Von: Ivd
Rom – In Italien ist das „Hotel Mama“ ein weitverbreitetes Phänomen: Junge Italiener ziehen im Durchschnitt erst mit 30 Jahren aus dem Elternhaus aus. Diese Besonderheit sorgt immer wieder für Schlagzeilen und wirft Fragen auf – warum verlassen Italiens „Riesenbabys“ das Nest so spät?
Eine Studie des Instituts für Finanzmarktforschung (SAFE) in Frankfurt beleuchtet, warum Italiener so lange bei den Eltern wohnen. Niedrigere Einkommen und hohe Mieten machen es jungen Erwachsenen schwer, finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Professor Alexander Ludwig von der Goethe-Universität Frankfurt erklärt: „Wenn wir den deutschen Wohnungs- und Mietmarkt an italienische Verhältnisse anpassen, würden auch mehr Deutsche länger bei ihren Eltern bleiben.“
Mutter aus Pavia hat Rundum-Service satt
Ein Fall aus Pavia im Herbst 2023 zeigte, wie hartnäckig das „Hotel Mama“-Phänomen sein kann: Eine 75-jährige Rentnerin setzte gerichtlich durch, dass ihre 40 und 42 Jahre alten Söhne bis Weihnachten ausziehen müssen. Trotz fester Jobs weigerten sich die Söhne, Miete zu zahlen oder im Haushalt zu helfen – eine Belastung, die die Mutter schließlich nicht mehr tragen wollte. Das Gericht gab ihr recht und die Söhne mussten sich einen neuen Rundum-Service suchen.
Die Nestverbundenheit hat nicht nur wirtschaftliche Gründe: Italienische Familien sind traditionell eng verbunden, was das längere Zusammenleben nach sich zieht. Der Begriff „Mammoni“ (Muttersöhnchen) beschreibt liebevoll-ironisch die erwachsenen Söhne, die nicht von zuhause wegziehen wollen. Diese kulturelle Norm verstärkt den Trend und macht das Elternhaus zu einem sicheren Hafen.
Riesenbabys schaden der Wirtschaft
Doch es gibt auch ernsthafte Konsequenzen: Die italienische Zentralbank warnte vor wirtschaftlichen und demografischen Problemen, wenn junge Menschen die Gründung eigener Haushalte und Familien immer weiter hinauszögern. Die verzögerte Integration in den Arbeitsmarkt und die stagnierende Nachfrage nach Wohnraum könnten langfristig negative Effekte auf die Wirtschaft haben.
Auch im europäischen Vergleich fällt Italien auf: Kroatien führt die Liste mit einem durchschnittlichen Auszugsalter von 33,4 Jahren an, gefolgt von der Slowakei (30,8 Jahre) und Griechenland (30,7 Jahre). Spanien liegt mit 30,3 Jahren ebenfalls über dem EU-Durchschnitt von 26,4 Jahren.
Maßnahmen, um Auszug früher zu ermöglichen
Italien muss Wege finden, jungen Erwachsenen den Weg in die Unabhängigkeit zu erleichtern. Reformen in der Wohnungspolitik und Maßnahmen zur Einkommenssteigerung könnten helfen, die wirtschaftlichen Hürden zu überwinden. So kann das Phänomen des späten Auszugsalters in Italien nachhaltig verändert und die wirtschaftliche Dynamik des Landes gestärkt werden.
Bis dahin bleibt das „Hotel Mama“ für viele junge Italiener die bevorzugte Bleibe – sehr zur Freude der einen und dem Leidwesen der anderen.