Polizei und Carabinieri angegriffen – VIDEO

Proteste gegen die Sperrstunde: Nacht der Gewalt in Neapel

Sonntag, 25. Oktober 2020 | 08:06 Uhr

Von: ka

Neapel – Die erste „Sperrstundennacht“ ist in Neapel zu einer Nacht der Gewalt geraten. Um die galoppierende Corona-Epidemie einzudämmen, hatte der Präsident der Region Kampanien, Vincenzo De Luca, von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr am nächsten Tag eine nächtliche Ausgangssperre verfügt.

Hunderte von gewaltbereiten Demonstranten, die gegen die „Schließung der Stadt“ protestierten, setzten Müllcontainer in Brand und gingen mit Knallkörpern, Steinen und Eisenstangen auf die Polizei los. Auch ein Fernsehteam, das von den Unruhen berichtete, wurde angegriffen. Zwei Polizisten und ein Carabiniere wurden verletzt und zwei gewalttätige Demonstranten wurden festgenommen.

Die erste Nacht der Ausgangssperre mündete in der süditalienischen Stadt in eine Nacht der Gewalt. Am Abend rotteten sich vor dem Regierungsgebäude der Region Kampanien Hunderte von Demonstranten zusammen, um gegen die Sperrstunde, die die Geschäftstätigkeit vieler Bars und Gastbetriebe und die „Freiheit“ der jungen Leute, das Nachtleben zu genießen, massiv beeinträchtigt, zu protestieren.

Kurze Zeit später „übernahmen“ Gruppen, die es bereits gewohnt sind, Ordnungskräfte anzugreifen, den Platz vor dem Gebäude. In der Folge versuchten gewalttätige Demonstranten, den Polizeikordon, der das Gebäude schützte, zu durchbrechen. Die mit aufstandsbekämpfender Ausrüstung ausgestatteten Polizeibeamten wurden mit Knallkörpern beworfen und mit Stangen und anderen Gegenständen angegriffen. Später trieben die Polizisten die Gewalttäter auseinander.

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Zugleich brach auf vielen Straßen und Plätzen der süditalienischen Metropole eine Art „Aufstand“ gegen die Ausgangssperre aus. Einzelne Streifenwagen der Polizei und der Carabinieri wurden dabei umzingelt und mit Eisenstangen angegriffen. Insgesamt erlitten zwei Beamten der Polizei sowie ein Carabiniere Verletzungen. Auf dem Platz vor dem Gebäude der Regionalregierung wurden zwei Demonstranten festgenommen.

Am Samstag nach den nächtlichen Unruhen stand Neapel unter Schock. Trotzdem kam es auch untertags zu einigen gewalttätigen Ausschreitungen und Angriffen. Die nächtliche Gewalt wurde von vielen Persönlichkeiten und Politikern verurteilt. Innenministerin Luciana Lamorgese dankte der Polizei für ihren Einsatz und sprach von „geplanten Gewalttaten“.

ANSA

Viele Experten teilen diese Meinung. Mehrere Indizien würden dafür sprechen, dass die gewalttätigen Ausschreitungen von Mitgliedern des Organisierten Verbrechens geplant und durchgeführt worden seien.

Kenner und Beobachter des Organisierten Verbrechens sowie Experten der Ordnungskräfte warnen bereits seit Monaten, dass Organisationen wie die Camorra und die Mafia sich die Corona-Notlage zunutze machen, indem sie verschuldeten Betrieben „Darlehen“ gewähren und sie aufkaufen. Zugleich würden – wie in Neapel vermutlich geschehen – Teile der Clans gegen die Sperrstunde protestieren, weil sie ihre Einnahmen aus den Schutzgelderpressungen und dem Drogenhandel gefährdet sehen.

Allerdings sorgen sich auch immer mehr Inhaber von Bars, Restaurants und Pizzerien um die Zukunft ihrer Betriebe. Ihre Proteste sind aber – noch – friedlich. Laut einer anderen These sind die Ereignisse von Neapel aber auch ein Symptom dafür, dass die Corona-Einschränkungen einem Teil der Gesellschaft nicht mehr länger vermittelbar sind. Dieser Unmut, der sich mit Zukunftsangst mischt – so die Befürchtungen der Regierenden – könnte sich immer öfter in Form von „Corona-Unruhen“ Luft machen.

Auf die nächtlichen Unruhen in Neapel angesprochen, bezeichnete der angesehene Journalist und Experte des Phänomens der organisierten Wirtschaftskriminalität, Roberto Saviano, sie als ein Symptom für das Versagen des Präsidenten der Region Kampanien und der Regierung in der Corona-Krise.