Von: mk
Alicudi – Tiefblaue Wellen, spektakuläre Sonnenuntergänge am Mittelmeerstrand und ein ursprüngliches Landschaftsbild – Alicudi, eine 5,2 Quadratkilometer große Insel nördlich von Sizilien, gilt als wahres Paradies. Gleichzeitig sorgt dort eine wilde Tierart für Unmut. Wie die Online-Ausgabe der Berliner Morgenpost berichtet, greifen die Einheimischen nun zu ungewöhnlichen Maßnahmen.
Abgesehen von der kurzen Strecke entlang des Hafens gibt es auf der Insel keine Straßen, sondern nur malerische Wege mit Stufen, auf denen Maultiere schwere Lasten tragen. Das Eiland scheint aus der Zeit gefallen zu sein. Zu den modernen Annehmlichkeiten, die es gibt, zählen lediglich ein kleines Hotel mit Restaurant, eine Bar, zwei Lebensmittelgeschäfte und ein Postamt.
Geldautomaten oder Tabakläden existieren hier nicht. Abgesehen von der Fischerei leben die rund 100 Einwohner in erster Linie von der Landwirtschaft. Doch gerade in diesem Zusammenhang sind einige Problem aufgetaucht: Um eigenen Käse zu produzieren, hatten Einwohner damit begonnen, Ziegen zu züchten.
Ein paar Exemplare sind allerdings entkommen und leben seither frei auf der Insel. Inzwischen hat sich ihre Zahl so stark vermehrt, dass die Ziegen zur Plage geworden sind: Die gehörnten Pflanzenfresser, die sich von Laub, Gräsern und Kräutern ernähren, fallen auf ihrer Futtersuche über Gärten und Gemüsebeete her. Nutzpflanzen, Bäume und Kaktusfeigen werden dadurch zerstört. Um die verwilderten Tiere loszuwerden, greifen die Einwohner nun zu einem ungewöhnlichen Mittel: Sie wollen sie zur Adoption freigeben.
Die Anträge dafür müssen bei der Region Sizilien bis zum 10. April eingereicht werden. Bürgermeister Riccardo Gullo hofft, dass die Ziegen noch vor dem Sommer von Viehzüchtern der umliegenden Inseln eingefangen und übernommen werden. „Einige Viehzüchter der Nachbarinseln haben bereits Interesse signalisiert“, meint der Bürgermeister, der für die rund 16.000 Einwohner der Äolischen Inseln zuständig ist.
Sogar Unesco-Kulturerbe bedroht
Besorgniserregend ist: Nicht nur Gemüsebeete fallen den Tieren zum Opfer, sondern auch die typischen Trockensteinmauern der Insel, die ohne Zement errichtet wurden. Rund 24 Prozent dieser Mauern wurden als Unesco-Kulturerbe anerkannt.
Gullo zufolge wirft die Anwesenheit der Ziegen in unmittelbarer Nähe von Siedlungen außerdem hygienische Fragen auf. Doch die Tiere sorgen allein schon durch ihre Erscheinung für Ungemach. „Wilde Ziegen bewegen sich oft in Rudeln. Sie sind wunderschön, aber sie sind für uns Einwohner auch beängstigend. Sie sind riesig und tauchen häufig vor unseren Häusern auf“, erzählen Einheimische dem Bericht zufolge. Wildziegen leben in Herden, die je nach Lebensraum im Schnitt fünf bis 25 Tiere umfassen. Sie gelten als äußerst anpassungsfähig und halten der Hitze und dem Wassermangel stand, die die Insel vor allem im Sommer stark belasten. Weibliche Tiere ziehen mit ihrem Nachwuchs ganzjährig in Weibchengruppen umher. Um die Blätter der Gehölzer abzuweiden, klettern die geschickten Tiere sogar auf Sträucher und niedrige Bäume.
Werden die Ziegen nicht weggebracht, besteht das Risiko, dass die Zahl der Exemplare in drei Jahren auf 800 steigt. „Dann wäre die Insel eine Wüste“, warnt der Bürgermeister.
Doch Wildziegen sind nicht die einzige Gefahr, die die Vegetation der Insel bedroht. In den vergangenen Jahren haben sich auch ausgesetzte Hasen vermehrt. Ihre Stückzahl wird auf 10.000 geschätzt. Auch für die wachsende Hasenpopulation wird Alicudi eine Lösung finden müssen.