Zwei Stunden des Wahnsinns ohne Reue – VIDEO

“Sie wollten nur Schmerzen verursachen und töten”

Freitag, 28. Juni 2024 | 08:04 Uhr

Von: ka

Pescara – Mehrere Tage nach dem brutalen Mord an Cristopher Thomas Luciani, der am Sonntagabend von zwei 15-Jährigen erstochen wurde, gelangen immer neue erschütternde Details der Bluttat ans Tageslicht. Viele Indizien, zu denen auch die Aufnahmen mehrerer Überwachungskameras gehören, deuten darauf hin, dass es der Jugendclique weniger daran lag, vom Opfer die 250 Euro Schulden einzutreiben, sondern es den 15-Jährigen vielmehr darum ging, den 16-Jährigen zu quälen und zu ermorden.

Als ob nie etwas Fürchterliches geschehen wäre, zog es die Jugendlichen nach dem Mord zum Baden und für ein paar Selfies ans Meer. „Sie wollten nur Schmerzen verursachen und töten“, so die ermittelnden Jugendrichter in ihrem Haftbefehl. Offenbar von Gewissensbissen getrieben, brach einer der sechs Jugendlichen Stunden nach der Tat am Abend das Schweigen, aber für Cristopher Thomas Luciani, der zu diesem Zeitpunkt schon lange tot war, kam jede Hilfe zu spät.

Dank mehrerer Überwachungskameras lässt sich das, was am späten Sonntagnachmittag im verwahrlosten Park in der Nähe der Innenstadt von Pescara geschah, recht detailgetreu nachzeichnen.

Am Sonntagnachmittag gegen 16.46 Uhr tauchen vor dem Park zwei hagere Jugendliche auf. Wie die Ermittler der Polizei später feststellen sollten, handelt es sich bei ihnen um Christopher Thomas Luciani und einen 15-Jährigen, der als einer der beiden mutmaßlichen Täter gilt. Zum ersten 15-Jährigen und dem 16-jährigen Opfer gesellen sich wenige Minuten später fünf weitere Jugendliche, die gleich wie die ersten beiden allesamt Bermudashorts und T-Shirts tragen.

In den Aufnahmen ist zu sehen, wie Christopher Thomas Luciani und der erste 15-Jährige die Gruppe plötzlich verlassen und sich ins hohe Gras des verwahrlosten Parks begeben. Man sieht gerade noch, wie der 15-Jährige seinen Arm um Christophers Schultern legt. „Der Junge im weißen Sweatshirt (Christopher, Anm. d. Red.) ging in Begleitung des Jungen im schwarzen T-Shirt hinaus ins hohe Gras. Wenige Minuten später werden sie dort von vier weiteren Jugendlichen erreicht“, so der Ermittlungsbericht der Polizei.

Dies ist der Höhepunkt des grausamen Nachmittags in Pescara. Vermutlich genau in diesen Momenten wird Christopher Thomas Luciani erstochen. Dabei sollen die Mörder das Opfer verhöhnt haben. „Thomas röchelte und lag im Sterben, aber sie sagten ihm nur, dass er still sein solle“, sollte später ein Zeuge aussagen.

„Es ist 17.21 Uhr. Der Junge im weißen Sweatshirt und den blauen Bermudashorts, der später als Christopher Thomas Luciani identifiziert wird, kommt nicht mehr aus dem hohen Gras heraus“, heißt es lapidar im Ermittlungsbericht der Polizei, der zu einem guten Teil auf die Auswertung der Aufnahmen der Überwachungskameras beruht.

Ganz als ob nie etwas Fürchterliches geschehen sei, zieht es die Jugendlichen nach dem Mord zum Baden und für ein paar Selfies ans Meer. Der 15-Jährige, der als der mutmaßliche Haupttäter gilt, scheint in Hochstimmung zu sein. In den von seinen Freunden geschossenen Fotos ist zu sehen, wie er in die Kamera lacht, seine Muskeln zur Schau stellt und sich – vielleicht sogar zum Zeichen des „Sieges“ – mit der Faust auf die Brust klopft. Ganz nahe bei ihm ist sein wahrscheinlich wichtigster Freund, der genau wie er 15 Jahre alt ist. Letzterer gibt ihm seine blutige Socke, um die Tatwaffe verschwinden zu lassen. Zusammen mit der Socke wird das Messer von den Felsen weit ins Meer geschleudert. Nach der Tatwaffe, bei der es sich um ein Tauchermesser handeln soll, wird im Meer intensiv gesucht.

Selbst zu diesem Zeitpunkt ist bei keinem der sechs Jugendlichen auch nur ein Anschein von Reue zu erkennen. Am Sonntagabend stellt sich aber heraus, dass einer der vier anderen Jugendlichen mit der unfassbaren Bluttat, die wenige Stunden vorher geschehen ist, nicht mehr länger zurechtkommt. Von Gewissensbissen geplagt, beschließt er vor seinem Vater, einem Oberst der Carabinieri, reinen Tisch zu machen. Es ist 21.00 Uhr, als bei der Notrufzentrale das Telefon klingelt. „Ich war verwirrt und verstand, dass ich das nicht für mich behalten konnte“, beichtet später der Jugendliche.

ANSA

Als gegen 21.30 Uhr die Rettungskräfte und der zuständige Staatsanwalt am Tatort eintreffen, bietet sich ihnen ein Bild des Grauens. Mit 25 Messerstichen ermordet, liegt Cristopher Thomas Luciani mit schmerzverzerrtem Gesicht im hohen Gras.

Für die Polizeibeamten war es nach den Aussagen des dritten Jugendlichen ein Leichtes, alle an der Bluttat beteiligten Personen ausfindig zu machen. Dabei stellten sie auch das schwarze T-Shirt eines der beiden mutmaßlichen Haupttäter sicher.

Ihr abscheuliches Verhalten nach der Tat und die Art und Weise, wie der 16-Jährige ermordet wurde, belastet die beiden mutmaßlichen Haupttäter – den ersten und den zweiten 15-Jährigen – schwer. Der Ansicht des ermittelnden Jugendrichters zufolge waren die geschuldeten 250 Euro zuletzt nur mehr ein Vorwand, um das Opfer zu quälen und zu töten. In der mittelitalienischen Adriahafenstadt, die seit dem Bekanntwerden der schrecklichen Gewalttat unter Schock steht, fürchtet man sich vor den menschlichen Abgründen, in die man blicken muss.