17 Jahre für den Juwelier, der die Räuber erschossen hat – VIDEO

Kontroverses Urteil: „Das ist Wahnsinn, es lebe das Verbrechen“

Dienstag, 05. Dezember 2023 | 08:14 Uhr

Von: ka

Grinzane Cavour/Asti – Ein Urteil des Schwurgerichts von Asti sorgt in ganz Italien für heftige Diskussionen. Weil er vor zweieinhalb Jahren während eines Raubüberfalls auf sein Juweliergeschäft in Grinzane Cavour zwei Räuber erschossen und einen dritten schwer verletzt hatte, wurde der 68-jährige Mario Roggero wegen vorsätzlichen Doppelmordes, versuchten Mordes und unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Haftstrafe von 17 Jahren verurteilt.

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Angeklagte nicht in Notwehr gehandelt, sondern die flüchtenden Räuber verfolgt und auf sie geschossen hatte. Mario Roggero sieht das vollkommen anders. „Das ist Wahnsinn, es lebe das Verbrechen und die Kriminalität. Kein gutes Signal für Italien!“, so die Stellungnahme des Juweliers nach der Urteilsverkündung.

ANSA/ALESSANDRO DI MARCO/Facebook/Mario Roggero

Mario Roggero versuchte während des Prozesses vergeblich, seiner Version des Tathergangs, dass er an diesem fatalen Tag vor zweieinhalb Jahren in Notwehr gehandelt habe, Glaubwürdigkeit zu verleihen. Durch die Aufnahmen mehrerer Überwachungskameras, in denen zu sehen ist, wie Mario Roggero die Räuber nach dem Überfall verfolgt und auf sie schießt, geriet aber seine Darstellung, dass er nur die Wahl zwischen seinem und ihrem Leben gehabt hätte, gehörig ins Wanken. Die Videos ließen es zu, den Ablauf der am Mittwochabend, dem 28. April 2021 ab 17.35 Uhr stattgefundenen Ereignisse recht genau zu rekonstruieren.

ANSA/ ALESSANDRO DI MARCO

In den Bildern ist zu sehen, wie die drei Räuber – der 58-jährige Giuseppe Mazzarino aus Turin, der 45-jährige Andrea Spinelli aus Bra und der 34-jährige Alessandro Modica aus Alba – in einem weißen Ford Fiesta ankommen und ihr Fahrzeug in einer Gasse hinter dem Juweliergeschäft „Roggero“ abstellen.

YouTube/TargatoCn

Der erste Räuber, der das Juweliergeschäft betritt, ist Andrea Spinelli. Der Kriminelle, der sich als Kunde ausgibt, wird von der Tochter des Inhabers bedient. Während ihre Mutter hinter dem zweiten Tresen steht, arbeitet Mario Roggero in der Werkstatt, die sich im hinteren Teil des Geschäfts befindet. Ein paar Minuten später kommt der zweite Täter, Giuseppe Mazzarino, durch die Sicherheitstür. Dieser zieht sofort ein Messer und bedroht damit die beiden Frauen.

Im selben Moment holt Spinelli eine mit Klebeband zusammengehaltene Spielzeugpistole hervor, bedroht mit ihr die Tochter von Mario Roggero und zwingt sie dazu, sich von ihm die Hände mit Plastikbändern, wie sie von Elektrikern verwendet werden, fesseln zu lassen. Die junge Frau versucht noch, mit dem Fuß das Alarmpedal zu betätigen, aber der Anruf bei der Polizei bleibt aus.

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Anschließend suchen die beiden Räuber, die die beiden Frauen mit sich führen, den hinteren Teil des Geschäfts auf. Im Video ist zu erkennen, wie es zwischen Mario Roggero und den Kriminellen zu einer Diskussion kommt. Zugleich verlässt der dritte Räuber das Auto, um die „Arbeit“ seiner Kollegen zu unterstützen. Kurz bevor die Räuber samt der Beute die Goldschmiede durch den Hinterausgang verlassen, gelingt es dem Inhaber während eines kurzen unbeobachteten Moments, den Revolver, den er in der Schublade unter der Kasse aufbewahrt, aber für den er keinen gültigen Waffenpass mehr besitzt, in seine Hände zu bekommen.

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Die Bilder zeigen, wie die drei Männer aus dem hinteren Teil des Ladens kommen und auf das Auto zugehen. Mit dem Revolver in der Hand verfolgt Roggero die drei Räuber und holt sie just in jenem Moment ein, als sie in den Fiesta einsteigen und flüchten wollen. Er zielt mit der Waffe auf die Räuber und feuert innerhalb kürzester Zeit alle fünf Kugeln ab. Von einem tödlichen Schuss in die Brust getroffen, bricht Giuseppe Mazzarino als erster der Räuber tot auf der Straße zusammen. Von einer Kugel im Rücken schwer verletzt, versucht Andrea Spinelli noch zu entkommen, fällt aber wenige Meter weiter ebenfalls auf den Boden.

ANSA/ALESSANDRO DI MARCO

Roggero läuft ihm hinterher, holt ihn ein und tritt dem bereits im Sterben liegenden Spinelli mehrmals gegen den Kopf. Vergeblich trachtet der Räuber noch danach, dem Juwelier die Waffe zu entreißen, bricht aber wenige Sekunden später mitten auf der Straße zusammen und verblutet. Eine Kugel trifft auch Alessandro Modica und verletzt ihn am Bein. Als einzigem des kriminellen Trios gelingt es ihm aber, zu fliehen und den Raubüberfall zu überleben.

Facebook/Mario Roggero

Das Video, das während der Gerichtsverhandlung gezeigt wurde, brachte Mario Roggero schwer in Bedrängnis. Zudem hätte der Inhaber des Juweliergeschäfts „Roggero“ die Geschäftslokale nicht mit seiner Waffe, einem Revolver Smith & Wesson 37 Special, verlassen dürfen.

Nach den Plädoyers der Anklage und der Verteidigung zog sich das Gericht für zweieinhalb Stunden zur Beratung zurück. Zum Entsetzen von Mario Roggero folgte das Schwurgericht nicht nur den Darlegungen des Staatsanwalts Davide Greco, sondern erhöhte sogar die Haftstrafe von den beantragten 14 auf 17 Jahre.

Dem Angeklagten wurden nur die allgemeinen mildernden Umstände und die Tatsache, nach einer Provokation gehandelt zu haben, zugestanden. Zudem sprach das Gericht den Familien der Opfer einen vorläufigen Schadenersatz von 460.000 Euro zu.

Für Mario Roggero, der bereits im Jahr 2015 Opfer eines gewalttätigen Überfalls geworden war, bei dem zwei Räuber ihn verprügelt und die Nasenscheidewand gebrochen hatten, ist das Urteil ein Schock. „Das ist Wahnsinn, es lebe das Verbrechen und die Kriminalität. Kein gutes Signal für Italien!“, so die Stellungnahme des Juweliers nach der Urteilsverkündung. „Ich fühle mich völlig wehrlos. Obwohl ich seit 50 Jahren arbeite und Steuern zahle, tut der Staat nichts, um einen normalen Bürger zu schützen“, antwortet Mario Roggero auf die Frage, was er angesichts des Urteils empfinde.

Nessun pentimento per il gioielliere Mario Roggero, condannato a 17 anni per aver ucciso due dei tre rapinatori che avevano dato l’assalto al suo negozio e per il ferimento di terzo: “Non c'era alternativa”

Posted by Targatocn.it on Monday, December 4, 2023

 

Das Urteil löste heftige Diskussionen aus. Während einige Stimmen das Urteil loben und betonen, dass Italien zum Glück noch kein Land sei, in dem Selbstjustiz geübt werden könne, solidarisieren sich viele andere mit dem 68-jährigen Juwelier. Zu Letzteren gehört auch der stellvertretende Ministerpräsident Matteo Salvini. „Volle Solidarität mit einem 68-jährigen Mann, der nach einem Leben voller Engagement und Aufopferung sein Leben und seine Arbeit verteidigt hat. Diejenigen, die das Gefängnis verdienen, sollten andere sein, echte Kriminelle, nicht Leute wie Mario“, so Matteo Salvini.