Von: mk
Arezzo/Genua – Eine 20-jährige Studentin aus Genua ist am 3. August 2011 in Spanien vom Balkon eines Hotels im sechsten Stock gestürzt. Der Grund: Zwei junge Männer waren hinter ihr her, die sie vergewaltigen wollten. Nachdem die beiden verurteilt wurden, haben sie nun über ihre Anwälte vor dem Zivilgericht in Arezzo ein Gutachten zur genauen Unfalldynamik beantragt. Dabei unterstellten sie der 20-Jährigen eine „Mitschuld“. Die Eltern der Studentin finden das nahezu unerträglich.
Das Leben von Martina Rossi endete auf Palma de Mallorca. Dort hatte sie im August 2011 ihren Urlaub mit zwei Freundinnen verbracht. Alessandro Albertoni und Luca Vanneschi, die beide heute 32 Jahre alt sind und aus Castiglion Fibocchi in der Provinz Arezzo stammen, übernachteten im selben Hotel. Im Rahmen des Strafprozesses wurden sie rechtskräftig zu drei Jahren Haft wegen versuchter Vergewaltigung verurteilt. Im Fall des Todes der 20-Jährigen, zu dem es infolge einer anderen Straftat – sprich des Vergewaltigungsversuchs – gekommen ist, griff hingegen die Verjährung.
Über ihre Anwälte haben Albertoni und Vanneschi nun ein Gutachten vor dem Zivilgericht in Arezzo beantragt, das beweisen soll, dass auch die 20-Jährige eine Mitschuld am Geschehen soll. Um einer Vergewaltigung zu entkommen, war die Studentin über das Geländer des Balkons im sechsten Stock geklettert, bevor sie in die Tiefe stürzte. Im Rahmen des Gutachtens soll außerdem festgestellt werden, ob auch das Hotel eine Mitverantwortung trägt, zumal die Balustrade am Balkon zu niedrig gewesen sei.
Bruno Rossi, der Vater der jungen Frau, bezeichnete den Antrag als „abartig“. Die Anwälte der Familie von Martina Rossi stemmten sich gegen ein solches Gutachten. Nun muss der zuständige Richter innerhalb eines Monats entscheiden.
Derzeit läuft vor dem Zivilgericht in Arezzo ein Verfahren, in dessen Rahmen sich Albertoni und Vanneschi verantworten müssen. Die Angehörigen von Martina Rossi verlangen Schadenersatz in Höhe von einer Million Euro. Nach dem Urteil im Strafverfahren dürfen die beiden 32-Jährigen ihre Haftstrafe im offenen Vollzug abbüßen.
Die Familie bekundet, dass sie keinen einzigen Cent der Entschädigung für sich beansprucht. Das Geld soll stattdessen einer Wohltätigkeitsorganisation zugutekommen, die die Angehörigen im Namen von Martina Rossi gegründet haben. Die Vereinigung unterstützt Frauen, die Gewalt erlitten.
„ Es gibt keine Scham“, kommentierte Franca Murialdo, die Mutter von Martina Rossi, den Antrag auf das Gutachten. Die beiden Männer würden sich weiterhin so verhalten, als sei nichts passiert, und sie würden weiterhin Lügen verbreiten, meinte Bruno Rossi gegenüber der Zeitung „La Nazione“.