Von: ka
Cassolnovo – Im Mordfall Mohamed Ibrahim Mansour, dessen verbrannte Leiche am 14. Januar in einem ausgebrannten Autowrack gefunden worden war, kam es Anfang dieser Woche zu einer dramatischen Wende.
Mit der Anschuldigung, den 44-jährigen, ursprünglich aus Ägypten stammenden landwirtschaftlichen Arbeiter erschossen und angezündet zu haben, wurden am Dienstag die beiden jeweils 34 und 39 Jahre alten Brüder Massimo und Claudio Rondinelli sowie der 37-jährige Luigi D’Alessandro festgenommen und ins Gefängnis überstellt. Zugleich wurden auch die Eltern der beiden Brüder Antonio und Carmela Rondinelli wegen desselben Verdachts ins Ermittlungsregister eingetragen. Die Ermittler der zuständigen Staatsanwaltschaft von Pavia vermuten, dass das Motiv für diese Tat sowohl finanzieller als auch „emotionaler“ Natur war.
Am vergangenen 14. Januar entdeckte ein Jäger in der ländlichen Umgebung von Gambolò bei Pavia ein ausgebranntes Autowrack. Da im Wrack einige verbrannte menschliche Überreste gefunden wurden, wurde schnell klar, dass es sich um ein Verbrechen handelte. Anhand des Besitzers des Fahrzeugs – ein Opel – konnte der Tote bald als der seit einigen Tagen vermisste 44-jährige, ursprünglich aus Ägypten stammende Mohamed Ibrahim Mansour identifiziert werden. Laut dem Gutachten des Gerichtsmediziners war der 44-Jährige drei Tage zuvor zuerst erschossen und dann angezündet worden. Da der Fundort als Drogenumschlagplatz gilt, gingen die Ermittler der Carabinieri zunächst von einer Abrechnung im Drogenmilieu aus. Die ägyptische Gemeinschaft von Pavia beteuerte aber, dass Mohamed Ibrahim Mansour nie etwas mit Drogen zu tun hatte. Zudem stimmten Tat- und Fundort der Leiche nicht überein.
Die Auswertung der Überwachungskameras der Umgebung des Leichenfundorts ergab aber wenige Tage später, dass die mutmaßlichen Mörder des Ägypters vielmehr im „familiären Milieu“ des 44-Jährigen zu suchen seien. Dank Zeugenaussagen und des Einsatzes von Spürhunden konnte auch der eigentliche Tatort – ein landwirtschaftliches Gebäude – ausfindig gemacht werden. Nach weiteren Untersuchungen, zu denen auch die Feststellung der von den Smartphones der Täter „angedockten“ Handymasten gehörten, verdichteten sich die Indizien und Beweise zu einer erdrückenden Beweislast. Am Dienstag klickten für die beiden jeweils 34 und 39 Jahre alten Brüder Massimo und Claudio Rondinelli sowie für den 37-jährigen Luigi D’Alessandro die Handschellen.
Laut der Rekonstruktion des Tathergangs durch die Carabinieri sollen die drei Männer dem Ägypter einen regelrechten Hinterhalt gestellt haben. In einem landwirtschaftlichen Gebäude, das den Rondinellis gehörte und in dem der 44-Jährige notdürftig lebte, wurde das Opfer zunächst mit einem Jagdgewehr und einer Pistole erschossen. Um die Ermittler zu täuschen, packten die drei Männer die Leiche in den Kleinwagen von Mansour und zündeten den Opel nach einer kurzen Fahrt am späteren Fundort an.
Mit Blick auf die „familiären Verbindungen“ zwischen den Rondinellis und dem 44-jährigen Ägypter konnten die Ermittler auch Mutmaßungen über das wahrscheinliche Tatmotiv anstellen. Mohamed Ibrahim Mansour war vor mehreren Jahren vom Vater der beiden Brüder, dem heute 59-jährigen Antonio Rondinelli, auf dessen Gutshof in Cassolnovo als landwirtschaftlicher Arbeiter angestellt worden. Nach kurzer Zeit war es zwischen dem Ägypter und der damals erst 15-jährigen Schwester der beiden mutmaßlichen Täter, Daniela, zu einer Liebesbeziehung gekommen, der wenig später ein heute fünfjähriges Mädchen entsprungen war. In der Folge war Mohamed Ibrahim Mansour zwar als „Schwager“ im Haus der Rondinellis aufgenommen worden, aber da die Spannungen immer größer geworden waren, hatte sich das Jugendgericht eingeschaltet. Mit Blick auf die schwierigen Familienverhältnisse hatten die Jugendrichter entschieden, die Kleine in die Obhut von Pflegeeltern zu geben. Kurz darauf war es zwischen dem Ägypter und Daniela zum Bruch der Beziehung gekommen. Ihrer Familie überdrüssig, war Daniela weit fortgezogen, um mit einem anderen Mann ein neues Leben aufzubauen.
Nach dem Ende der Beziehung zu Daniela war der Ägypter vom Vater aus der Wohnung geworfen worden. Da Antonio Rondinelli ihn aber mit der Bewirtschaftung eines Kirschenhains betraut hatte, hatte er ihm aber erlaubt, in einer Halle, die zum Grundstück gehört, zu schlafen. Seither lebte der 44-Jährige notdürftig in dem landwirtschaftlichen Gebäude. Der Ägypter fand sich aber nie wirklich mit der Entziehung der Vaterschaft ab. Mansour beschuldigte die Rondinellis, seine Existenz zerstört zu haben. Obwohl er aufgrund seiner prekären Lebenssituation in Wirklichkeit keine Chance dazu hatte, versuchte er über das Sozialamt immer wieder, das Sorgerecht zurückzuerlangen. Von den Rondinellis forderte er immer wieder jenes Geld, das sie ihm angeblich versprochen hatten.
Die Staatsanwaltschaft und die Carabinieri glauben, dass bei den Rondinellis in dieser Zeit der Entschluss gereift sei, sich des lästigen „Schwagers“ zu entledigen. Massimo und Claudio Rondinelli sowie der Lebensgefährte ihrer zweiten Schwester Elisa, Luigi D’Alessandro – so die Anschuldigung der Staatsanwaltschaft – sollen den Ägypter zuerst in der Halle erschossen und später seine Leiche angezündet haben. Sie glaubten wahrscheinlich, das perfekte Verbrechen begangen zu haben, waren sich aber nicht bewusst, dass sie eine Vielzahl von Spuren gelegt hatten.
Die beiden jeweils 34 und 39 Jahre alten Brüder Massimo und Claudio Rondinelli sowie der 37-jährige Luigi D’Alessandro sitzen seit Dienstag wegen vorsätzlichen Mordes in Untersuchungshaft. Antonio Rondinelli und seine Frau Carmela wurden am Donnerstag wegen desselben Verdachts ins Ermittlungsregister eingetragen. Sollte sich der Verdacht einer Tatbeteiligung erhärten, könnte das Elternpaar bald den drei Männern, die alle wegen Raubes vorbestraft sind, ins Gefängnis nachfolgen. Die Staatsanwaltschaft und die Carabinieri hegen keinen Zweifel. „Mohamed wurde von seinen ‚Schwagern‘ umgebracht und verbrannt“, so die Ermittler.