Von: ka
Cagliari/Olbia/Cabras – Jede Sommersaison wieder kehrt das Problem zurück, dass Sardinienurlauber unerlaubterweise Sand, Muscheln und Steine oder sogar archäologische Fundstücke als „Souvenir“ mitgehen lassen. Besonders die Mitnahme von Sand und Kieselsteinen schädigt die sardischen Strände und leistet der Küstenerosion Vorschub. Trotz der hohen Strafen, die bis zu 3.000 Euro betragen können, scheint die Plage des „Sandraubes“ jedes Jahr schlimmer zu werden.
Auch wenn es jedes Jahr gelingt, bei den Kontrollen in den Flug- und Fährhäfen Hunderte von „Sandräubern“ zu ertappen und Dutzende von Zentnern von Sand und Kieselsteinen zu beschlagnahmen, sind sich die sardischen Behörden sicher, dass besonders in den Sommermonaten Tonnen von Sand, Steinen und Muscheln illegal die Mittelmeerinsel verlassen. Sorgen bereitet Behörden und Umweltaktivisten insbesondere, dass einige Touristen den Sand nicht mehr nur für sich als „Souvenir“ mit nach Hause nehmen, sondern beginnen, Sandproben im Netz zu verkaufen.
Das Phänomen, dass Touristen Sand stehlen, nimmt immer mehr überhand. Trotz eines scharfen Regionalgesetzes, das Strafen von 500 bis 3.000 Euro vorsieht, werden jedes Jahr immer größere Mengen von Sand und Muscheln den sardischen Stränden entzogen, sodass viele Sarden befürchten, dass, wenn es so weiter geht, von ihren schönen Stränden nicht mehr viel übrig bleibt.
An die Öffentlichkeit gelangen nur die eklatantesten Fälle. Ende August wurde ein französischer Urlauber angezeigt und bestraft, weil er 41 Kilogramm Quarz-Kieselsteine von einem naturgeschützten Strand mitgenommen hatte. Wie andere „Sandräuber“ seiner Art wurde er erwischt, als er die Fähre nehmen wollte. Die Kieselsteine wurden von den Behörden beschlagnahmt.
Zwei italienische Touristen aus Modena hingegen wurden dabei ertappt, wie sie elf fein säuberlich etikettierte Sandproben von der Insel nach Hause schmuggeln wollten. Das Paar hatte fast von jedem sardischen Strand, das es während seines Sardinienurlaubs besucht hatte, eine Sand- oder Kieselsteinprobe mitgenommen und die Glasfläschchen entsprechend beschriftet. Die Sandproben wurden im Gepäck des Paars entdeckt, als sie in Olbia die Fähre nach Livorno bestiegen.
Ebenfalls in Olbia gingen den sardischen Kontrolleuren zwei italienische Touristen ins Netz, die versuchten, seltene Muscheln, darunter auch ein Exemplar der streng geschützten Edlen Steckmuschel (Pinna nobilis) mit nach Hause zu nehmen. Gleich wie der Franzose und das Paar aus Modena wurden auch diese beiden Touristen angezeigt und mit einem hohen Bußgeld belegt.
Diese aufsehenerregenden Fahndungserfolge können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass von den Übeltätern tatsächlich nur ein sehr kleiner Prozentsatz erwischt wird. Auch wenn den Behörden bei den Kontrollen in den Flug- und Fährhäfen Dutzende von „Sandräubern“ ins Netz gehen, wobei von den Kontrolleuren Hunderte von Flaschen und Beuteln voller Sand, Steine und Muscheln beschlagnahmt werden, sind sich die Sarden sicher, dass jedes Jahr viele Tonnen Sand die Mittelmeerinsel verlassen.
Ertappte Touristen, die lächelnd vorgeben, von den Verboten keine Kenntnis zu besitzen, und darauf hinweisen, dass ihr „Souvenir“ nur sehr klein sei, können nicht auf Milde hoffen. Die meisten – so die sardischen Regionalbehörden – kennen das Verbot, Sand und Steinchen „mitgehen“ zu lassen. Ihnen sei sogar vollkommen bewusst, welchen Schaden sie dabei den Stränden zufügen.
Zudem beobachten die Kontrolleure, dass die „Sandräuber“ zu immer ausgefeilteren Methoden greifen, um bei den Kontrollen nicht erwischt zu werden. Unter anderem nutzen sie den doppelten Boden ihrer Koffer, um kleine Sandproben zu verstecken. Eine dreiste deutsche Touristin hingegen wollte die Kontrollen in den Flug- und Fährhäfen umgehen, indem sie schlauerweise ein Päckchen mit Sand mit der Post nach Hause schicken wollte. Die sardische Postbeamtin ahnte jedoch, dass es sich beim Inhalt des großen Umschlags nur um Sand handeln könne, und schaltete die Behörden ein. Die Deutsche erhielt eine Anzeige samt einem saftigen Bußgeldbescheid.
Viele dieser Sanddiebstähle werden samt Fotos auf der Facebook-Seite „Sardegna rubata e depredata“ und jener der sardischen Umweltwächter, der „Guardie Ambientali Sardegna“ dokumentiert.
Sorgen bereitet Behörden und Umweltaktivisten allerdings ein neues Phänomen, das dieses grassierende Übel weiter befeuern könnte. Einige Touristen begnügen sich offenbar nicht mehr nur damit, den Sand als „Souvenir“ mit nach Hause nehmen, sondern beginnen, Sandproben im Netz zu verkaufen. Der Bürgermeister von Cabras, Andrea Abris entdeckte die Anzeige eines deutschen Touristen, der über eBay versuchte, Quarzkörner vom Strand Is Arutas bei Oristano zu verkaufen. Der Verkäufer wurde von der Postpolizei identifiziert und angezeigt.
Auf der anderen Seite gibt es auch Sardinienurlauber, die ihren Sanddiebstahl bereuen. Eine Touristin aus der Lombardei brachte kürzlich zehn Kilogramm Sand zurück, den sie in Is Arutas und Torre dei Corsari gestohlen hatte. Dem Paket mit dem entwendeten Sand fügte sie auch ein Entschuldigungsschreiben bei. Gleich wie der in den Flug- und Fährhäfen beschlagnahmte Sand werden auch diese zehn Kilogramm Sand wie in den vergangenen Jahren den Stränden zurückgegeben werden.
Dieser erfreuliche Fall zeigt aber auch, wie viel Sand trotz der Kontrollen das Festland erreicht. Die Sarden begegnen dem Sanddiebstahl, der offensichtlich immer größere Ausmaße annimmt, inzwischen fast mit Ratlosigkeit. Neben dem Einsatz von eigenen Wächtern, die auf den bekanntesten Stränden patrouillieren sollen, wird darüber diskutiert, die Strafen weiter zu verschärfen, wobei in Zukunft bei besonders krassen Fällen wie in der Türkei Gefängnisstrafen verhängt werden sollen. Die Natur und darunter besonders die sehr schönen Strände sind das größte Kapital der Mittelmeerinsel. Sie wirkungsvoll zu schützen, ist das oberste Ziel der Sarden.