Zehntausende Italiener gehen kuriosem Hobby nach

Sie fühlen sich „wie Kinder“

Sonntag, 08. Oktober 2023 | 11:07 Uhr

Von: mk

Rom – Die schönen Herbsttage haben die Badesaison in Italien zwar etwas in die Länge gezogen, doch auf vielen Stränden werden mittlerweile Liegestühle und Sonnenschirme wieder abgebaut. Während die Sandflächen zunehmende leerer werden und auch die letzten Strandbars ihre Tore schließen, kommen sie zum Vorschein – die Schatzsucher, die mit ihren Metalldetektoren bei Sonnenuntergang den Boden abtasten.

Mit gesenktem Haupt und Kopfhörern laufen sie auf dem Sand oder im seichten Wasser den Strand entlang und registrieren konzentriert jeden Ton, den ihre Geräte abgeben. Gesucht wird nach allem Wertvollen, was Badegäste im Laufe der Sommertage verloren haben, wie etwa Münzen oder abgezogene Ringe. Aber auch Smartphones und Halsketten sind manchmal dabei.

Im Internet präsentieren die Schatzsucher auf eigenen Foren stolz ihre Funde und tauschen sich über die vielversprechendsten Orte aus. Schatzsuche mit Metalldetektoren wird in Italien immer mehr zu einem beliebten Hobby, schreibt die Online-Ausgabe der Berliner Morgenpost. Die nötige Ausrüstung gibt es ab 100 Euro aufwärts. Auf den modernsten Geräten zeigt ein Display einen Zahlencode an, falls die Sonde auf etwas Metallisches stößt. Dank ihrer jahrelangen Erfahrung können Schatzsucher bereits am Geräusch ihres Detektors erkennen, was sich im Sand verbirgt.

Für viele wird das Hobby zu einer wahren Leidenschaft und sogar zu einer Lebensphilosophie. Dazu zählt Leonardo Ciocca, der italienweit als größter Experte unter den Schatzsuchern gilt. Mit Büchern, Youtube-Videos, mit Beiträgen in Internet-Foren und zahlreichen Artikeln ist er inzwischen zu einer Berühmtheit unter den Interessierten geworden. Während sein Kanal auf Youtube 15.000 Abonnenten zählt, hat er in Cesenatico sogar eine Sondler-Akademie gegründet, und zwar mit dem Unternehmen „Detector Shop“, das Metalldetektoren importiert und verkauft. Vor 16 Jahren hatte er für 50 Euro seinen ersten Metalldetektor gekauft.

Überhaupt hat sich Cesenatico zur italienischen Hauptstadt der Schatzsucher etabliert. Im Frühjahr findet dort jährlich der sogenannte „Garret Contest“ statt, bei dem sich Hunderte von Teilnehmern aus aller Welt auf die Suche nach vergrabenen Gegenständen begeben.

„Fühlen uns wie Kinder bei einer Schatzsuche“

Laut Ciocca gehen bis zu 30.000 Personen in Italien diesem kuriosen Hobby nach. Wenn man Gelegenheitssucher mitzähle, seien es noch mehr. „Es ist eine Leidenschaft, die uns in die freie Natur führt, gut für den Körper ist, uns entspannt“, erklärt der 51-Jährige. „Sie fasziniert uns, vor allem, weil wir uns wie Kinder bei einer Schatzsuche fühlen.“

Ciocca ist mit seinem Metalldetektor nicht nur am Strand, sondern auch in Wäldern, Parks und auf Feldern unterwegs. „Dort findet man oft die interessantesten und ältesten Gegenstände“, erzählt er. So sei es nicht unüblich, Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg, Kugeln, Flugzeugteile, aber auch Plaketten toter Soldaten zu finden.

Die Verwendung von Metalldetektoren ist in Italien allgemein erlaubt. Ausgenommen sind umweltgeschützte Areale und archäologische Grabungsstätten. Der Italienische Verband für Metalldetektion setzt sich dafür ein, dass die Sondengänger-Bewegung in Italien besser geregelt wird „Wir wollen, dass eine ähnliche Lizenz wie für Drohnen eingeführt wird. Das erfordert von den Schatzsuchern mehr Verantwortung“, erklärt Verbandspräsident Francesco Manzella. Man dränge auch darauf, dass bei dem Fund von Gegenständen von besonderem historischem Interesse dies den zuständigen Behörden gemeldet werde.

Kuriose Funde

Für Hotelbesitzer Marcello Cenerelli aus Milano Marittima ist die Schatzsuche am Strand seit 30 Jahren eine Leidenschaft. Seinen eigenen Gästen stellt er sogar kostenlos Metalldetektoren zur Verfügung. „Meistens tauchen Münzen aus dem Sand auf. Man kann aber auch immer noch die alten Lire finden“, berichtet er.

Zu Beginn des Herbstes sei die ideale Zeit, um nach Schätzen im Sand zu graben, wenn die Touristen fort sind. Zu seinen kuriosesten Funden zählen Gebisse, Goldzähne und sogar Sexspielzeug. Seine wertvollste Trophäe war bisher ein Ring mit einem besonders schönen Stein. Was er findet, verkauft er nicht. Das sei seine Regel. Meistens verschenke er die Gegenstände. Den Schmuck erhält seine Frau.