„Huffingtonpost“ rechnet mit „Südtiroler Anderssein um jeden Preis“ ab

“Südtirols eigener Weg” führt ins Lockdown-Desaster

Sonntag, 07. Februar 2021 | 08:05 Uhr

Von: ka

Bozen/Rom – Die italienische Ausgabe der Onlinezeitung „Huffingtonpost“ geht mit der Südtiroler Corona-Politik hart ins Gericht.

Der Autor, Giuseppe Musmarra, der in seinem Artikel das „Südtiroler Anderssein um jeden Preis“ und besonders den viel gepriesenen Massentest scharf kritisiert, unterstreicht den krassen Unterschied zwischen Südtirol und dem Trentino. Während das Trentino in den Genuss der nur für die „gelben“ Regionen geltenden milden Corona-Einschränkungen kommt – in Kürze werden sogar die Skigebiete wieder den Betrieb aufnehmen – muss Südtirol in den harten Lockdown gehen.

Mit der weitgehenden Schließung der Schulen und dem Zusperren der Geschäfte, der Bars und Restaurants geht Südtirol ab Montag in den harten Lockdown. Laut Giuseppe Musmarra, der in seinem Artikel – „Il disastro del test-pilota di Bolzano, che finisce in lockdown“ – mit der Südtiroler Corona-Politik hart ins Gericht geht, liegen mit der außer Kontrolle geratenen Anzahl der Neuansteckungen sowie mit den gestiegenen stationären Aufnahmen in den Krankenhäusern die Gründe auf der Hand.

APA/HANS PUNZ

„Besonders angesichts des als besonders tugendhaftes Beispiel im Kampf gegen die Pandemie beschriebenen ‚Südtiroler Wegs‘ – ein ganz besonderer und spezieller Weg, dessen angeblicher ‚Erfolg‘ vor allem auf den im letzten Dezember durchgeführten Massentest beruhte, der mit tausend Fanfaren durchgeführt worden war und sich dann – jenseits der Propaganda – als objektiv unwirksam und als teuer erwiesen hatte – ist der harte Lockdown nicht nur ein kalte, sondern sogar eine eisige Dusche“, so Giuseppe Musmarra.

„Im Laufe der Zeit wurde immer deutlicher, dass der eingeschlagene Weg keine Wirkung zeigte. Aber man wollte es nicht zugeben. Anstatt im Angesicht der immer schlechteren Corona-Zahlen die gemachten Fehler zur Kenntnis zu nehmen und demütig zu versuchen, sie zu beheben, flüchtete man lieber ins Selbstlob, zu dem sich Polemiken mit nationalen und europäischen Experten gesellten. Das als nachahmenswert geltende ‚tugendhafte Modell‘, das wahrscheinlich weiterhin auf die wundersame Wirkung des Screenings hoffte, duldete keine Kritik oder auch nur auf Daten gestützte Beobachtungen“, so die deutlichen Worte von Giuseppe Musmarra.

LPA/Brucculeri

„Kurzum, man suchte das Anderssein um jeden Preis. Das heißt, dass es nicht so sehr um die Methode, sondern vielmehr um das Prinzip und wahrscheinlich um die Verfolgung eines ideologischen Starrsinns ging. Wenn im Rest Italiens die Bars schließen, machen wir in Bozen sie auf. Wenn im Rest Italiens die Bars wieder öffnen, schließen wir sie: Ein Tick des Widerspruchs, der fast ohne Rücksicht auf Verluste umgesetzt wurde“, so die herbe Kritik von Giuseppe Musmarra.

„Der wirtschaftliche Schaden ist immens. Der Tourismus, der für die Wirtschaft der Provinz von grundlegender Bedeutung ist, liegt darnieder. Bars, Restaurants und alle Beherbergungsbetriebe stecken seit fast einem Jahr in einer nie da gewesenen Krise. Auf die Moral der Bevölkerung, die bekanntlich zu den diszipliniertesten und am meisten die Regeln beachtenden Italiens gehört, sind die Auswirkungen verheerend. Verheerend ist aus der Sicht Südtirols die Erkenntnis, dass das benachbarte Trentino bald die Skisaison eröffnen kann, während in Bozen alles geschlossen bleibt. Verheerend ist sie auch für eine Provinz, die sich immer – oft zu Recht – als Vorbild für eine gute Verwaltung betrachtet hat“, legt Giuseppe Musmarra den Finger in die Wunde.

APA/APA (dpa)/Bernd Wüstneck

Der Autor des Artikels fragt sich, wie dies geschehen konnte, was nicht funktionierte und wo der Fehler lag. Laut Giuseppe Musmarra kenne niemand die Antworten auf diese Fragen oder zumindest liefere sie niemand. Mit Sicherheit – so die letzte “Watschn” des Artikelschreibers – könne sie die Propaganda, die noch nie ein guter Ratgeber war, nicht liefern.

Für Giuseppe Musmarra ist „Südtirols eigener Weg“ nicht zuletzt aufgrund der Südtiroler Eigenheit, immer und zu jedem Preis anders als die anderen sein zu wollen, gescheitert.

 

Bezirk: Bozen