Sie wurde mit dem Tod bedroht und angegriffen – VIDEO

Rassismus: Bäuerin aus Äthiopien am Hals gepackt

Dienstag, 28. August 2018 | 07:03 Uhr

Von: ka

Gereut/Garait/Frassilongo – Es ist ein Albtraum, den eine Bäuerin aus Äthiopien seit vielen Monaten erdulden muss. Die Ziegenzüchterin und Inhaberin des landwirtschaftlichen Betriebes „La capra felice“, Agitu Ideo Gudeta, wird immer wieder von ihrem Nachbarn mit dem Tod bedroht und rassistisch beleidigt. In der Folge kam es auch zu Sabotageakten, Tierquälerei und in zwei Fällen sogar zu tätlichen Übergriffen, berichtet die Online-Ausgabe des „L’Adige“.

Agitu Ideo Gudeta ist ein im In- und Ausland bekanntes Gesicht. Bereits mehrmals beschäftigten sich Printmedien und Fernsehanstalten mit der faszinierenden Geschichte der mutigen und fleißigen Frau, welche im zarten Alter von 18 Jahren vor der Unterdrückung in ihrer äthiopischen Heimat geflohen war und in den Bergen des Trentino – genauer in der deutschen Sprachinsel im Fersental – eine Ziegenfarm aufgebaut hatte. Heute ist die inzwischen 40-jährige Agitu Ideo Gudeta eine anerkannte und beachtete Ziegenzüchterin und Produzentin verschiedener Käsesorten und Kosmetikprodukte, welche aufgrund ihrer Qualität weit um geschätzt werden.

Agitu Ideo Gudeta’s Leben könnte sehr schön sein, wenn da ihr Nachbar nicht wäre. Ihr Nachbar, der wohlgemerkt kein Fersentaler ist, raubt seit fast einem Jahr der Äthiopierin den Schlaf. Der Leidensweg der Frau und ihrer Tiere begann vor mehr als einem Jahr, im Juni 2017, nachdem Agitu Ideo Gudeta einen Stall, der sich in der Nähe des Wohnhauses des Nachbarn befindet, käuflich erworben hatte. Der Nachbar, der sich anscheinend in den Kopf gesetzt hatte, dass Agitu Ideo Gudeta, ihr Mitarbeiter und ein sich in Ausbildung befindlicher Asylbewerber – alle drei besitzen eine dunkle Hautfarbe – nicht hierhergehören würden, zeigte bereits von Anfang an seine offensichtlich rassistisch motivierte Intoleranz.

Mit der Zeit wurde die Lage immer schlimmer. „Ich bringe dich um. Du musst hier verschwinden, hässliche Negerin. Dies hier ist nicht dein Platz“, so die Worte des Nachbarn, die viele Male aus seinem Mund gekommen sein sollen. Aber es blieb nicht „nur“ bei Todesdrohungen und rassistischen Beleidigungen.

Facebook/La Capra Felice

In einem Fall – so die Online-Ausgabe des „L’Adige“ – wurde die Äthiopierin in ihrem eigenen Stall vom Nachbarn mit den Worten „Ich bringe dich um“ am Hals gepackt.

Ein weiterer schlimmer Vorfall geschah erst vor weniger als zehn Tagen.

„Es war am späten Nachmittag und ich befand mich auf der Weide, als er mit dem Motorrad auf mich zukam. Ich nahm das Smartphone zur Hand, um den Vorfall zu filmen. Als er mich angreifen wollte, versuchte ich mich, mit dem Stock zu schützen, aber es gelang ihm, ihn mir zu entreißen, und ich fiel zu Boden. Er nahm das Holz und drückte es mir mit den Worten „Ich töte dich“ an den Hals. Mit aller Kraft drückte ich ihn mit den Füßen weg und verständigte die Ordnungskräfte“, so schilderte Agitu Ideo Gudeta dem L’Adige gegenüber die Begegnung mit ihrem Peiniger.

Dazwischen kam es immer wieder zu weiteren Vorfällen, Sabotageakten und sogar zu einem Fall von Tierquälerei. Mehrmals fand die Äthiopierin ihren Pkw oder ihre zum Betrieb gehörenden landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge mit durchgeschnittenen Reifen vor. Noch im Jahr 2017 verschwand auch ihr Hund spurlos. Besonders abstoßend war der Fund einer toten Ziege, der mit einem Messer das Euter abgeschnitten worden war.

Sehr oft – so Agitu Ideo Gudeta gegenüber dem L’Adige – werden ihre Tiere absichtlich Stress ausgesetzt. Immer wieder lässt ihr Nachbar seine beiden Hunde frei laufen oder braust mit seinem Motorrad durch die Weiden, um die Ziegenherde der Äthiopierin auseinander zutreiben.

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„Die Carabinieri tun das Mögliche, aber leider sieht es so aus, dass es in solchen Fällen sehr schwierig sei, einzugreifen“, so die Äthiopierin.

Agitu Ideo Gudeta will ihre Freiheit, die ihr genommen wurde, zurück. „Ich befürchte, dass früher oder später etwas Schreckliches passiert. Ich würde gerne unbeschwert arbeiten und wie früher erhobenen Hauptes mit meinen Ziegen durch Wälder und über Weiden ziehen können. Ich möchte mich sicher fühlen. Niemand soll sich erlauben können, zu mir nach Hause zu kommen, um mich anzugreifen…Aber wir werden nicht aufgeben. Ich habe für die Freiheit meiner Leute gekämpft und ich werde mich nicht von einem Schwachkopf einschüchtern lassen“, so die selbstbewusste und mutige Ziegenzüchterin.

Facebook/La Capra Felice

Nach dem Bekanntwerden des Falls wurde Agitu Ideo Gudeta mit Solidaritätsbekundungen überhäuft. Neben verschiedenen Verbänden und Gewerkschaften drückte auch der Trentiner Landeshauptmann Ugo Rossi der mutigen Äthiopierin, welche sich auch um den Erhalt der vom Aussterben bedrohten Fersentaler Ziegenrasse verdient macht, ihre uneingeschränkte Solidarität aus. Inzwischen wurde auch die Staatsanwaltschaft von Trient über die Bedrohungen und tätlichen Angriffe informiert. Auch vonseiten der Carabinieri wurden weitere Ermittlungen zum Fall eingeleitet.

Die Hoffnung, dass Agitu Ideo Gudeta und ihre 180 Ziegen wieder Ruhe finden, lebt.