Italien will Österreich vor dem EuGH klagen

Transit – EU-Kommission hört sich im Streit mit Italien Argumente an

Montag, 08. April 2024 | 11:20 Uhr

Von: apa

Im Streit um die Tiroler Anti-Transitmaßnahmen auf der Brennerstrecke legen Österreich und Italien der EU-Kommission am Montag nochmals mündlich ihre jeweiligen Argumente dar. Die Anhörung soll der Brüsseler Behörde helfen, zu entscheiden, ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einleitet. Andernfalls dürfte Italien vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen Österreich klagen.

Österreich wird am Montag von einem zwölfköpfigen Team vertreten, meldete die “Tiroler Tageszeitung” am Wochenende. Dies wurde der APA aus EU-Kreisen bestätigt. Der Delegation sollen hohe Beamte aus dem Verkehrsministerium angehören, unter anderen deren Generalsekretär Herbert Kasser. Die Anhörung ist für 14.30 Uhr angesetzt und soll bis rund 18.00 Uhr dauern.

Italien sieht das auf der Brennerstrecke eingesetzte Lkw-Dosiersystem sowie Wochenend- und Nachtfahrverbote als EU-rechtswidrig an. Mitte Februar kündigte die Regierung in Rom wie erwartet an, vor dem EuGH dagegen klagen zu wollen.

Laut EU-Verträgen muss sie aber zuerst die EU-Kommission einschalten. Wenn diese die Maßnahmen auch für rechtswidrig hält, kann sie ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnen. Reagiert die Kommission nicht innerhalb von drei Monaten (also bis Mitte Mai), kann Italien eigenständig den EuGH anrufen.

Die EU-Kommission werde sich heute nach der Anhörung nicht öffentlich zu dem Fall äußern, hieß es dort auf APA-Anfrage hin. Erst wenn die Behörde sich eine definitive Meinung in der Causa gemacht habe, werden sie sich auch öffentlich dazu äußern.

Die Regierung in Rom hatte ihr Vorgehen im Oktober im Ministerrat beschlossen. Zuvor hatte Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) monatelang gegen die Tiroler Maßnahmen mobil gemacht und Drohungen ausgestoßen, unter anderem auch im Zuge eines Besuchs am Brenner. Es handle sich um eine “schwierige, aber zwingende Entscheidung angesichts der Haltung der EU-Kommission und der Unmöglichkeit, eine Verhandlungslösung zu erreichen”, hatte es geheißen. Der EU-Kommission warf der Lega-Chef bisher stets Untätigkeit vor, da sie nicht von sich aus ein EU-Vertragsverletzungsverfahren einleitete.

Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ machte indes wiederholt klar, nicht von den “Notmaßnahmen” abzusehen, solange es keine große europäische Lösung gibt. Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) hatte zuletzt gehofft, dass die Klage noch abgewendet werden könne. Eine Lösung mit Italien sei “noch möglich”, meinte der Landeschef etwa noch Ende Oktober nach einem Treffen mit Regierungsstaatssekretär Alfredo Mantovano, einem engen Mitarbeiter von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli D’Italia), in Rom.

Zudem warb Mattle stets für das sogenannte “Slot-System”, ein intelligentes Verkehrsmanagement auf der Brennerstrecke mit buchbaren Lkw-Fahrten, als Teil der Lösung. Ebendieses war von Tirol, Bayern und Südtirol vergangenes Jahr bei einem “Gipfel” in Kufstein politisch paktiert worden. Damit ein solches “Slot-System” aufgesetzt werden kann, braucht es aber einen Staatsvertrag zwischen Deutschland, Österreich und Italien. Dieser ist aber, vor allem aufgrund der Haltung Italiens, derzeit in weiter Ferne.

Zuletzt stellte der Landeschef im Landtag einen möglichen Alleingang, also nur ein “Slot-System” auf Tiroler Gebiet, ins Spiel. “Es wird uns vielleicht nichts anderes übrig bleiben um zu prüfen, ob so ein System nur in Österreich und Tirol eingeführt werden kann”, erklärte Mattle.

Tirols Verkehrslandesrat René Zumtobel (SPÖ) sah das Bundesland auf das Verfahren “sehr gut vorbereitet”. Die Maßnahmen würden sich im gesetzlichen Rahmen bewegen, zeigte er sich am Montag am Rande einer Pressekonferenz in Innsbruck überzeugt. Auch die von der EU ins Spiel gebrachte Senkung der Luftgütewerte würde dabei “sehr hilfreich” sein. Er räumte indes ein, die Causa trotzdem “sehr ernst” zu nehmen und betonte, dass Tirol weiterhin verhandlungsbereit sei und “nie vom Verhandlungstisch aufgestanden” zu sein.

Verkehrsminister Leonore Gewessler (Grüne) stellte sich hinter die Maßnahmen. Diese seien “rechtskonform, ja sogar EU-rechtlich notwendig.” Österreich werde am Kurs festhalten. “Salvini steht für die Profite der Frächterlobby”, übte die Ministerin zudem scharfe Kritik an ihrem italienischen Amtskollegen.