Von: ka
Brescello/Emilia Romagna – Mit italienweit nur 18,7 Prozent musste der Partito Democratico eine schwere Schlappe hinnehmen. Aber in diesem Meer der Tränen sticht ein ganz besonders herbes Wahldesaster noch heraus: die fast totale Niederlage in der Emilia Romagna.
Wenn die italienische Linke auch eine Niederlage einfuhr, so konnte sie sich bisher dennoch auf ein gutes Ergebnis in der rotesten aller Regionen, der Emilia Romagna, immer verlassen. Nicht zuletzt international berühmt geworden durch das ewige Duell zwischen dem kommunistischen Bürgermeister von Brescello in der Emilia, Peppone, herrlich interpretiert vom italienischen Schauspieler Gino Cervi, und seinem christlichen Widersacher Don Camillo, eine Rolle in die der Franzose Fernandel auf unnachahmliche Weise regelrecht aufging, wurde die Emilia Romagna zum Inbegriff des real existierenden Eurokommunismus und zur roten Region schlechthin. In gewisser Hinsicht der heimischen SVP nicht ganz unähnlich warf der Partito Comunista Italiano zuerst und dann der Partito Democratico später ein feines Netz bestehend aus Genossenschaften, roten Vereinen, Gewerkschaften und Unternehmerverbänden – ja, auch die in rot getüncht – über die Region. In der Emilia Romagna kam niemand mehr um den ehrfurchtsvoll „il partito“ genannten PCI herum. Die Partei oder besser gesagt ihre aus Genossenschaften und Vereinen bestehenden Tentakel begleiteten die Emiliani und Romagnoli von der Wiege über die Arbeitssuche und den Hausbau bis zum Grab. Damit waren die Emilia Romagna und „ihre Partei“ über lange Jahre überaus erfolgreich. Die norditalienische Region stieg wegen ihrer vielen kleinen und größeren Betriebe, des Tourismus und der weltberühmten Nahrungsmittelindustrie – man denke nur an Parmaschinken und Parmigiano reggiano – in das Gotha der europäischen Topregionen auf. Die Verbindung von kommunistischer Ordnung mit italienischem Flair überlebte selbst den Fall der Berliner Mauer und schien auf immer und ewig zu funktionieren.
Aber das blieb Wunschdenken. Die italienische Krise ging nicht spurlos an der Emilia Romagna vorbei. Viele Betriebe mussten schließen, wodurch die Arbeitslosigkeit stieg und stieg. Auch von manch großen und kleinen Skandalen, in die die rote Klasse verstrickt war, wurde die rote Region nicht verschont. Gefühlte Unsicherheit, Flüchtlingskrise und manch Verknöcherung des „unfehlbaren Systems“ verärgerten die Emiliani und Romagnoli immer mehr und ließen sie immer öfter nach politischen Alternativen Ausschau halten.
Elections results in #EmiliaRomagna a traditional stronghold of the centre-left: worst result for the centre-left since 1948, M5S second largest party, centre-right first coalition with Lega around 20%. from @Ist_Cattaneo pic.twitter.com/9xEbqqFi7Q
— Agnese Ortolani (@Agnese_Ortolani) March 5, 2018
So kam es am 4. März zu einem Desaster, das selbst die schwärzesten Prognosen in dieser Form nicht vorherzusagen wagten. Der allmächtige PD wurde als stärkste Partei von der Fünf-Sterne-Bewegung, welche in der roten Region 26,9 Prozent erreichte, entthront. Mit 33,4 Prozent wurde die gesamte linke Koalition von Berlusconi und der Lega geschlagen. Eine vernichtende Niederlage, so unisono das Fazit der politischen Kommentatoren.
Brescello, das rote Dorf des roten Kommunisten Peppone, spiegelte mit der Niederlage des PD im Kleinen das Ergebnis der gesamten Region wieder. Seit Sonntag wissen alle, dass die Zeiten der politischen Gewissheiten vorbei sind. Peppone musste zum Glück nicht mehr erleben, wie sein glorreicher Partito Comunista Italiano in Staub und Asche sank.
Panta rhei – „alles fließt“ – sagten die alten Griechen. In Italien beginnt laut einigen Politexperten die Dritte Republik. Dabei gehen alte Parteien unter, während neue im kometenhaften Aufstieg begriffen sind. Nur in Südtirol blieb erst einmal alles beim alten. Aber seit dem Desaster der Roten in der Emilia Romagna gibt es kein „auf immer und ewig“ mehr, eine Lehre aus Peppones Wahlniederlage.