Keine Notwehr: Tod eines 24-Jährigen löst heftige Reaktionen aus – VIDEO

Plötzliche Wende: Einbrecher vom Balkon aus erschossen?

Donnerstag, 13. Juni 2019 | 07:00 Uhr

Von: ka

Pavone Canavese – Der gewaltsame Tod eines Einbrechers, der vom 67-jährigen Inhaber eines Tabakwarengeschäfts mit einer Pistole niedergestreckt worden war – SüdtiroNews berichtete – löste in Italien heftige Polemiken aus. Laut den Ergebnissen der durchgeführten Autopsie war es zwischen dem 24-jährigen Kriminellen und dem 67-jährigen Pistolenschützen vermutlich nie zu einem Streit oder einem Handgemenge gekommen. Vielmehr – so die wahrscheinlichste Hypothese – war der flüchtende Einbrecher vom Balkon im zweiten Stock aus von hinten erschossen worden.

ANSA/ TINO ROMANO

Die Ermittler hegten bereits seit dem letzten Freitag den Verdacht, dass der versuchte Einbruch ganz anders abgelaufen war. Der Pistolenschütze – der 67-jährige Inhaber der Tabaktrafik Marcellino Franco Iachi Bonvin – sowie seine Frau schilderten in einer ersten Aussage den Ermittlern, dass der 67-Jährige nach unten auf den Platz gegangen war und er dort die drei Einbrecher bei ihrer Tat ertappt hatte. Im Laufe der Auseinandersetzung – so der Inhaber der Tabaktrafik – war es dann zum Gebrauch der Schusswaffe gekommen. Später zog Marcellino Franco Iachi Bonvin es vor, von seinem Recht zu schweigen, Gebrauch zu machen.

Die Version zum Tathergang von Franco Iachi und seiner Frau konnte die Ermittler nie ganz überzeugen. Die Ergebnisse der Autopsie bestätigten ihren Verdacht. Der Einbrecher – der 24-jährige Moldawier Ion Stavila – war von hinten und schief von oben erschossen worden. Die Kugel, die ihn getötet hatte, war in die Schulter eingedrungen, hatte den Herzmuskel durchschlagen und war in der Brust wieder ausgetreten. Ion Stavila war vom Projektil getroffen worden, als er sich auf dem Gehsteig befand. Laut dieser Rekonstruktion war der 67-Jährige nie hinunter auf die Straße vor seine Tabaktrafik gegangen. Der vermutlich flüchtende Einbrecher war dieser Hypothese zufolge von Franco Iachi  aus relativ großer Distanz von hinten und von oben vom Balkon im zweiten Stock aus erschossen worden. Die Ermittlungen stehen erst am Anfang. Die Polizisten des Kommissariats von Ivrea suchen nun nach dem Projektil, das in einen Nachbargarten gelangt sein könnte.

Iachi Bonvin zieht es noch wie vor vor, zu den am frühen Freitagmorgen stattgefundenen Geschehnissen zu schweigen. Die Staatsanwaltschaft, die gegen den 67-Jährigen vergangene Woche von Amts wegen ein Verfahren wegen fahrlässiger Überschreitung der Notwehr eingeleitet hat, fügt derzeit das Ergebnis der Autopsie sowie die letzten Erkenntnisse vom Tatort zu einem Gesamtbild zusammen. Sollte sich der Verdacht des Schusses vom Balkon erhärten, würde dies den Tathergang in ein vollkommen anderes Licht rücken und die rechtliche Lage von Marcellino Franco Iachi Bonvin wesentlich, vielleicht sogar entscheidend, verschlechtern.

Auch das neue Gesetz sieht nämlich vor, dass die Notwehr nur von demjenigen legitim ist, der im Inneren seines Wohnsitzes oder gleichgestellten Orten, das gewaltsame Eindringen von ein oder mehreren Personen oder die bewaffnete Bedrohung durch ein oder mehrere Personen abwehrt.

ANSA/TINO ROMANO

Die neuesten Erkenntnisse im „Fall von Pavone Canavese“ führten in der Zwischenzeit in der italienischen Öffentlichkeit zu heftigen Polemiken. Während die Einwohner von Pavone Canavese, die zugunsten von Franco Iachi einen Fackelumzug organisiert hatten, und Innenminister Salvini sich weiterhin auf die Seite des 67-jährigen Schützen schlugen, ging die Opposition mit dem „Notwehrgesetz“ hart ins Gericht.

Anstatt die Polizeikräfte zu verstärken und für die Gewissheit der Haftstrafe zu sorgen – so Francesca Bonomo, die für den PD im römischen Parlament sitzt – werde über das neue Gesetz die Verantwortung für die Sicherheit beim einfachen Bürger abgeladen. „Der einfache Bürger, der glaubt, immer und überall ungestraft handeln zu können, riskiert neben den psychologischen Folgen auch eine strafrechtliche Verurteilung. Wir sind für den Rechtsstaat sowie für die Gewissheit der Strafverfolgung und gegen Selbstjustiz. Ansonsten riskieren wir, in die Zeiten des Wilden Westens zurückzufallen“, so die aus dem Canavese stammende Parlamentarierin.

Viele Leser und Kommentatoren stimmen Francesca Bonomo zu und glauben ebenfalls, dass das neue Gesetz eine „Pistoleromentalität“ fördere. Und was meinen unsere Leserinnen und Leser?