Geschundenes Dorf wehrt sich gegen Naturkatastrophen – VIDEO

Muren und Erdbeben: Tredozio ist am Ende

Montag, 09. Oktober 2023 | 08:18 Uhr

Von: ka

Tredozio – Tredozio ist ein geschundenes Dorf. Nachdem in der Gemeinde, die in einem Tal des Apennins im Hinterland von Faenza in der Emilia-Romagna liegt, während der Flutkatastrophe im Mai Hunderte von Muren abgegangen waren, bebte am 18. September die Erde.

Beim Erdstoß, der nach der Richterskala eine Stärke von 4,9 erreichte, wurden in der Gemeinde Dutzende von Gebäuden beschädigt. 122 der rund 1.100 Einwohner waren gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. Die Bürgermeisterin von Tredozio, Simona Vietina, ist verzweifelt. „Alleine können wir es nicht schaffen“, so Simona Vietina.

Nach dem Beben vom 18. September, das besonders die Berggemeinden im Hinterland von Faenza hart traf, ist die Lage in Tredozio sehr schwierig. Dutzende von Gebäuden wurden durch die Erdstöße arg in Mitleidenschaft gezogen. „Zum Glück dauerte das Beben nur fünf Sekunden. Hätte die Erde 20 Sekunden länger gebebt, wären viele Gebäude eingestürzt und wir müssten Dutzende von Toten beklagen“, so ein Techniker.

Facebook/Agenzia regionale per la sicurezza territoriale e la protezione civile

Nach der Inspektion durch die Techniker der Region Emilia-Romagna wurden mehr als hundert Gebäude für unbewohnbar erklärt. Da ein mittelalterlicher Turm einzustürzen droht, musste fast der gesamte Ortskern abgesperrt werden. „Die Lage ist dramatisch. Die Kirche, das Auditorium, die Bibliothek und die Vereinssitze einschließlich des Sitzes des Tourismusvereins sind nicht mehr benutzbar. Da das Rathaus durch das Beben ebenfalls stark beschädigt wurde, waren wir gezwungen, die Gemeindebüros provisorisch in ein Restaurant zu verlegen. Wir benötigen schnelle und unbürokratische Hilfe“, appelliert die Bürgermeisterin von Tredozio, Simona Vietina, an die Region und die Regierung in Rom.

Facebook/Valeria Camurani

Die Region beantragte bei der Regierung die Ausrufung des Notstands. Seither warten die Gemeinden, die am stärksten von dem Erdbeben betroffen sind, auf eine Antwort aus Rom. „122 Personen mussten nach dem Erdbeben ihre Wohnungen verlassen. Leider gibt es nicht genügend Mietwohnungen“, erklärt die Bürgermeisterin von Tredozio. In der Zwischenzeit konnten 60 Personen in einem kleinen Feriendorf untergebracht werden. Die anderen Geschädigten, die nicht mehr in ihren Häusern wohnen können, kamen bei Freunden und Verwandten unter oder fanden eine Mietwohnung in einem Nachbardorf.

Simona Vietina

Zu allem Unglück wurde durch das Beben auch das Schulgebäude in Mitleidenschaft gezogen. Dank des regionalen Zivilschutzes, dem sich viele Helfer aus dem Dorf anschlossen, wurden in einer Sporthalle innerhalb kürzester Zeit mehrere Zelte aufgestellt, die für das ganze Schuljahr als Klassenräume und Betreuungsorte für die Kindergartenkinder fungieren werden. Die Einrichtung wurde aus den beschädigten Gebäuden in die Sporthalle transportiert.

Facebook/Irene Priolo

Um die Lage der durch das Beben obdachlos gewordenen Personen zu verbessern und besonders um die 88 Schüler von Tredozio in ein für den Unterricht geeigneteres Gebäude unterzubringen, plant die Gemeindeverwaltung, neue Häuser aus Fertigbauteilen zu errichten. Bereits für das kommende Schuljahr, verspricht Simona Vietina, soll der Unterricht in einem aus solchen Bauteilen errichteten Schulgebäude stattfinden.

Facebook/Irene Priolo

Nicht zuletzt aufgrund bürokratischer Verspätungen läuft die Hilfe nur langsam an, aber die Bürgermeisterin lässt sich nicht entmutigen. „Wir haben bereits einige Grundstücke gefunden, wo diese Fertiggebäude aufgestellt werden könnten. Wir sind als Gemeindeverwaltung auch bereits mit Unternehmen in Kontakt getreten, die Fertigbauteile für Gebäude herstellen und liefern können. Um sie errichten zu können, müssen wir aber erst die entsprechenden Infrastrukturen schaffen und Strom- und Wasserleitungen legen“, so Simona Vietina.

Simona Vietina

Die Bürgermeisterin von Tredozio und die Einwohner ihrer Gemeinde geben sich zwar kämpferisch, aber es ist nicht zu leugnen, dass zwei schwere Naturkatastrophen im selben Jahr das gesamte Wirtschafts- und Sozialleben der betroffenen Gebiete bis in ihren Grundfesten erschüttern. Mit Blick auf die darniederliegende Wirtschaft – in den vergangenen Jahren war es in diesen Apennin-Talschaften gelungen, einen sanften Kultur- und Naturtourismus und eine vielseitige Landwirtschaft aufzubauen sowie Kleinbetriebe anzusiedeln – befürchten viele politische Verantwortliche der Region, dass Höfe aufgelassen werden, Betriebe ihre Tore schließen und der im Berufsleben stehende Bevölkerungsteil abwandert.

Simona Vietina

„Tredozio ist eine Gemeinde in der toskanischen Romagna mit seltenen Naturschönheiten wie dem kleinsten Vulkan der Welt, aber auch mit architektonischen und kulturellen Besonderheiten. Es ist eine Gemeinde mit bedeutenden Kleinunternehmen, die wertvolle Arbeitsplätze bieten. Die Bewohner von Tredozio sind es gewohnt, die Ärmel hochzukrempeln und überall mitanzupacken, aber der Staat und die Region müssen unsere Sorgen im Auge behalten, denn allein können wir es nicht schaffen“, nimmt Simona Vietina die Regierungen in Bologna und Rom in die Verantwortung.

Facebook/Monia Morara

Simona Vietina ist es gewohnt, schwere Krisen zu bewältigen. Im Mai hatte sie an vorderster Front dabei mitgewirkt, die Arbeiten der verschiedenen Rettungsorganisationen – darunter auch die der Bozner Berufsfeuerwehr – miteinander zu koordinieren. Als Dank für die große Hilfe überreichte sie am 2. September stellvertretend für alle Südtiroler Feuerwehren, die zusammen mit dem Militär mit schweren Erdbewegungsmaschinen Verbindungsstraßen wieder freigeräumt hatten, vier Feuerwehrleuten ein Belobigungsdiplom.

Facebook/Tredozio forever

Schnelle Hilfen der Region, des Staates und der Europäischen Union sollen zumindest dafür sorgen, dass der aktive Teil der Bevölkerung in den Bergen eine eigene Zukunft sieht. Aus Sicht der politisch Verantwortlichen gilt es vor allem das Horrorszenario zu verhindern, dass die jungen Leute in die Ebene abwandern und nur mehr die Älteren „oben“ bleiben. Dies wäre der langsame Tod dieses Teiles der Romagna. Die Einwohner von Tredozio sind sich einig. Ihr Heimatdorf wird die Naturkatastrophen überleben.

Simona Vietina