Von: ka
Mailand – Während in Österreich Zehntausende an Demonstrationen gegen die Impfpflicht teilnahmen, haben in Italien die Kundgebungen gegen den Grünen Pass lediglich einige Hundert oder wenige Dutzend Protestierende angezogen.
In Mailand fanden sich an der von der Quästur genehmigten Kundgebung außerhalb des Zentrums nur wenige Hundert Demonstranten ein. Im Zentrum der lombardischen Metropole hingegen, die in den vergangenen Wochen Schauplatz großer Demonstrationszüge geworden war, ließen sich am Samstag nur wenige Demonstranten blicken.
Nachdem es bei vergangenen Kundgebungen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen war, hatte die Quästur für das Mailänder Zentrum – insbesondere für den Domplatz – ein Demonstrationsverbot verhängt. Die wenigen Dutzend von den einkaufenden Mailändern kaum beachteten Pass-Gegner, die das Verbot missachteten, wurden sofort von Ordnungskräften umringt. 13 Personen wurden zur Feststellung der Personalien abgeführt. Beobachtern zufolge scheint der frappierende Unterschied zwischen dem mit Lockdowns verbundenen Corona-Desaster in anderen Ländern und dem fast normalen Leben in Italien den No-Green-Pass-Kundgebungen den Wind aus den Segeln zu nehmen.
In Rom wird das Abflauen der Protestwelle und die weitgehende Zustimmung der Italiener für die Coronapolitik der Regierung mit Genugtuung beobachtet. In der Regierung und unter den Experten, die sie beraten, ist allerdings auch die Angst groß, durch neue Varianten um die Früchte des bisherigen Erfolgs gebracht zu werden. Auch wenn man sich dank der hohen Impfquote und der Einführung des Super-Green-Passes – der 2G-Regel – auf der sicheren Seite glaubt, wird die Entwicklung der Coronalage genau analysiert.
DA DOMANI ARRIVA IL SUPER GREEN PASS
DA DOMANI ARRIVA IL SUPER GREEN PASSDa domani in vigore il super green pass per arginare la quarta ondata. Tutte le regole per l'accesso a bar, ristoranti, esercizi pubblici. Il pass con tampone valido per lavoro, trasporti, musei e palestreLucia Sgueglia e Alvise Losi per il Tg3 delle 12 del 5 dicembre 2021
Posted by Tg3 on Sunday, December 5, 2021
Der Minister für öffentliche Verwaltung, Renato Brunetta, lehnt derzeit eine allgemeine Impfpflicht ab und vertritt die Ansicht, dass die Erhöhung der Impfquote alleine schon durch die Einführung des Super-Green-Passes erreicht wird.
„Der Super-Green-Pass ist unsere Sicherheit. Die große Mehrheit der Italiener hat sich für die Impfung entschieden. Die letzten Außenseiter, die noch in irgendeiner Ecke eines italienischen Platzes demonstrieren, sind den Schmähungen des Volkes, der Kälte und der Einsamkeit ausgesetzt. Allein schon durch die Ankündigung des neuen Dekrets haben wir eine hohe Steigerung der Erstimpfungen und eine geringere Reproduktionszahl des Coronavirus erreicht, um die uns selbst Angela Merkel beneidet. Eine Impfpflicht halte ich im Moment nicht für erforderlich. Wir sind besser dran als andere. Eine Entscheidung, die die Zahlen nicht verbessert und die ungeimpften Randgruppen aufstachelt, dient keinem Zweck“, so Renato Brunetta gegenüber der Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera.
Laut dem Minister für öffentliche Verwaltung bestehe die Strategie darin, die 90-Prozent-Marke der mit zwei Dosen Geimpften zu erreichen, die Zahl der Ungeimpften so weit als möglich zu begrenzen und für diejenigen, die sich nicht impfen lassen, die Einschränkungen des neuen Dekrets einzuführen.
Gerade mit Blick auf die Lage in den mittel- und osteuropäischen Staaten und das Auftreten der Omikron-Variante wird in Italien aber eine Einführung einer allgemeinen Impfpflicht nicht ausgeschlossen. Dem Präsidenten des Obersten Gesundheitsinstituts ISS (Istituto Superiore di Sanità), Walter Ricciardi, bereitet die rasche Verbreitung der neuen Coronavariante Sorgen. Ricciardi, der auch als Berater des römischen Gesundheitsministeriums tätig ist, hält im Falle einer Erhöhung des Infektionsgeschehens eine Ausdehnung der 2G-Regel auf die gesamte Arbeitswelt für nötig.
„Falls es notwendig sein sollte, müssen wir die Verpflichtung zum Super-Green-Pass ausweiten. Ich denke dabei an die Arbeitswelt, aber auch an den öffentlichen Personennahverkehr“, meint Walter Ricciardi. „Wir sind besorgt über ihre große Ansteckungsfähigkeit, die größer zu sein scheint als jene von Delta. Sie breitet sich so schnell aus, dass wir neue Gefahren befürchten“, so der Berater des Gesundheitsministeriums über die Omikron-Variante.
Zu der Tatsache, dass es unter den Wissenschaftlern einige gibt, die spekulieren, dass diese Variante nur einen milderen Krankheitsverlauf verursacht, meint Ricciardi, dass es für abschließende Urteile noch zu früh sei. „Wir haben keine Daten für eine solche Aussage. Wir müssen die Auswirkungen auf unsere Bevölkerung abwarten. Die südafrikanische Bevölkerung ist völlig anders. Sie ist viel jünger und lebt verglichen mit europäischen Ländern überwiegend in ländlichen Gebieten“, so der Präsident des Obersten Gesundheitsinstituts ISS.
Die Aussagen des Ministers und des Präsidenten des Obersten Gesundheitsinstituts ISS widersprechen sich nur auf den ersten Blick. Die römische Regierung und die Experten, die sie beraten, hoffen, dass die Einführung des Super-Green-Passes und die Ausdehnung der Impfpflicht auf das Schulpersonal, auf die Ordnungskräfte und auf das administrative Personal des Gesundheitswesens ausreicht, um alle Ziele zu erreichen. Sollte das wider Erwarten nicht so sein, steht einer allgemeinen Impfpflicht nichts im Wege.