Gegen fünf hohe Offiziere Hauptverfahren eröffnet

Krimi um Betrug mit gepanzerten Fahrzeugen

Sonntag, 23. April 2017 | 08:19 Uhr

Von: ka

Bozen/Rom/Kabul – Die Betrugsaffäre um die Anmietung gepanzerter Fahrzeuge durch das italienische Kontingent in Kabul führte am Donnerstag zur Eröffnung des Hauptverfahrens gegen fünf hohe italienische Offiziere durch die Militärstaatsanwaltschaft.

Die Militärgerichtsbarkeit will mit dem wegen „mehrfachen erschwerten Betrugs“ in die Wege geleitetem Verfahren endlich Licht in jene dubiosen Mietgeschäfte bringen, die im Zeitraum von Juni 2009 und Juli 2010 zwischen mehreren Offizieren der italienischen Militärmission Italfor und dem undurchsichtigen afghanischen Geschäftsmann Alì Mohammad Bafaiz getätigt worden waren.

In der Liste der Offiziere, gegen die ermittelt wird, befand sich auch der Name von Antonio Muscogiuri, ein 50-jähriger Oberst der Alpini, der im Jahr 2010 Kommandant der Italfor in Kabul gewesen war. Aber der hohe Offizier wurde am 6. April 2017 – SüdtirolNews berichtete: https://www.suedtirolnews.it/chronik/alpini-oberst-tot-in-bozner-buero – tot in seinem Büro in der Kommandozentrale der Alpinitruppen in Bozen aufgefunden. Es war leider nicht der erste Tod ohne Fremdverschulden in der Affäre.

lpa – Symbolbild

Am 25. Juli 2010 beging der 37-jährige Hauptmann Marco Callegaro in seiner Unterkunft in Kabul angeblich Selbstmord. Die Angehörigen des verheirateten zweifachen Familienvaters, der im afghanischen Herat beim örtlichen italienischen Truppenkommando für die Verwaltung der Finanzmittel verantwortlich gewesen war, glaubten nie an einem Selbstmord und behaupten, dass der 37-Jährige „von seinen Vorgesetzten unter Druck gesetzt worden wäre und etwas gefunden hätte, was er nicht hätte finden dürfen“. Die Ermittler fanden damals keine Anzeichen für Fremdverschulden, aber die Untersuchung kam ins Rollen.

Im Juni 2009 schloss das italienische Truppenkommando von Herat mit der afghanischen Firma „Ali Mohammad Bafaiz Trading“ einen Mietvertrag für drei gepanzerte Fahrzeuge, mit denen Generäle transportiert werden sollten, ab. Der Vorgesetzte von Hauptmann Marco Callegaro, Oberst Antonio Muscogiuri, stellte aber fest, dass die Urkunde, welche den Grad der Panzerung bescheinigte, gefälscht war, und die drei Fahrzeuge in Wirklichkeit nicht wie vorgeschrieben gegen Bombenattentate, sondern nur gegen Überfälle mit Schusswaffen gepanzert waren. Im Mai 2010 hielt Antonio Muscogiuri diese Abweichung von den Vertragsbedingungen schriftlich fest. Zudem wurde einer der beteiligten Offiziere darüber informiert, dass die Firma auf einer „schwarzen Liste“ eingetragen war, weil ihr Inhaber – Alì Mohammad Bafaiz – als nicht vertrauenswürdig galt.

An diesem Punkt hätte eigentlich der Vertrag aufgelöst werden müssen, aber genau dies geschah nicht. Ganz im Gegenteil. Nur einen Monat später schrieb Oberst Antonio Muscogiuri dem Truppenkommando von Herat, keine Streitsache eröffnen zu wollen. Er bestätigte mit mehreren Protokollen der technischen Abnahmen die vertragliche Richtigkeit der Panzerung der Fahrzeuge. Wie vorher vertraglich festgelegt erhielt die afghanische Firma 97.290 Euro.

Die Militärstaatsanwaltschaft ist aber anderer Ansicht und geht von Betrug aus. Laut ihr erhielt Alì Mohammad Bafaiz allein bei diesem Mietgeschäft 35.364 Euro zu viel. Alles in allem vermietete die afghanische Firma „Ali Mohammad Bafaiz Trading“ 66 Fahrzeuge für die Summe von insgesamt 6,3 Millionen Euro an die Italfor. Als die Militärgerichtsbarkeit bei der Italfor in Kabul aber die entsprechenden Unterlagen anforderte, teilte man den Richtern mit, dass sie nicht mehr auffindbar seien.

Twitter-/esercito

Auf die Fragen, warum dem windigen afghanischen Geschäftsmann Ali Mohammad Bafaiz und seiner Firma dennoch vertraut worden war und die Fälschung der technischen Abnahmen gedeckt worden waren, erhielten die Militärrichter von den beschuldigten Offizieren bisher kaum zufriedenstellende Antworten. Die Richter glauben nicht, dass die Angeklagten Schmiergelder kassiert hätten. Die ermittelnde Militärstaatsanwaltschaft geht eher davon aus, dass die angeklagten Offiziere einen „Befehl von oben“ erhalten und befolgt hätten, Alì Mohammad Bafaiz in Ruhe zu lassen. Der Grund ist noch nicht ersichtlich, aber es gibt laut dem italienischen Geheimdienst Hinweise, dass Bafaiz über Verbindungen zu den Taliban verfügt hätte. Welche genaue Rolle spielte Alì Mohammad Bafaiz, der sich auf seiner Facebook-Seite gerne mit Geld und Waffen abbilden ließ, vor sieben Jahren?

Die italienische Öffentlichkeit und die Angehörigen von Callegaro und Muscogiuri warten gespannt auf den Prozess, der Aufklärung in eine Affäre bringen soll, die alle Zutaten eines Krimis enthält: Ein mysteriöser afghanischer Geschäftsmann, dem Verbindungen zu den Taliban nachgesagt werden, und der für 6,3 Millionen Euro Geschäfte mit dem italienischen Heer getätigt hatte, 66 Fahrzeuge, die nicht wie im Vertrag vorgesehen war, gepanzert waren, gefälschte technische Abnahmen, eine unbekannte Hand, die die meisten Unterlagen vernichtet hatte und – besonders traurig – zwei in die Affäre verwickelte Offiziere, die sich das Leben genommen haben.