Gesundheitsminister warnt vor zu großen Lockerungen und verweist auf Erfolge

„Nach dem Sommer vierte Dosis für alle möglich“

Montag, 21. Februar 2022 | 08:27 Uhr

Von: ka

Rom – Der römische Gesundheitsminister Roberto Speranza warnt davor, zu früh Entwarnung zu geben und zu glauben, dass das Coronavirus von allein verschwinden werde. Roberto Speranza schlägt vor, den Notstand zwar zu beenden, aber am Grünen Pass und in geschlossenen Räumen an der Maskenpflicht festzuhalten. Der Minister hält es auch für wahrscheinlich, im Herbst mit der Verabreichung der vierten Impfdosis für die gesamte Bevölkerung zu beginnen.

MAURIZIO BRAMBATTI/ANSA

Der seit fast zwei Jahren geltende pandemische Notstand läuft in Italien am 31. März aus. Auch der römische Gesundheitsminister Roberto Speranza vertritt die Ansicht, dass der Notstand beendet werden könne, unterstreicht aber, dass das nicht bedeute, von einem Tag auf den anderen alle Vorsichtsmaßnahmen über Bord zu werfen.

„Meine Botschaft ist eine Botschaft der Zuversicht. Wenn der Abwärtstrend anhält, werden wir in den kommenden Wochen daran arbeiten, den Ausnahmezustand zu überwinden. Aber Corona wird nicht am 31. März verschwinden. Wir können formell beschließen, den Notstand zu beenden – ich denke, die Voraussetzungen dafür sind gegeben –, aber einige Maßnahmen müssen wir beibehalten. Der Grüne Pass war und ist ein Schlüsselelement unserer Strategie. Auch eine für die Innenräume geltende Maskenpflicht ist weiterhin wichtig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen bestimmten Zeitpunkt geben wird, an dem das Virus nicht mehr existieren wird und wir alle Maßnahmen zusammenstreichen werden“, so der Gesundheitsminister gegenüber der römischen Tageszeitung La Repubblica.

ANSA/GIUSEPPE LAMI

Roberto Speranza, der von einem „entscheidenden Jahr“ spricht, meint, dass die vor uns liegenden Monate entscheidend dafür sein werden, welchen Weg die Regierung im Herbst einschlagen wird. „In wenigen Wochen wird auf der Südhalbkugel Herbst sein. Anhand der dortigen Entwicklung der Coronalage werden wir verstehen, was uns im Herbst erwarten wird. Im März werden wir mit der Verabreichung der vierten Impfdosis an stark immungeschwächte und gefährdete Patienten beginnen. Wir werden aber nach dem Sommer auch abwägen, die vierte Dosis an die gesamte Bevölkerung zu verabreichen. Da das Virus nicht verschwinden wird, halte ich diese Auffrischimpfung für alle für wahrscheinlich“, erklärt der Minister.

ANSA/TINO ROMANO

„Der Grüne Pass hat es Italien ermöglicht, eine der weltweit höchsten Impfquoten zu erreichen. Ich wäre vorsichtig, den Grünen Pass zurückzunehmen. Es ist zwar klar, dass eine solche Maßnahme zeitlich begrenzt sein muss, aber jetzt – bei immer noch 60.000 Fällen pro Tag – zu sagen, dass das gesamte Gerüst abgebaut werden müsse, halte ich für einen Fehler“, unterstreicht Roberto Speranza, der im selben Atemzug auf die Erfolge der italienischen Coronapolitik verweist.

Sanitätsbetrieb Südtirol

„Während unser Nachbarland Österreich in den Lockdown gegangen ist, konnten wir die Schule und fast alles andere offenlassen. Dank der zeitgerechten Einführung eines für weite Bereiche geltenden Grünen Passes ist es uns gelungen, die Coronawelle früh zu brechen und generelle Schließungen zu vermeiden. Jenen, die nach Öffnungen schreien, entgegne ich, dass ja fast alles offen ist. Es ist kein Zufall, dass Italiens Wirtschaft stärker wächst als der EU-Durchschnitt“, so der Gesundheitsminister, der sich dafür ausspricht, den bisher erfolgreichen Weg beizubehalten.

Auch Sergio Abrignani gehört zu jenen gewichtigen Stimmen, die gegen eine zu frühe Streichung von Coronamaßnahmen sind. Der Immunologe, der als Professor für Allgemeine Pathologie an der Staatlichen Universität von Mailand lehrt, das Nationale Institut für Molekulargenetik „Romeo und Enrica Invernizzi“ leitet und Mitglied des Technisch Wissenschaftlichen Komitees (CTS), das die Regierung Draghi berät, ist, rät zur vorläufigen Beibehaltung des Grünen Passes. „Die Unvorhersehbarkeit, die wir in den letzten zwei Jahren erlebt haben, ist so groß, dass jede Vorhersage gewagt erscheint. Ob der Grüne Pass nicht mehr notwendig ist, werden uns die Daten in den kommenden Wochen zeigen“, meint Sergio Abrignani.

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Der Immunologe erläutert, dass der Trend trotz der hohen Todeszahlen zwar ermutigend sei, aber vor dem Aussetzen des Grünen Passes es besser sei, den Sommer abzuwarten. Ein Wissenschaftler – so Abrignani – frage sich aber immer, was im Herbst passieren wird.

„Das Virus wird nicht verschwinden. Es wird in Form einer Omikron-Variante bestehen bleiben. Sofern sie geimpft sind, werden die Infizierten grippeähnliche Krankheitsformen entwickeln. Wer nicht geimpft ist, wird erkranken. Wenn ich über 50 Jahre alt und ungeimpft wäre, würde ich mich nicht besonders beruhigt fühlen“, wagt Sergio Abrignani eine vorsichtige Prognose für den Herbst.