Sind 20 Millionen Euro für 20 Bergbewohner gerechtfertigt? – VIDEO

„So ein Ort darf nicht sterben“

Freitag, 28. Februar 2025 | 08:13 Uhr

Von: ka

Elva – Seit es der Gemeindeverwaltung von Elva, einer der kleinsten Gemeinden Italiens, vor zwei Jahren gelungen ist, 20 Millionen Euro aus dem PNRR-Fonds zu erhalten, herrscht wieder Zuversicht und Aufbruchstimmung in der von der Verödung bedrohten Berggemeinde im Piemont. Doch nicht alle sind begeistert.

Elva, eine kleine Gemeinde im Maira-Tal auf 1.637 Metern Höhe, gewann 2022 eine Ausschreibung des sogenannten „Piano nazionale borghi“, eines Fonds, der aus Mitteln des Nationalen Plans für Wiederaufbau und Resilienz (PNRR) finanziert wird. Das Förderprogramm sieht die finanzielle Unterstützung von jeweils einem Dorf pro Region und autonomer Provinz vor, das von Verödung oder Vernachlässigung bedroht ist, und stellt jeweils 20 Millionen Euro für die Neubelebung des Gebiets zur Verfügung.

Comune di Elva

Zwei Jahre sind seit dem Gewinn der Ausschreibung vergangen und trotz der zahlreichen Kontroversen, die das Projekt in der Region Piemont ausgelöst hat, gehen die Arbeiten in Elva unvermindert weiter. In mehreren der 28 Ortsteile der Berggemeinde sind Kräne zu sehen, die von einem zügigen Baufortschritt zeugen.

Während einige Projekte direkt den Einwohnern von Elva zugutekommen, sollen andere neue Einwohner und Touristen in die kleine Berggemeinde im Maira-Tal locken. Und das ist bitter nötig. Nach den neuesten Daten des Einwohnermeldeamtes leben in Elva 77 Menschen, tatsächlich dürften aber nur etwa 20 „Elvesi“ das ganze Jahr über in dem kleinen Bergdorf leben, das vor hundert Jahren noch über 1.300 Seelen zählte. Ziel der Pnrr-Mittel für Elva ist es, das Dorf wieder attraktiv zu machen und dem oberen Maira-Tal etwas von dem Leben zurückzugeben, das es vor 100 Jahren hatte.

Facebook/Daniela Dao Ormena

Vier Projekte, das „Zentrum für alpine Bewirtschaftung“ und die „Hirtenschule“ in Zusammenarbeit mit der Universität Turin, das „Zentrum für die traditionelle Herstellung alpiner Produkte“ in Zusammenarbeit mit der Universität für Gastronomische Wissenschaften in Pollenzo und die „Schule für die Wiederbesiedlung der Alpen“ in Zusammenarbeit mit dem Polytechnikum Turin, sind im Bereich der universitären Ausbildung angesiedelt.

Darüber hinaus werden ein Biomasse-Fernheizwerk mit den dazugehörigen Leitungen, eine Sternwarte, ein alpines Gästehaus für Studierende, eine Schutzhütte und ein Museum errichtet.

Der Bürgermeister der Berggemeinde, Giulio Rinaudo, ist begeistert. Besonders freut er sich, dass er nach Jahrzehnten der Abwanderung die ersten Neubürger in Elva begrüßen kann.

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„Es ist mehr Leben im Dorf. Die beiden bestehenden Beherbergungsbetriebe haben beschlossen, ganzjährig geöffnet zu bleiben. Im Moment kann man die neuen „Elvesi“ noch an einer Hand abzählen, aber wir stehen erst am Anfang. Einer von ihnen, der Astrophysiker, der das Observatorium begleiten wird, hat bereits ein Haus im Dorf gekauft“, erklärt Giulio Rinaudo.

Der Bürgermeister von Elva betont, dass sein Dorf im Gegensatz zu anderen Bergdörfern nicht durch Neubauten verschandelt sei. Vielmehr prägen die für die okzitanischen Täler der piemontesischen Alpen typischen Steinhäuser mit Holzdächern noch immer das Ortsbild. Viele von ihnen werden derzeit liebevoll restauriert. Giulio Rinaudo freut sich auch darüber, dass die wenigen Einwohner dank einer tatkräftigen 18-Jährigen, die den einzigen Dorfladen betreibt, wenigstens eine Nahversorgung mit Lebensmitteln haben.

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Alle Bemühungen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der nächste Kindergarten und die nächste Grundschule 20 Kilometer von Elva entfernt sind. Die Verbesserung der Straßenanbindung und eine neue Buslinie sollen dazu beitragen, dass sich dennoch Familien mit Kindern in Elva ansiedeln. In Elva fehlt es an vielem und es ist schwer vorstellbar, dass unter diesen Bedingungen junge Menschen oder Familien ins obere Maira-Tal ziehen.

Aber der Bürgermeister ist zuversichtlich. „Dank des Internets ist es heute möglich, Entfernungen zu verkürzen und viele Probleme zu lösen. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass der Unterricht zumindest zu bestimmten Zeiten im Jahr als Fernunterricht organisiert werden kann. Unsere Internetverbindung funktioniert sehr gut“, erklärt Giulio Rinaudo. Außerdem hofft der Bürgermeister, „digitale Nomaden“, die im Home-Office arbeiten, in das Bergdorf zu locken.

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Doch die rechnerische Tatsache, dass für die nur noch 20 ständigen Einwohner eine Pro-Kopf-Förderung von einer Million Euro ausgeschüttet wird, stößt in ganz Italien nicht nur auf Gegenliebe. „Sind 20 Millionen Euro für 20 Bergbewohner gerechtfertigt?“, fragen sich die Gegner und halten „Elva“ für einen eklatanten Fall von Verschwendung öffentlicher Gelder.

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Sie halten 20 Millionen Euro für ein so kleines Dorf für übertrieben viel Geld und finden es ungerecht, dass die Bewohner von Elva alles bekommen und alle anderen von Abwanderung betroffenen Gemeinden leer ausgehen. Der Bürgermeister der Berggemeinde, Giulio Rinaudo, freut sich hingegen über die Wiedergeburt seines Bergdorfes und weist die Kritik entschieden zurück. „So ein Ort darf nicht sterben“, betont Giulio Rinaudo.

Elva, das im Winter wie ein von der Welt vergessener Ort wirkt, wird zu neuem Leben erweckt.

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