitter/Giovanni Toti

Später teilte Giovanni Toti mit, dass er „missverstanden worden sei“, und goss seinen Gesamtvorschlag, wie aus seiner Sicht das Leben älterer Menschen und zugleich die Wirtschaft gerettet werden könnten, in einen längeren Facebook-Beitrag. Dieser wird seit seinem Erscheinen in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert.

„So sehr uns jedes einzelne Opfer von Covid-19 auch schmerzt, so müssen wir mit Blick auf diese Zahlen doch berücksichtigen, dass 22 von 25 Todesopfern in Ligurien ältere Menschen waren. Bei diesen Personen handelte es sich zumeist um Rentner, die für das Wirtschaftsleben des Landes nicht mehr relevant sind, die jedoch geschützt werden müssen“, so der Präsident der Region Ligurien, Giovanni Toti, auf Twitter, der mit seinem Vorschlag in die Debatte zwischen den Regionen und dem Staat um weitere Corona-Einschränkungen eingriff.

Facebook/Francesco Toti

Der Tweet löste in den sozialen Netzwerken einen gewaltigen Shitstorm aus. In den noch freundlicheren Wortmeldungen forderten Nutzer und Kommentatoren Giovanni Toti dazu auf, sich zu schämen und von seinem Amt zurückzutreten. In den weniger freundlichen Antworten wurde der Präsident der Region Ligurien beschuldigt, einem „spartanischen Gesellschaftsmodell, das sich schwächerer und unnützer Menschen entledigt“, anzuhängen.

ANSA/MATTEO CORNER

Später teilte Giovanni Toti mit, dass er „missverstanden worden sei“. Er veröffentlichte auf seiner Facebook-Seite einen Gesamtvorschlag, wie aus seiner Sicht das Leben älterer Menschen und zugleich die Wirtschaft gerettet werden könnten.

„Es sind gerade die älteren Menschen, die von der Coronaepidemie am meisten betroffen sind und daher auch am meisten geschützt werden müssen. Bei diesen Personen handelt es sich zumeist um Rentner, die für das Wirtschaftsleben des Landes nicht mehr relevant sind. Da sie aber gesundheitlich schwach sind, müssen sie in besonderem Maße geschützt werden. Warum wird bei diesen Menschen nicht eingegriffen? Durch besseren Schutz unserer älteren Menschen würden der Druck auf die Krankenhäuser und die Anzahl der Todesfälle geringer werden. Es wäre verrückt, so viele Italiener, für die Covid-19 normalerweise recht milde verläuft, in ihren Häusern einzuschließen, das Wirtschaftsleben des Landes sowie die Zukunft der jungen Leute zu blockieren sowie die Schulen zu schließen, ohne Eingriffe, die diejenigen betreffen, die wirklich einem hohen Risiko ausgesetzt sind, in Betracht zu ziehen. Hoffen wir, dass dies mit Weisheit anstatt mit Demagogie bedacht wird“, so Giovanni Toti, der im Kern von seinem Vorschlag nicht abrückt, auf seiner Facebook-Seite.

Seit seinem Erscheinen wird der Facebook-Beitrag des Präsidenten der Region Ligurien, der mit seinem Vorschlag in die Debatte zwischen den Regionen und dem Staat um weitere Corona-Einschränkungen eingriff, in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Totis Vorschlag dürfte auch beim Kräftemessen zwischen dem Staat, der von den Regionen die Ausweisung von „roten Zonen“ verlangt, und den Regionen, die einen landesweiten Lockdown bevorzugen, eine Rolle spielen.

APA/APA (ANSA/POOL)/ANGELO CARCONI

Böse Zungen beschuldigen hingegen die Regionen, unter dem Einfluss der Lobbys der Wirtschaftstreibenden zu stehen und in den letzten Monaten zu wenige Vorbereitungen für die zweite Corona-Welle getroffen zu haben. Ihre Versuche, sich gegen die von der Regierung geforderten lokalen Einschränkungen zu wehren und die Regierung Conte zu einem für ganz Italien geltenden Lockdown zu bewegen – so diese Stimmen – seien nichts anderes als Versuche, sich ihrer Verantwortung zu entledigen und von den eigenen Versäumnissen abzulenken. In diesem Lichte sei auch der Tweet des Präsidenten der Region Ligurien zu betrachten.

Ob der Vorschlag von Giovanni Toti, die Bewegungsfreiheit von über 70-Jährigen einzuschränken, jemals Eingang in die Beschlüsse der Regierung finden wird, steht in den Sternen. Laut letzten Information könnten in das nächste, für Dienstag erwartete Dekret des Präsidenten des Ministerrates neben der Vorverlegung der Ausgangssperre um 18.00 Uhr aber auch Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für über 70-Jährige einfließen.