Von: ka
Breuil-Cervinia – Die Umsetzung des Gemeinderatsbeschlusses der Gemeinde Valtournenche, zu der die 700 Seelen zählende Fraktion Breuil-Cervinia gehört, den „faschistischen Ortsnamen“ Cervinia zu streichen und für den bekannten Skiort nur mehr den historischen Ortsnamen Le Breuil zu verwenden, hat in der italienischen Öffentlichkeit viel Staub aufgewirbelt.
Proteste der Einwohner, die von der Entscheidung scheinbar keine Kenntnis hatten, die Kritik vieler politischer Vertreter, aber insbesondere die Aussicht, mit vielen Millionen Euro die weltbekannte Skidestination neu bewerben zu müssen, zwangen die Gemeinde und die autonome Region Aosta zum Zurückrudern.
Alles begann am 28. April dieses Jahres, als der damalige Gemeinderat der Gemeinde Valtournenche, zu der die bekannte Skidestination gehört, dafür gestimmt hatte, den Doppelnamen von „Breuil-Cervinia“ in „Le Breuil“ zu ändern. Mehr als ein halbes Jahr lang hörte man von dieser weitreichenden Entscheidung nichts mehr, aber als bekannt wurde, dass alle Straßenschilder geändert werden und sich alle Einwohner ihre Ausweise neu ausstellen lassen müssen, brach ein Sturm der Entrüstung los.
Einwohner und treue Gäste von Cervinia, von denen im Ort nicht wenige auch eine Zweitwohnung besitzen, lancierten auf der Plattform Change.org mehrere Petitionen, die innerhalb von wenigen Stunden von Tausenden von Personen unterschrieben wurden.
Die Gemeindeväter von Valtournenche, deren Intention es war, den in den 30-ger Jahren des letzten Jahrhunderts entstandenen künstlichen „faschistischen“ Ortsnamen Cervinia – abgeleitet von Monte Cervino, Matterhorn – durch den historischen Ortsnamen Le Breuil, der in der frankoprovenzalischen Sprache sumpfige Hochebene bedeutet, zu ersetzen, waren vom Widerstand überrascht.
Die Protestwelle gegen die Streichung des Namens Cervinia, der im Jahr 1934 für den aus dem Erdboden gestampften Skiort geschaffenen worden war, erreichte auch Rom.
„Cervinia ändert seinen Namen und ich verstehe nicht, warum. Eine so drastische Änderung kann dem Tourismus und dem Image des gesamten Aostatals nur schaden. Denkt noch einmal darüber nach!“, kommentierte die italienische Tourismusministerin Daniela Santanché die Abschaffung von Cervinia. Auch Alessandro Urzì, Fraktionsvorsitzender der Fratelli D’Italia im Verfassungsausschuss der Abgeordnetenkammer, meldete sich zu Wort. Alessandro Urzì sprach mit Blick auf den Gemeinderatsbeschluss von einer „ideologischen Wut, die nur mit dem Willen der Taliban, die historische Identität auszulöschen, vergleichbar ist“.
Es dürfte aber insbesondere die wenig erfreuliche Aussicht sein, die weltbekannte Skidestination mit vielen Millionen Euro neu bewerben zu müssen, die die Verantwortlichen dazu bewegte, ihre bereits gefasste Entscheidung zu überdenken.
Der anerkannte Marketingexperte und Geschäftsführer der Gesellschaft JFC, die dem Observatorium für den italienischen Wintertourismus vorsteht, Massimo Feruzzi, rechnete für die Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore vor, dass Cervinia allein auf dem italienischen Markt über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg mindestens fünf Millionen Euro pro Jahr investieren müsste, um den neuen Namen Le Breuil eine ähnliche Bekanntheit wie Cervinia zu geben.
Da die Italiener nur rund ein Drittel von Cervinias Touristen stellen, müssten die Verantwortlichen von Cervinia viele weitere Millionen Euro in die Hand nehmen, um den Skiort auch im Ausland bekannt zu machen. „Da eine Destination buchstäblich vom Tourismusmarkt verschwinden würde, ist im Tourismus die Änderung der Marke der größte Fehler, den ein Reiseziel machen kann“, so das lapidare Urteil von Massimo Feruzzi.
Am Donnerstag ruderten die Gemeinde und die Region Aosta zurück. Die Bürgermeisterin von Valtournenche, Elisa Cicco, die im April als Gemeinrätin ebenfalls für die Abschaffung Cervinias gestimmt hatte, teilte mit, dass sie in Einvernehmen mit der Regionalverwaltung den Namen erneut ändern wird. Ihrer Aussendung zufolge wurde der entsprechende Antrag bereits gestellt.
Anstatt nur Le Breuil wird der Skiort fortan also wieder den „alten“ Doppelnamen Breuil-Cervinia tragen. „Niemand wollte jemals Cervinia streichen. Alle Bürger wollen den Namen Breuil-Cervinia behalten, auch die ehemalige und die derzeitige Gemeindeverwaltung“, bläst der ehemalige Bürgermeister Jean-Antoine Maquignaz in das gleiche Horn.
Auch in Südtirol, wo ein Teil der Politik seit Langem die Abschaffung der faschistischen Ortsnamensdekrete fordert, wurden die Vorgänge im Aostatal genau verfolgt. Die Tatsache, dass abgesehen von allen rechtlichen Hindernissen eine Namensänderung kaum gegen den Willen der Bevölkerung durchführbar ist und zudem finanziell sehr teuer zu stehen kommen kann, könnte auch hierzulande zum Überdenken der eigenen festgefahrenen Meinung anregen.