Von: ka
Cisliano – Der 44-jährige William Anzaghi ist ein gebrochener Mann. Drei Jahre, nachdem seine Ex-Frau, die 41-jährige Patrizia Coluzzi, die gemeinsame Tochter, die damals zweijährige Edith, mit einem Kissen erstickt hat, fragt sich William Anzaghi immer noch, warum er das kleine Mädchen nicht sehen durfte und warum ihm niemand geglaubt hat.
„Sie sagte, ich hätte sie geschlagen, aber es war alles gelogen“, so der 44-Jährige, der damals nicht nur den Schmerz über den Verlust seiner kleinen Tochter verarbeiten, sondern sich auch gegen die infame Anschuldigung wehren musste, dass er ein gewalttätiger Ehemann gewesen sei. Der gewaltsame Tod von Edith ist die traurige Geschichte einer Tragödie, die möglicherweise hätte verhindert werden können.
Als die Rettungskräfte am Abend des 7. März 2021 in ihre Wohnung in Cisliano bei Mailand eindrangen, lagen beide nebeneinander auf dem Doppelbett. Während die 41-jährige Patrizia Coluzzi sich in einem halbbewussten Zustand befand und an beiden Armen die Zeichen selbst zugefügter Schnittwunden trug, war ihre zweijährige Tochter Edith tot. Die Ermittlungen ergaben, dass Patrizia Coluzzi das kleine Mädchen im Schlaf erstickt hatte. Auf dem Spiegel im Schlafzimmer klebten eine Reihe von Zetteln, die an die beiden Kinder Coluzzis aus einer früheren Beziehung gerichtet waren und in denen sie sich bei ihnen für ihre abscheuliche Tat entschuldigte.
Schockierend war auch ihre letzte Nachricht auf ihrer Facebook-Seite. „Lieber Ehemann, geh und zeige mich ruhig erneut wegen Verleumdung und übler Nachrede an. Denunziere mich ruhig wieder wegen Kindesentführung. Edith ist mein kleines Mädchen“, lautete der Eintrag der 41-Jährigen. Laut Ansicht des Untersuchungsrichters hatte die Mutter ihre eigene Tochter „mit Vorsatz getötet, um an ihren Ex-Mann Rache zu nehmen“.
Am 12. Januar wurde Patrizia Coluzzi von einem Gericht in Pavia wegen Mordes zu zwölf Jahren Haft und weiteren fünf Jahren Sicherheitsverwahrung verurteilt. Einer längeren Haftstrafe entging die Frau nur, weil ihr das Gericht eine verminderte Zurechnungsfähigkeit zuerkannte.
Der Vater des Opfers, der 44-jährige William Anzaghi, ist ein gebrochener Mann. Er musste nicht „nur“ den Schmerz über den Verlust seiner kleinen Tochter erleiden, sondern sich auch gegen die infame Anschuldigung wehren, dass er ein gewalttätiger Ehemann gewesen sei. Während Patrizia Coluzzis Anzeigen wegen häuslicher Gewalt erst Monate nach Ediths Tod archiviert wurden, konnten jene gegen seine Ex-Frau angestrengten Verfahren – William Anzaghi hatte sie wegen Verleumdung und Kindesentführung angezeigt – die sich anbahnende Tragödie nicht verhindern.
William Anzaghi hatte Patrizia Coluzzi vor sieben Jahren in seiner noch immer von ihm betriebenen Bar kennengelernt. Die Beziehung zwischen dem 44-Jährigen und der 41-Jährigen, die ihre zwei Kinder aus einer früheren Beziehung mit in die Ehe brachte, wurde zwei Jahre später durch die Geburt der kleinen Edith gekrönt. Zunächst schien die Ehe einen glücklichen Lauf zu nehmen, aber während der Pandemie zogen über die Beziehung dunkle Wolken auf.
„Irgendetwas ging kaputt. Für mich war der Neubeginn einfacher. Ich konnte wieder die Bar öffnen und brachte die Kinder jeden Tag in die Schule. Sie hingegen war mit der Kleinen allein zu Hause. Sie wurde eifersüchtig. Sie überprüfte mein Smartphone und stellte mir nach. Wir stritten uns, aber ich erhob nie die Hand gegen sie“, erzählt William Anzaghi dem Corriere della Sera.
Um zu behaupten, dass sie und das Kind von ihm geschlagen werden, postete Patrizia Coluzzi auf Facebook Bilder von Schnitten und Blutflecken, die sie gekonnt mit Videos und Nachrichten von ihm mischte. William Anzaghi hatte genug und verließ Ende November 2020 die gemeinsame Wohnung. Da vom Konto Tausende Euro fehlten, blockierte er ihre Kreditkarte. Daraufhin überschlugen sich die Ereignisse.
„Nach dem Facebook-Eintrag erfuhr ich am Abend von ihrer Nichte, dass Patrizia wegen eines Selbstmordversuchs im Krankenhaus lag. Zu Hause bei ihr war niemand. Edith war bei Patrizias Eltern, aber sie ließen mich nicht zu ihr. Da meine ganzen Sachen weggeschmissen worden waren, blieb mir nichts anderes übrig, als zu meinen Eltern zu ziehen“, so der 44-Jährige über die Trennung von seiner Frau. In der Folge zeigte Patrizia ihren Mann wegen häuslicher Gewalt an, woraufhin er gegen sie wegen Verleumdung und Kindesentführung Anzeige erstattete.
Der Mord an seiner Tochter, den er praktisch live miterleben musste, war das Schlimmste in seinem Leben. „Am Nachmittag sagte sie mir, dass wir uns treffen sollten, aber ich hatte die Bar. Beim Abendessen rief sie mich mit Edith per Video an. ‘Schau, wie schön wir uns für dich gemacht haben’, sagte sie. Wir sprachen über die Trennung, die sie ablehnte. Dann filmte sie Edith, die zu schlafen schien. ‘Schau, was du getan hast. Du verstehst einen Dreck und willst ihr wirklich wehtun’, wurde sie laut. Ich dachte, es sei einer ihrer Anfälle, es wirkte theatralisch. ‘Du kannst dich jetzt deiner Bar widmen, Edith ist weg’, fügte sie hinzu und legte sofort auf. ‘Ruf die Polizei an, Edith ist nicht mehr da!’, rief sie erneut an. Da wusste ich, dass wirklich etwas passiert war. Sie wusste, was sie tun würde, und sie tat es, um mir die Schuld zuzuschieben. Sie wollte sich an mir rächen, sie wusste, dass ich für dieses Kind alles getan hätte“, so William Anzaghi über diesen schrecklichen Tag.
Auf die Frage des Journalisten, ob er Wut empfinde, hat der 44-Jährige eine vielsagende Antwort. „Ich bin wütend auf sie, aber auch auf die Behörden. Bei allen bin ich vorstellig geworden, aber niemand hat eingegriffen. Selbst die Carabinieri waren machtlos. Ich hatte keine Möglichkeit, meine Tochter zu sehen, obwohl es mein Recht war. Monatelang hat mir niemand wirklich zugehört“, so das traurige Fazit eines verzweifelten Mannes.