Von: APA/dpa
Ein Gericht in Rom hat die Internierung von derzeit zwölf im italienischen Migrationszentrum in Gjadër in Albanien untergebrachten Asylwerbern abgelehnt. Sie gehören zu den 16 Migranten (zehn aus Bangladesch und sechs aus Ägypten), die am Mittwoch mit dem Schiff “Libra” der italienischen Marine nach Albanien gebracht wurden. Vier Migranten befinden sich bereits am Rückweg nach Italien. Entweder sind sie minderjährig oder haben erhebliche Gesundheitsprobleme.
Auch die zwölf verbliebenen Asylbewerber sollen laut dem Gerichtsbeschluss nun nach Italien zurückgebracht werden. Sie werden am Samstag an Bord eines Marineschiffes gehen und nach Bari gebracht werden, berichteten italienische Medien.
Aufgrund des Gerichtsbeschlusses können sie nicht in den albanischen Einrichtungen bleiben, aber auch nicht in Albanien freigelassen werden. “Die beiden Länder, aus denen die Migranten kommen, Bangladesch und Ägypten, sind auch im Lichte eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg vom vergangenen Oktober nicht sicher”, schrieben die Richter in Rom.
Der Entscheidung der Richter liegt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von Anfang Oktober dieses Jahres zugrunde. In diesem wird festgehalten, dass ein EU-Land einen Drittstaat im Asylrecht nur als sicheres Herkunftsland definieren kann, wenn die Bedingungen dafür im gesamten Hoheitsgebiet des Staates erfüllt sind, so der Europäische Gerichtshof. Der Beschluss des Gerichts in Rom stellt die Grundlage des gesamten albanischen Plans, für den die Regierung von Premierministerin Giorgia Meloni über fünf Jahre hinweg mehr als 600 Millionen ausgeben will, ernsthaft in Frage.
Die von der italienischen Regierung auf den Weg gebrachten Regelungen gehen davon aus, dass Rückführungen in einem beschleunigten Verfahren (vier Wochen) durchgeführt werden können, wenn sie Bürger aus einer Liste von Ländern betreffen, die als “sicher” für Migranten gelten. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch festgestellt, dass diese Bedingung nur von Ländern erfüllt wird, in denen ausnahmslos alle Kategorien von Personen vor Diskriminierung sicher sind. Viele der 22 von Italien als “sicher” eingestuften Länder würden diesen Status nicht erreichen. Daher ist es nicht möglich, Ausländer in den für dieses “beschleunigte Verfahren” vorgesehenen Flüchtlingslager festzuhalten.
Der Richterbeschluss löste heftige Reaktionen aus. Innenminister Matteo Piantedosi kündigte Einspruch gegen den Richterbeschluss an. Es sei Sache der Regierung, zu definieren, was ein sicheres Land im Hinblick auf die Migration sei, sagte Premierministerin Giorgia Meloni. “Ich habe für Montag eine Kabinettssitzung einberufen, um die Regeln zur Überwindung dieses Hindernisses zu genehmigen”, erklärte Meloni bei einer Pressekonferenz in Beirut.
“Richter, die für Einwanderer sind, können bei den Wahlen kandidieren, aber sie sollten wissen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen”, heißt es in einer offiziellen Mitteilung der Lega, der Partei von Vizepremier Matteo Salvini. Die Regierungspartei “Fratelli d ́Italia” (FdI – Brüder Italiens) kritisierte die “von der Linken politisch beeinflussten Richter”. “Es ist unmöglich, diejenigen, die illegal einreisen, in Haft zu nehmen, und es ist verboten, illegale Einwanderer zurückzuschicken. Man will die Grenzen Italiens abschaffen, das werden wir nicht zulassen”, hieß es in einer Presseaussendung von FdI.
Oppositionschefin Elly Schlein, betonte, dass die beiden Migrationszentren, die Italien in Albanien eingerichtet hat und die rund 800 Millionen Euro kosteten, den Staatshaushalt belasten. Sie bestritt, dass das italienisch-albanische Migrantenprogramm ein Vorbild sein könnte, das andere EU-Länder nachahmen könnten. “Das Abkommen mit Albanien ist alles andere als ein Vorbild: Es ist ein illegales Abkommen, das gegen internationales Recht verstößt”, betonte Schlein. Die linke Oppositionspartei AVS meinte, wegen des Urteils sei der ganze Albanien-Plan der Regierung Meloni auf der Kippe.
Italien ist eines der Länder, die von der Fluchtbewegung aus Afrika nach Europa übers Mittelmeer besonders betroffen sind. Vor allem vergangenes Jahr waren die Zahlen hoch: Annähernd 160.000 Migranten erreichten Italiens Küsten auf Booten. Zurzeit kommen zwar weniger als halb so viele Menschen an als vor einem Jahr. Dennoch machen sich weiterhin Zehntausende mit oft kaum seetüchtigen Booten auf den Weg. Das italienische Experiment wird von anderen EU-Staaten aufmerksam verfolgt.
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