Von: ka
Modena – Diese Woche erging ein Urteil, das – so die Hoffnung – endlich einen kuriosen Streitfall abschließt. Der Fall, in dem es um nichts weniger als um traditionell zubereitetes Ragout ging, sorgte weit über Modena hinaus für großes Aufsehen. Eine vegan lebende Tochter hatte im April dieses Jahres ihre traditionelle Küche liebende Mutter im Streit über das Essen – sie war gerade dabei gewesen, ein für die Küche der Emilia typisches Ragout zu kochen – mit dem Tod bedroht. Die Friedensrichterin Nadia Trifilò verurteilte die Tochter dazu, 400 Euro Strafe zu zahlen und ihrer Mutter gegenüber, die sich dem Prozess als Zivilpartei angeschossen hatte, einen Schadenersatz von 500 Euro zu leisten.
Hauptdarsteller der unglaublichen Geschichte über Fanatismus und Intoleranz sind eine 68-jährige Mutter und ihre 47-jährige Tochter. Aufgrund der Arbeitslosigkeit der 47-Jährigen sind die beiden Frauen gezwungen, unter dem gleichen Dach zu leben. Aber das Zusammenleben von Mutter und Tochter war — gelinde gesagt – bereits seit längerer Zeit von Streitereien und Vorwürfen gekennzeichnet.
Auslöser des Streits waren fast immer die verschiedenen Essgewohnheiten. Während die Tochter aufgrund ihrer veganen Lebensweise jegliche von Tieren stammende Speisen ablehnt, ist ihre Mutter als „Rezdora“ – so werden in der Emilia Romagna klassische Herrinnen des Hauses und Meisterinnen der Kochkunst genannt – große Anhängerin der klassischen Regionalküche der Emilia, die bei Liebhabern und Feinschmeckern gerade wegen ihrer mitunter recht deftigen Fleischgerichte bekannt ist. Da die Tochter ihre fleischlose Ernährungsweise mit großer Vehemenz vertrat, aber ihre Mutter nichts davon wissen wollte, war es bereits vor dem „Vorfall“ Anfang April dieses Jahres zwischen den beiden Frauen immer öfter zu Streitereien gekommen. An jenem Apriltag brachte dann aber der in der Küche liegende feine Geruch des – wie es die traditionelle Rezeptur verlangt – stundenlang auf kleiner Flamme vor sich dahin kochenden Ragouts das Fass endgültig zum Überlaufen. Der Tochter, die nichts weniger, als den Geruch des langsam kochenden Hackfleischs ausstehen konnte, platzte der Kragen. Sie ergriff – laut Anzeige der Mutter – ein Küchenmesser und schrie die 68-Jährige an.
„Jetzt sorge ich dafür, dass du damit aufhörst. Wenn du nicht damit aufhörst, Ragout zu kochen, steche ich dir ein Messer in den Bauch“, soll die Tochter gedroht haben, wie die Mutter in ihrer schwarz auf weiß hinterlegten Anzeige erklärte. Der Fall landete auf dem Schreibtisch der Friedensrichterin. Die Richterin versuchte zuerst erfolglos, die beiden Frauen für eine einvernehmliche Lösung an einen Tisch zu bringen. Da angesichts der verfahrenen Situation einer solchen Lösung aber jegliche Grundlage fehlte, entschied die Friedensrichterin, die Tochter zu bestrafen.
Bußgeld und Entschädigung hin oder her – die beiden Frauen, die ideologisch in vollkommen verschiedenen Kochwelten leben, sind am Tag nach dem Urteil dennoch wieder gezwungen, in den gleichen vier Wänden zu leben. Ob das gut geht?