Von: ka
Rom/Florenz/Neapel/Bologna – Angesichts der Tatsache, dass in Italien bereits 640.000 Wohnungen und Häuser kurzzeitig an Touristen vermietet werden, beginnen immer mehr Italiener, sich dagegen zu wehren.
Kritiker, die meinen, dass es sich bei den Kurzzeitvermietungen um einen Ausverkauf der Heimat handle und sie verantwortlich für die Mietsteigerungen in den Städten seien, fordern die Verantwortlichen dazu auf, sich für eine Einschränkung der touristischen Wohnungsvermietung einzusetzen. Unterdes nehmen die Proteste zu. Während in Florenz Aktivisten der Bewegung „Salviamo Firenze“ (Rettet Florenz, Anmerkung der Redaktion) Hunderte von Schlüsselkästchen mit rotem Klebestreifen zuklebten, gingen in Rom radikale Gegner der Kurzzeitvermietungen dazu über, Schlüsselkästchen zu beschädigen und abzumontieren. Viele Stadtgemeinden versuchen, Airbnb und Co einen Riegel vorzuschieben, aber eine endgültige gesetzliche Regelung steht noch aus.
In der Nacht vom Freitag auf den Samstag zogen mehr als ein Dutzend Aktivisten des Bürgerkomitees „Salviamo Firenze“ aus, um Hunderte von Airbnb-Schlüsselkästchen, mit denen sich die Kunden ohne Beisein des Vermieters Zugang zu den Wohnungen verschaffen können, kreuzförmig mit rotem Klebeband mit der Aufschrift „Salviamo Firenze per viverci“ (Rettet Florenz, um darin zu leben, Anmerkung der Redaktion) zuzukleben. Ziel der aufsehenerregenden Klebeaktion, bei der die Schlüsselkästchen selbst jedoch nicht beschädigt wurden, war, gegen die touristische Airbnb-Wohnungsvermietung in der Florentiner Altstadt zu protestieren.
Wie die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichtet, nimmt hingegen in Rom der Protest gegen Airbnb und Co bereits kriminelle Formen an. Radikale Aktivisten der Bewegung gegen die Kurzzeitvermietungen entfernten im Zentrum der Ewigen Stadt mehrere Schlüsselkästchen von den Hauswänden und ließen an ihrer Stelle einen grünen Hut in Robin Hood-Stil und ein Flugblatt zurück.
„Wenn du das Schlüsselkästchen suchst und es nicht finden kannst, lies unten!“, so die anonymen Unterzeichner des Flugblatts. „Wir wehren uns. Wir haben diese Schlüsselkästchen entfernt, um den Ausverkauf Roms an den „Hit-and-Run“-Tourismus anzuprangern, der ihre Bewohner der Stadt entfremdet und sie auf der Straße zurücklässt. In den letzten Jahren sind die Mietpreise stark gestiegen. Die Kurzzeitvermietung nimmt den Familien den Platz weg, um profitablere Wohnungen für Touristen zu schaffen. Helft uns, die Spekulation zu sabotieren, um das Recht auf Wohnen zu verteidigen“, üben die radikalen Gegner harte Kritik.
Auch wenn weniger radikale Aktivisten meistens auf die Entfernung der Schlüsselkästchen verzichteten und sie „nur“ mit einem grünen Hut samt Flugblatt bedeckten, zeigt die immer größer werdende Protestwelle gegen Airbnb und Co dennoch, dass für viele Italiener, die in den größeren Städten und bekannten Touristenorten leben, das Maß längst überschritten ist. Von Florenz und Rom ausgehend schwappt der Protest auf andere italienische Städte über. „Unsere Stadt ist kein Hotel“, steht auf einem Flugblatt, das in Mailand verteilt wurde.
Angesichts der Tatsache, dass in Italien bereits 640.000 Wohnungen und Häuser kurzzeitig an Touristen vermietet werden, und die famosen Airbnb-Schlüsselkästchen in Städten wie Florenz, Mailand, Bologna, Neapel, aber auch in Verona, Turin, Lecce, Como und Genua fast schon zum Straßenbild gehören, ist es kein Wunder, dass sich Widerstand regt. Die Kurzzeitvermietung, mit der die Vermietung einer Wohnung oder eines Hauses für maximal 30 Tage gemeint ist, wird von vielen Einheimischen als Ursache für den Übertourismus angesehen, der die Städte und Dörfer Italiens überschwemmt. Gegner der Kurzzeitvermietungen kritisieren, dass die ungeheure Anzahl von leeren Wohnungen, die auf Online-Plattformen wie Airbnb für nur wenige Tage zur Vermietung angeboten werden, die Entvölkerung der historischen Stadtzentren fördere und die Mieten für Einheimische und Studenten in die Höhe treibe.
In der Tat sind die Zahlen beeindruckend. Während nach Angaben des Ministeriums für Tourismus in ganz Italien 559.450 Unterkünfte registriert sind, zählt die Aigab, der italienische Verband der Verwalter von Kurzzeitunterkünften, insgesamt 640.000 Wohnungen und Häuser, denen rund 2,5 Millionen Betten entsprechen. Dem Verband zufolge gehören 96 Prozent der Unterkünfte einzelnen Eigentümern. Rund 600.000 Familien, für die die Vermietung einer Wohnung für einen kurzen Zeitraum ein zusätzliches Einkommen darstellt, können auf diese Art und Weise ein durchschnittliches Zusatzeinkommen von jährlich 17.000 Euro erwirtschaften.
Der Präsident der Aigab, Marco Celani, kann der Kurzzeitvermietung viel Gutes abgewinnen. „In Italien gibt es 9,6 Millionen ungenutzte Wohnungen. Es handelt sich um Immobilien, die die Eigentümer lieber leer stehen lassen, als sich die Unannehmlichkeiten einer Langzeitvermietung aufzuhalsen. Die Kurzzeitvermietung verleiht diesen Wohnungen zumindest einen Wert“, erklärt Marco Celani.
Die am stärksten betroffenen Stadtgemeinden versuchen, Airbnb und Co einen Riegel vorzuschieben, aber eine endgültige gesetzliche Regelung steht noch aus. Nicht zuletzt, um Schwarzvermietungen zu unterbinden, führte das Ministerium für Tourismus immerhin die Pflicht ein, Wohnungen, die für kurze Zeit vermietet werden, mittels eines Cin, eines nationalen Identifizierungscodes, anzumelden. Bisher wurden bereist 325.005 Cin vergeben.
Italiens Tourismusministerin Daniela Santanché sieht die Proteste mit gemischten Gefühlen. „Das Thema Kurzzeitvermietung ist sehr heikel. Das Privateigentum ist heilig und es fällt mir schwer, den Leuten vorzuschreiben, was sie in ihren eigenen Häusern tun sollen. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass wir uns an einen Tisch setzen und darüber diskutieren sollten“, so Daniela Santanché.
Touristische Kurzzeitvermietungen sind auch in Südtirol umstritten. Die Debatte, inwieweit die touristische Airbnb-Wohnungsvermietung der einheimischen Bevölkerung wertvollen Wohnraum wegnimmt oder Familien ein Zubrot verschafft, wird auch hierzulande heftig geführt.
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