Druck auf Rom

Selenskyj kritisiert „Putin-Freunde“ in Italien

Freitag, 01. März 2024 | 13:48 Uhr

Von: mk

Rom/Kiew – Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat sich als überzeugte Unterstützerin der Ukraine profiliert. Trotzdem erhöht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nun den Druck auf Rom und verlangt, gegen „zahlreiche Putin-Freunde“ im Land vorzugehen. Gleichzeitig kritisieren deutsche Medien die geringe materielle Hilfe, die Italien bisher für die Ukraine geleistet hat.

Meloni hat ihre Unterstützung für die Ukraine gleich bei mehreren Gelegenheiten bekundet – zuletzt, als sie zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine nach Kiew reiste. Gemeinsam mit Selenskyj unterzeichnete sie die zehnjährige Sicherheitspartnerschaft. Bereits kurz nach ihrem Amtsantritt im Oktober 2022 hatte Meloni eine ihrer ersten Auslandsreisen in die ukrainische Hauptstadt unternommen.

In Kiew hielt Meloni zudem die erste Konferenz ihrer G7-Präsidentschaft im Online-Format ab. Bereits zu Jahresbeginn hatte sie angekündigt, die Unterstützung für die Ukraine zu einem zentralen G7-Thema zu machen.

Ein Besuch bei US-Präsident Joe Biden soll die enge Beziehung zwischen den USA und Italien unterstreichen, wobei auch hier die Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriff ein Hauptthema sein wird.

Während Meloni innerhalb der Regierung in Rom in ihrer Haltung – zumindest nach außen hin – Standhaftigkeit bewiesen hat, ergibt sich bei ihren Partnern ein gemischtes Bild. So gehören zur Regierungskoalition neben Melonis Partei Fratelli d’Italia auch die konservative Forza Italia und die rechtspopulistische Lega, die beide bis zum Kriegsausbruch als ausgesprochene Russlandfreunde bekannt waren.

Bei Forza Italia hat sich dieser Eindruck gewandelt, seit Parteigründer Silvio Berlusconi gestorben ist und Pro-Europäer Antonio Tajani das Ruder übernommen hat, der Melonis Strategie der Ukraine-Unterstützung folgt. Berlusconi galt als persönlicher Freund von Kreml-Chef Wladimir Putin.

Die Haltung der Lega ist unterdessen weiter unklar: Parteichef Matteo Salvini hat erst kürzlich durch laut geäußerte Zweifel für Aufruhr gesorgt, mit denen er infrage stellte, ob Putins Regierung tatsächlich für de Tod des russischen Regimekritikers Alexej Nawalny verantwortlich sei.

Bei Melonis Besuch in Kiew hat nun Selenskyj möglicherweise auf Salvinis zweideutige Wortmeldungen reagiert und bemängelte, dass sich in Italien zu viele „Putin-Freunde“ aufhielten, gegen die vorgegangen werden müsse. Zwar stehe außer Frage, dass Meloni die Ukraine unterstütze, doch die russische Propaganda stelle auch „eine Waffe“ dar, erklärte Selenskyj bei der gemeinsamen Pressekonferenz.

Laut Selenskyj will die Ukraine eine Liste „russischer Propagandisten“ der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament, den führenden Politikern der EU und den USA vorlegen, die nicht nur Italien betreffe. Der ukrainische Präsident forderte dazu auf, dass die Argumente der Putin-Freunde zu widerlegen und ihre Visa zu beenden.

Kritik an wenig materieller Unterstützung

Gleichzeitig schreibt etwa die Welt, dass Italiens Unterstützung der Ukraine im Vergleich zu anderen Ländern mehr Symbolpolitik und weniger effektive Leistungen beinhalte. Kein anderes G7-Land habe weniger Hilfe für die Ukraine als Italien geleistet, heißt es. Sogar Länder wie Kanada und Japan liegen vor Rom, wie der Ukraine Support Tracker des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zeigt.

Italien hat demnach finanzielle, humanitäre und militärische Zuwendungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro beigesteuert und erreicht damit nur Platz 17 der Geberländer. Gleichzeitig verfüge das Land über die drittstärkste Wirtschaft der EU, schreibt die Welt.

Frankreich, dessen Zahlen ähnlich desaströs seien, kann mit der Lieferung von Panzern und Langstrecken-Raketen zumindest für sich behaupten, entscheidende Waffen an Kiew zu liefern. Gleichzeitig verweist Paris auf die Kosten seiner atomaren Abschreckung, von der ganz Europa profitiere.

Wie die militärische Unterstützung Italiens im Detail ausschaut, ist unklar: Der genaue Umfang von Waffenlieferungen, für die das Parlament erst kürzlich grünes Licht für das laufenden Jahr gegeben hat, unterliegt der Geheimhaltung.

Die bisherigen acht Lieferungen aus Rom enthielten Gerüchten italienischer Medien zufolge Schutzausrüstung, Munition verschiedener Kaliber, Panzerabwehr- und Flugabwehrsysteme vom Typ Stinger, Mörser, Milan-Raketenwerfer, leichte und schwere Maschinengewehre, Lince-Mehrzweckfahrzeuge, Fh70-Feldhaubitze und PzH-2000-Panzerhaubitze. Bis auf die letzten drei Waffen wurden alle anderen Güter von der italienischen Armee nicht mehr verwendet. Militärexperten haben in der Vergangenheit auch Spanien kritisiert, nicht genug für Ukraine zu unternehmen.

Deutschland liegt mit seiner Hilfe für die Ukraine im internationalen Vergleich hingegen an Platz zwei gleich nach den USA. Allerdings sorgt hier immer wieder die zögerliche Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Lieferung moderner Waffensysteme für Diskussionen – zuletzt beim Marschflugkörper Taurus.