Von: Ivd
Rom – Italien steht vor einer einschneidenden Veränderung in seiner Energiepolitik: Die Regierung unter Giorgia Meloni kündigt an, den seit Jahrzehnten geltenden Bann der Kernenergie aufzuheben und neue Atomkraftwerke zu bauen. Zeitgleich werden die Subventionen für Solaranlagen zurückgefahren – ein Kurswechsel, der tiefgreifende Auswirkungen auf die Energieversorgung des Landes haben dürfte.
Atomkraft: Ein Comeback in Zeiten der Krise?
Italien hat eine komplizierte Beziehung zur Atomenergie. Nach der Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 und dem Unglück von Fukushima 2011 stimmte die italienische Bevölkerung in gleich zwei Volksabstimmungen mit 80 Prozent und mehr deutlich gegen die Nutzung von Atomkraft. Doch die Zeiten haben sich geändert: Angesichts des Ukraine-Kriegs und der drohenden Energiekrise wächst der Druck auf die Regierung, ihre Energiequellen zu diversifizieren.
Die Industrie sieht die Kernkraft als notwendigen Schritt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Emanuele Orsini, Vorsitzender des italienischen Industriellenverbands Confindustria, betont die Bedeutung einer stabilen und kostengünstigen Energieversorgung: „Italien muss seine Energieautonomie steigern. Eine reine Fokussierung auf erneuerbare Energien wird uns nicht ausreichen.“ Tatsächlich seien die Energiepreise in Italien aktuell deutlich höher als in anderen europäischen Ländern – ein klarer Nachteil für die Wettbewerbsfähigkeit.
Melonis Vision: Moderne Atomkraft und dezentrale Reaktoren
Während in der Bevölkerung weiterhin Skepsis gegenüber der Atomkraft besteht, verfolgt die Regierung unter Meloni eine klare Linie. Der CO2-Ausstoß soll reduziert und gleichzeitig die Energieversorgung gesichert werden. Kleinreaktoren der neuen Generation (SMR) sollen laut Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin bereits in zehn Jahren einsatzbereit sein. Diese Reaktoren versprechen mehr Sicherheit und eine dezentrale Energieversorgung.
Doch nicht alle sind von der Rückkehr zur Atomkraft überzeugt. Die oppositionellen Kräfte und Umweltorganisationen warnen vor den Risiken der Technologie. Dennoch hat das Parlament bereits im Mai 2023 einem Entwurf zugestimmt, der das Verbot der Kernenergie kippen soll.
Energiepartnerschaften und Wasserstoff
Neben der Atomkraft setzt Italien auch auf eine stärkere Vernetzung mit afrikanischen Ländern. Unter dem sogenannten Mattei-Plan baut das Land seine Energiepartnerschaften in Nordafrika aus, um sich unabhängiger von russischem Gas zu machen. Gleichzeitig steht die Kooperation mit Deutschland im Fokus, um Wasserstoffprojekte voranzutreiben. Ziel ist es, bis 2030 zehn Millionen Tonnen Wasserstoff zu importieren – ein wichtiger Schritt in Richtung einer klimafreundlicheren Energiezukunft.
Ein umstrittenes Projekt
Italien steht an einem Scheideweg. Während die einen die Atomkraft als Lösung für die Energiekrise sehen, warnen andere vor den langfristigen Folgen. Eines ist jedoch sicher: Der Kurswechsel der Regierung Meloni wird die energiepolitische Landschaft Europas nachhaltig beeinflussen.
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