Von: ka
Mailand – Alessia Pifferi, die vor zwei Jahren ihre erst 18 Monate alte Tochter Diana sechs Tage lang allein gelassen und dadurch ihren Tod verursacht hatte, ist am Montag zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden.
Im Wesentlichen folgte das Schwurgericht von Mailand damit zwar den Ausführungen des Staatsanwalts, der für die heute 38 Jahre alte Frau die Höchststrafe gefordert hatte, schloss aber den erschwerenden Umstand des Vorsatzes aus. Für die Urteilsfindung entscheidend dürfte das vom Gericht im Auftrag gegebene psychiatrische Gutachten gewesen sein, das der 38-Jährigen zwar Symptome eines Mangels an Empathie, aber keine echte psychiatrische Krankheit bescheinigt. Die Familie des Opfers nahm den Richterspruch mit Erleichterung auf. Alessia Pifferis Verteidigerin sprach hingegen von einem „bereits geschriebenen Urteil“ und kündigte an, in Berufung gehen zu wollen.
Das Urteil des Schwurgerichts von Mailand setzt unter einen der aufsehenerregendsten und traurigsten Mordfälle Italiens der letzten Jahre einen vorläufigen Schlussstrich. Der erschütternde Tod der kleinen Diana, die in Alessia Pifferis vollkommen verwahrlosten Sozialwohnung am Stadtrand von Mailand allein zurückgelassen worden war, löste in der italienischen Öffentlichkeit Abscheu und Entsetzen aus. Für Alessia Pifferi war Diana nur mehr eine Last gewesen, die ihren rasch wechselnden Männerbeziehungen im Weg gestanden war. Um ihre Beziehung mit ihrem letzten Partner pflegen zu können, hatte Alessia Pifferi ihre erst 18 Monate alte Tochter vom 14. bis zum 20. Juli sechs Tage lang allein gelassen, wodurch sie ihren Tod herbeigeführt hatte.
„Es ist ein gerechtes Urteil und ein erster Schritt zur Ermittlung der Wahrheit. Mit dem Urteil wurde auch das Opfer wieder in den Mittelpunkt des Prozesses gestellt“, kommentierte der Staatsanwalt Francesco De Tommasi den Richterspruch, der für die Täterin eine lebenslängliche Haftstrafe vorsieht.
„Alessia Pifferi hat den Tod ihres Kindes billigend in Kauf genommen. Sie hat es dem Schicksal überlassen, ihr das Kind zu nehmen. Sie hatte nicht den Mut, es selbst zu tun. Sie hat nämlich vom 14. bis 21. Juli 2022 sechs Tage bei ihrem damaligen Lebensgefährten verbracht. Sie hat ihm erklärt, dass ihre Tochter mit ihrer Schwester am Meer sei. Und während die Mutter sich mit ihm vergnügt hat, hat das kleine Mädchen aus Hunger versucht, ihre Windel zu essen. Einige Fetzen der Windel wurden später in ihrem Magen gefunden. Sie war noch nicht einmal 18 Monate alt, als sie nach grausamen und schrecklichen Leiden an Hunger und Durst starb. Sie lag auf dem Rücken in ihrem Bettchen, ihre Augen waren eingesunken, ihr Mund war dunkel gefärbt und ihre Hände und Füße wiesen bereits erste Verwesungsspuren auf. Alessia Pifferi hätte alles tun können, um sie zu retten, aber sie hat nur Lügen aufgetischt. Die Frau ist sich ihrer Taten vollkommen bewusst und spielt nur eine Rolle“, so Staatsanwalt Francesco De Tommasi während seines Plädoyers.
Die Verteidigerin Alessia Pontenani, die für Alessia Pifferi einen Freispruch oder eine Verurteilung wegen Kindesvernachlässigung mit Todesfolge in Folge eines anderen Verbrechens gefordert hatte, sprach hingegen von einem „bereits geschriebenen Urteil“.
Während ihres Plädoyers argumentierte sie, dass die 38-Jährige an einer schweren kognitiven Beeinträchtigung leide, die bereits durch einige während ihrer Schulzeit erstellte Dokumente belegt sei.
La bambina morta di stenti, ergastolo per la madre
La bambina morta di stenti, ergastolo per la madre Alessia Pifferi condannata all'ergastolo per aver lasciato morire di stenti la figlia Diana di diciotto mesi, abbandonata da sola in casa per sei giorni. Valeria Papitto per il Tg3 delle 19 del 13 maggio 2024
Posted by Tg3 on Monday, May 13, 2024
„Alessia Pifferi hatte ein schreckliches Leben, sie wurde als Kind vernachlässigt und sehr oft allein gelassen. Ich glaube nicht, dass Alessia Pifferi eine völlig zurechnungsfähige Person ist. Sie wurde Opfer sexueller Gewalt, im Alter von 14 Jahren verließ sie die Schule, sie hat kognitive Defizite und lebte ohne Arbeit in extremer Armut. Sie wusste nicht, dass sie schwanger war. Sie brachte das Kind ohne fremde Hilfe in einem Badezimmer zur Welt und dachte nie an die Folgen ihres Handelns. Hätte sie es gewusst, wären wir jetzt nicht hier, sondern würden nach einem Kind suchen, das seit zwei Jahren vermisst wird. Das Gefängnis ist kein geeigneter Ort für sie, denn sie braucht Betreuung. Alessia wollte ihre Tochter nicht töten“, plädierte Alessia Pontenani für eine mildere Strafe.
Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Anwältin ihrer Mutter Maria Assandri und ihrer Schwester Viviana wiesen diese Sichtweise jedoch zurück. „Keine kognitive Störung hebt ihre mütterliche Verantwortung auf. Alessia Pifferi hat eigenständig entschieden, ihre Tochter allein zu Hause zu lassen, und hat sowohl ihren Partner als auch ihre Familie belogen. Die Zweifel an ihrer Zurechnungsfähigkeit werden durch das Gutachten ausgeräumt, in dem festgestellt wird, dass sie zum Zeitpunkt der Tat zurechnungsfähig war und diese Tatsache nicht durch eine kognitive Störung in ihrer Kindheit aufgehoben werden kann“, so die Anwältin.
In der Tat dürfte das vom Gericht im Auftrag gegebene psychiatrische Gutachten für die Urteilsfindung entscheidend gewesen sein. Laut dem Gutachten weist die Angeklagte zwar offensichtliche Symptome eines Mangels an Empathie, aber keine echte psychiatrische Pathologie auf. Es handelt sich dabei um eine Störung, die von Fachexperten als Alexithymie oder Gefühlsblindheit bezeichnet wird.
„Diese Störung verhindert das Aufkommen von Emotionen, was in der Praxis dazu führt, dass eine Person so lebt, als ob sie sich hinter einer Glasfläche befinde“, erklärt der Sachverständige Elvezio Pirfo. Dem Psychiater zufolge handelt es sich dabei um eine Art „emotionalen Analphabetismus“, der das Verhalten von Alessia Pifferi beeinflusst habe, wodurch in ihr die Rolle der Frau über die der Mutter gestellt worden sei.
In der italienischen Öffentlichkeit wurde das Urteil mit Erleichterung und Zustimmung aufgenommen. Auch viele Italiener vertreten die Meinung, dass weder eine kognitive Störung noch eine schlechte Kindheit glaubhafte Gründe seien, um eine Mutter von ihrer Verantwortung für das Kindeswohl zu lösen.