Von: ka
Rom – Der grausame Mord an Sabina Sperandio, Elisabetta Silenzi und Nicoletta Golisano hat eine lange Vorgeschichte. Nachdem seine Ehe gescheitert war, sein Sohn bei einem Rodelunfall in Sexten ums Leben gekommen war und er seine Arbeit als Versicherungsangestellter verloren hatte, empfand der 57-jährige Claudio Campiti für viele seiner Mitmenschen nur mehr tiefen Hass.
Dieser Hass ergoss sich vor allem auf die anderen Miteigentümer des Kondominiums „Consorzio Valleverde“ und dabei insbesondere auf die Frauen, die dessen Verwaltungsrat bildeten. Im Laufe der Jahre sammelte der 57-Jährige Dutzende von Anzeigen. Am Sonntag wollte es sich an seinen Miteigentümern rächen und sie alle töten. „Er kam herein, machte die Tür zu, schrie ‚Ich töte euch alle!‘ und begann zu feuern”, so ein Augenzeuge.
Zwischen dem „Consorzio Valleverde“ und Claudio Campiti herrschte ein regelrechter „Krieg“. Der 57-Jährige zog am Sonntag während der Eigentümerversammlung eine Waffe aus der Tasche und eröffnete das Feuer. „Er kam herein, machte die Tür zu, schrie ‚Ich töte euch alle!‘ und begann zu feuern”, so ein Augenzeuge. Die 71-jährige Sabina Sperandio, die 55-jährige Elisabetta Silenzi und die 50-jährige Nicoletta Golisano, die jeweils als Sekretärin, Rechnungsprüferin und Wirtschaftsberaterin allesamt dem Verwaltungsrat des Kondominiums angehörten, waren auf der Stelle tot.
Die 80-jährige Präsidentin des Konsortiums Valleverde hingegen erlitt im Brustbereich eine schwere Schussverletzung. Sie kämpft im Krankenhaus noch immer um ihr Leben. Dank eines 67-jährigen Mannes, der den Täter während eines Handgemenges entwaffnete, konnten weitere Opfer verhindert werde. Der 67-Jährige, der durch eine Schussverletzung an der Wange selbst verletzt wurde, hielt den Täter zusammen mit anderen Männern bis zum Eintreffen der Carabinieri fest.
Fidene, il dolore dopo la strage
Fidene, il dolore dopo la strageDolore e sconcerto a Fidene, periferia nord di Roma, davanti al bar dove ieri Claudio Campiti ha ucciso tre donne durante un'assemblea di condominio.Riccardo Porcù per il Tg3 delle 14:20 del 12 dicembre 2022
Posted by Tg3 on Monday, December 12, 2022
Claudio Campiti hatte die Tat offenbar minutiös geplant. Die Carabinieri fanden bei ihm 177 Kugeln und ein zweites Magazin sowie die aus dem Schießstand in Tor di Quinto gestohlene Waffe. Im Rucksack, den der 57-Jährige bei sich hatte, stellten die Carabinieri 6.000 Euro in bar sowie seinen gültigen Reisepass sicher.
Die schreckliche Bluttat hat eine lange Vorgeschichte. Sie begann mit dem Zerbrechen seiner Ehe und einer Familientragödie. Bis zum Jahr 2008 verlief das Leben von Claudio Campiti in geordneten Bahnen. Der heute 57-Jährige arbeitete als Versicherungsagent und lebte zusammen mit seiner Frau und den gemeinsamen drei Kindern in Rom. Im Jahr 2008 zerbrach seine Ehe. Zugleich gab Claudio Campiti seinen Beruf auf.
Die eigentliche Tragödie in seinem Leben geschah aber vier Jahre später. Sein Sohn, Romano Campiti, starb am 1. März 2012 bei einem Freizeitunfall in Südtirol. Der damals 14-Jährige verunglückte mit der Rodel im Skigebiet Rotwand in Sexten. Der Fall kam vor Gericht und durchlief sämtliche Instanzen. Die drei Verantwortlichen wurden 2017 rechtskräftig verurteilt. Der Familie des Opfers wurde ein Schadenersatz in Höhe 240.000 zugesprochen.
Strage alla riunione di condominio, l'autore era già stato denunciato
Strage alla riunione di condominio, l'autore era già stato denunciatoSi chiama Claudio Campiti l'uomo che stamattina ha sparato durante una riunione di condominio nel quartiere romano di Fidene, uccidendo tre persone e ferendone altre quattro. Era già stato denunciato più volte per le minacce contro il consorzio, che pubblicava anche in un blog.Riccardo Porcù e Gabriele Carletti per il Tg3 delle 12 dell'11 dicembre 2022
Posted by Tg3 on Sunday, December 11, 2022
Vom Schmerz über den Verlust seines Sohnes geplagt, begann Claudio Campiti sich von seiner Umgebung zurückzuziehen. Er beschloss, ganzjährig in seiner kleinen Bude im Kondominium „Consorzio Valleverde“ zu wohnen. Das „Consorzio Valleverde“ besteht aus 200 Wohnungen, die sich auf einem 25 Hektar großen Grund befinden, der sich auf die beiden Gemeinden der Provinz Rieti Ascrea und Rocca Sinibalda verteilt. Campito, der kein geregeltes Einkommen besaß und von seinem Anteil vom Schadenersatz lebte, wurde vonseiten der Gemeinde eine soziale Unterstützung gewährt. „Ich bin mir nicht sicher, ob er einen Job hatte oder nicht. Ihm wurde das Eigentum an diesem Gebäude überlassen. Er hing sehr an diesem Haus, und ich glaube, es war das Einzige, was er besaß“, so der Bürgermeister von Ascrea, Riccardo Nini.
Die Bude, in der er lebte, war aber alles andere als wohnlich. Er baute zwar einen Teil des Erdgeschosses, das auch eine Art Garage umfasste, zu einem notdürftig bewohnbaren Ort aus, verfügte aber weder über fließendes Wasser noch über eine Heizung und einen Zugang zu einer öffentlichen Kanalisation. Er hatte vor, seine Bauarbeiten abzuschließen, weigerte sich aber, dem „Consorzio Valleverde“ die Kondominiumsspesen zu überweisen.
In der Folge entband sich zwischen dem 57-Jährigen und der Verwaltung des Kondominiums ein regelrechter „Krieg“. Zuerst zeigte Claudio Campiti 30 seiner Miteigentümer wegen angeblicher Verstöße gegen die Bauordnung an. Seinerseits wurde der 57-Jährige wegen der ausstehenden Kondominiumsspesen sowie wegen des Alteisens, das er bei seinem Häuschen hortete, vom „Consorzio Valleverde“ angezeigt. Es folgten gegen Claudio Campiti Anzeigen wegen Bedrohung. Einigen Jugendlichen, die in seiner Nachbarschaft Volleyball spielten, bedrohte er sogar mit dem Tod.
Aufgrund der vielen Anzeigen verweigerten die Carabinieri im Jahr 2020 Claudio Campiti die Ausstellung eines Waffenpasses. Der 57-Jährige fand aber einen Weg, dennoch „in Besitz“ einer Waffe zu gelangen. Er schrieb sich bei einem Schießstand ein und konnte so legal den Umgang mit einer Schusswaffe üben. Trotz der Vielzahl der gegen ihn gerichteten Anzeigen erhielt Claudio Campiti jährlich die erforderlichen Unterlagen, die ihm die psychologische Eignung für diesen Sport bescheinigten.
Die „psychologische Eignung“ war aber offensichtlich schon lange nicht mehr gegeben. In einem Blog, der mit den Worten „Willkommen in der Hölle“ begann, übergoss er seine Miteigentümer, aber ganz besonders die Frauen, die mit der Verwaltungstätigkeit betraut waren, mit Hass und Spott. Da laut seiner Ansicht der Grund „ein vom Staat vergebenes Lehen“ sei, sei das Eintreiben der Kondominiusspesen illegal. In seiner von Verschwörungstheorien beherrschten Geisteswelt glaubte er, dass sich nicht nur das „Consorzio Valleverde“, sondern auch beide Gemeinden, die Präfektur und die Staatsanwaltschaft von Rieti gegen ihn verschworen hätten, um ihn aus seinem Häuschen zu vertreiben. Ziel dieser „Mafiosi“ und „kriminellen Vereinigung“ sei es, ihm zum Zahlen zu zwingen oder ihn zu enteignen, hatte sich der 57-Jährige in den Kopf gesetzt.
Seine Facebook-Seite offenbarte ein ähnliches Bild. Zwischen Urlaubsfotos fanden sich Bilder, die Hitler und Mussolini als kleine Zinnsoldaten zeigen. Auch eine Medaille mit dem Liktorenbündel und dem Motto „Viel Feind, viel Ehr“ fehlte nicht.
Hass, Verfolgungswahn und politischer Radikalismus begannen vermutlich, im Geist des Mannes ein toxisches Gemisch zu bilden. Im 57-Jährigen – so glauben heute die Ermittler – sei mit der Zeit der Plan gereift, „zum großen Gegenschlag auszuholen“. Aus dem Schießstand in Tor di Quinto entwendete er eine Schusswaffe und die entsprechende Munition und begab sich zur Kondominiumsversammlung. Was folgte, war eine Tragödie. „Er kam herein, machte die Tür zu, schrie ‚Ich töte euch alle!‘ und begann zu feuern”, so ein Augenzeuge.