„Ein Fünftel der Unter-18-Jährigen mit psychologischen Problemen“ - VIDEO

„‚Long-Covid‘ bei Kindern und Jugendlichen ist Tatsache“

Mittwoch, 21. April 2021 | 07:54 Uhr

Von: ka

Rom – Der Pneumologe und Professor für Pädiatrie, Fabio Midulla hegt keinen Zweifel. Der angesehene Experte und Leiter der pädiatrischen Ersten Hilfe der Poliklinik „Umberto I“ von Rom gelangt nach der Auswertung der Daten eines umfangreichen Follow-ups von minderjährigen Covid-19-Erkrankten zum Schluss, dass rund ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen noch Wochen und Monate nach der „Genesung“ unter psychologischen Problemen leidet.

„Es gibt Kinder, die an Bauch- oder Kopfschmerzen leiden oder über Gelenkschmerzen klagen. Aber es handelt sich dabei nur über Arten, das Erlebte zu ‚somatisieren‘“, so Fabio Midulla.

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Unter den Begriffen „Post Covid-Syndrom“ oder „Long-Covid“ werden neuerdings eine Reihe von Leiden zusammengefasst, die noch Wochen oder gar Monate nach der offiziellen Genesung auftreten können. Im Falle von Minderjährigen liegt der Blickpunkt aber weniger auf Schäden, die die Lungen, das Herz oder das Nervensystem betreffen. Bei Kindern und Jugendlichen sind die Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung vor allem psychischer Natur. Zu diesem Ergebnis kommt der Pneumologe und Professor für Pädiatrie, Fabio Midulla. Der angesehene Experte, der der pädiatrischen Notaufnahme der Poliklinik „Umberto I“ von Rom als Leiter vorsteht, ist Wegbereiter eines umfangreichen Follow-up- und Nachsorgeprojekts für Kinder, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben.

„Vom Februar bis zum heutigen Tag haben wir etwa 150 Patienten im Alter von null bis 18 Jahren, die in den letzten Monaten an Covid-19 erkrankt sind, einer ärztlichen Visite unterzogen. Bei mehr als der Hälfte von ihnen handelt es sich um 14- bis 18-jährige Jugendliche. Von dieser Altersgruppe leiden mindestens 20 Prozent unter psychischen Problemen wie Angstzuständen und Depressionen, aber auch an Furcht vor dem, was sie erlebt haben oder was sie in Zukunft erleben könnten“, so Fabio Midulla nach der Auswertung der ersten Daten des Forschungsprojekts.

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Die von Fabio Midulla ins Leben gerufene Beobachtungsstelle über die Folgen des Coronavirus bei Kindern ist in seiner Art einzigartig. Das Hauptziel des Follow-up– und Nachsorgeprojekts ist, durch die medizinische Beobachtung der sehr jungen Patienten zu verstehen, ob die unter den Begriffen „Post Covid-Syndrom“ oder „Long-Covid“ zusammengefassten Leiden auch bei Kindern und Jugendlichen anzutreffen sind. Aufgrund seines Erfolgs wurde das Beobachtungsprojekt auf andere pneumologische Zentren Italiens ausgeweitet. „Allem Anschein nach entspricht unser Projekt einem Bedürfnis der Eltern, in Zusammenarbeit mit Medizinern die eventuellen Langzeitfolgen einer Covid-19-Erkrankung abzuklären“, so der Pneumologe und Professor für Pädiatrie.

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Erste Ergebnisse des Projekts zeigen, dass die Langzeitfolgen nur den psychologischen Aspekt zu betreffen scheinen. „Die dürfen aber nicht unterschätzt werden. In der Regel manifestieren sich diese Beschwerden drei oder vier Monate nach der Ansteckung mit der Krankheit. Einige Kinder klagen über ständige Kopfschmerzen. Andere hingegen sagen, dass sie an Bauchschmerzen, Husten oder Gelenkbeschwerden litten“, meint Fabio Midulla.

Bei allen Klagen handle es sich dem anerkannten Mediziner zufolge um Zeichen, die auf eine Somatisierung – die Neigung, körperliches Unwohlsein und Symptome, die nicht auf krankhafte somatische Befunde zurückzuführen sind, trotzdem körperlichen Erkrankungen zuzuschreiben und eine Körper-medizinische Behandlung dafür anzustreben – hinweisen.

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„Mit zunehmenden Alter der jungen Patienten bemerken wir psychologische Probleme, die von Angstzuständen über Depressionen bis zu Fällen von Selbstverletzung reichen. Es genügt daran zu denken, dass vor zwei Jahren die Anzahl der in unserer Notaufnahme eingelangten Fälle von Selbstmordversuchen 19 betragen hat. Heuer sind wir bereits bei 50 Selbstmordversuchen angelangt“, so das nachdenklich stimmende Fazit des Experten.

Entsprechende wissenschaftliche Studien in anderen Ländern bestätigen die ersten Erkenntnisse aus dem italienischen Projekt. Veröffentliche Zahlen des englischen Statistikamtes Office for National Statistics(ONS) zeigen, dass 13 Prozent der unter Elfjährigen und 15 Prozent der Altersgruppe der Zwölf- bis 16-Jährigen fünf Wochen nach der Ansteckung mit SARS-CoV-2 über mindestens eines dieser Symptome berichtet hat.

Fabio Midulla warnt davor, diese Probleme auf die leichte Schulter zu nehmen. „Es gibt eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien, die beweisen, dass der Lockdown verborgene Probleme psychologischer und psychiatrischer Natur verstärkt und an die Oberfläche bringt. Daraus ergibt sich auch die Wichtigkeit unseres Projektes, zu dessen Zielen es auch gehört, solche Probleme frühzeitig zu erkennen. Stoßen wir auf Jugendliche, die einer eingehenden Visite bedürfen, suchen wir die Unterstützung durch die Dienste für Neurologie und für Kinderneuropsychiatrie. Wichtig aber ist, rechtzeitig einzugreifen, denn ein psychisches Problem ist genauso wenig zu vernachlässigen wie eine körperliche Verletzung“, so die abschließenden Worte von Fabio Midulla.